Boeing 787 Dreamliner:In Europa gelandet

Man wollte eigentlich nicht mehr daran glauben - aber jetzt hat Boeing seinen Dreamliner doch zum ersten Mal öffentlich vorgeführt: Er ist der Star der Farnborough Air Show.

Andreas Spaeth

Bis zum kommenden Sonntag wird ein privater Flugplatz in der beschaulichen britischen Provinz Hampshire, 50 Kilometer südwestlich von London, wieder zum Nabel der internationalen Luftfahrtwelt. Denn die Farnborough Air Show, die alle zwei Jahre stattfindet und benannt ist nach dem kleinen Städtchen nahe dem Flugplatz, öffnet ihre Tore. Diese Luftfahrtmesse gibt es seit 1948, und sie gilt, neben der mit jeweils in ungeraden Jahren stattfindenden Luftfahrtschau in Paris-Le Bourget, als die wichtigste weltweit.

In diesem Jahr kann Farnborough mit einigen echten Weltpremieren glänzen. Die wichtigste ist zweifellos der erste Auftritt des neuen Passagierflugzeugs Boeing 787 Dreamliner. Und dessen Kommen ist gleich doppelt von Bedeutung: Zum einen zeigt sich der Dreamliner zum allerersten Mal dem Publikum, zum anderen ist es der erste Flug des Jets außerhalb der USA. Bislang hatte die 787 vor allem mit Verspätungen wegen Produktionsproblemen Schlagzeilen gemacht.

Das im Juli 2007 vorgestellte Verkehrsflugzeug für rund 250 Passagiere sollte eigentlich schon seit Mitte des Jahres 2008 beim Erstkunden All Nippon Airlines (ANA) in Japan im Linieneinsatz sein. Doch erst am 15. Dezember 2009 konnte schließlich der Erstflug stattfinden.

Derzeit läuft das aufwendigste Flugtestprogramm der zivilen Luftfahrtgeschichte mit demnächst sechs Flugzeugen, die in 24-Stunden-Schichten alle erdenklichen Prüfungen durchlaufen. Am 16. Juni konnte die 1000. Flugstunde absolviert werden - damit ist rund ein Drittel der vorgesehenen Tests geschafft. 787-Programmchef Scott Fancher lobte den Dreamliner als "beinahe fehlerfrei". Die Zulassung soll zum Jahresende erreicht sein, erste Auslieferungen an ANA sind im Frühjahr 2011 geplant. Mit rund 870 Bestellungen schon vor dem kommerziellen Erstflug ist die 787 einer der erfolgreichsten Jets aller Zeiten.

Lange erwartet, endlich da: der Dreamliner

Bereits am gestrigen Sonntag wollten 787-Chefpilot Mike Carriker und seine Kollegen Mike Bryan und Rod Skaar mit der Testmaschine - Baunummer ZA003 - nach einem rund neunstündigen Nonstopflug aus Seattle in Farnborough landen; während des Fluges sollten Bordküchen, Sitze und Klimatisierung getestet werden.

Am morgigen Dienstag dann wollen sich Flugzeug und Crew wieder aus Farnborough verabschieden, um die regulären Tests in den USA nicht allzu lange zu unterbrechen; kürzlich hatte die am 14. März erstmals gestartete ZA003 in einem Klimahangar in Florida Temperaturen von minus 42 Grad Celsius bis plus 46 Grad Celsius aushalten müssen.

Auf eine weitere Weltpremiere in Farnborough verzichtet Boeing allerdings: Die neueste Version des Jumbo Jets, die 747-8, sollte in ihrer Frachtversion ursprünglich auch nach England kommen. "Die Verantwortlichen wollen sich lieber weiter auf das laufende Flugtestprogramm konzentrieren und vor allen Dingen darauf, den ersten Frachter zum Jahresende an den Erstkunden Cargolux auszuliefern", erklärte Boeing-Sprecherin Béatrice Bracklo. Auch dieses Programm leidet unter erheblichen Verzögerungen. Erstkunde für die Passagierversion 747-8I ist die Lufthansa, die jetzt damit rechnet, ihren Neuzugang erst 2012 im Liniendienst einsetzen zu können.

Die wichtigste Airbus-Weltpremiere in diesem Jahr fand bereits auf der ILA in Berlin im Mai statt, aber: Der Militärtransporter A400M wird auch in Farnborough die Besucher mit seiner extremen Wendigkeit in der Luft begeistern.

Auch Antonov hat Neues zu bieten

Erstmals zeigen die Europäer ihren neuesten zivilen Frachter A330F, auffällig durch eine wulstartige Ausbuchtung im Bereich des Bugfahrwerks. Zu sehen ist die A330F in den Farben von Etihad - die Fluggesellschaft des Emirats Abu Dhabi hatte in Farnborough 2008 mit Bestellungen von insgesamt 200 Flugzeugen zum Gesamtpreis von 43 Milliarden US-Dollar für Schlagzeilen gesorgt. In diesem Jahr könnte Emirates diese Rolle übernehmen, die trotz ihrer Megaorder über 32 Jets vom Typ Airbus A380 auf der ILA noch weiteren Bedarf sieht.

Auch abseits der großen Jets kann Farnborough mit Premieren aufwarten. So wird von einem Dutzend Besteller zum Beispiel die Twin Otter 400 sehnsüchtig erwartet. Der zweimotorige 19-Sitzer für Einsätze von der Arktis bis zu den Malediven ist 22 Jahre nach Produktionsende wieder auf dem Markt. Der kanadische Hersteller Viking schaffte im Februar den Erstflug der modernisierten Version und zeigt die neue Twin Otter erstmals in Farnborough.

Neu ist auch der zweistrahlige Regionaljet Antonow An-158 aus der Ukraine für 99 Passagiere, eine gestreckte Version der An-148 (85 Plätze). Am kommenden Wochenende steht die Air Show dann dem Publikum offen.

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