Boeing 787 Dreamliner:Bauch-Landung

Fast wie bei Airbus: Technische Probleme verzögern jetzt auch die Auslieferung der Boeing 787 Dreamliner.

Andreas Spaeth

Der Prototyp der Boeing 787 Dreamliner ist zurzeit eher ein trauriger Schatten seiner selbst - jener glänzende Zukunftsflieger, der mit seinem Rumpf aus Kohlefaser-Verbundwerkstoff am 8. Juli der Weltöffentlichkeit präsentiert worden war (wir berichteten).

Boeing 787 Dreamliner

Schön, schlank, elegant - so das Versprechen.

Aus dem in Türkis und Weiß erstrahlenden Zweistrahler ist wieder ein Torso geworden, versteckt in den Riesenhallen des Boeing-Werks Everett nördlich von Seattle. Zeitweise war das Leitwerk entfernt worden, die Triebwerke, alle Türen sowie die Flügelvorderkanten.

Die notwendige Demontage

Das Flugzeug wurde zum Teil demontiert, um mehr als 1000 nur vorläufig installierte Verbindungen durch die endgültigen zu ersetzen. "Das Spektrum reicht von drei Millimeter langen Nieten bis hin zu unterarmdicken Bolzen", weiß der Hamburger Luftfahrtexperte und ehemalige Boeing-Sprecher Heinrich Großbongardt.

Boeings Problem: Auf dem Weltmarkt sind die für die 787 benötigten Nieten und Bolzen zurzeit Mangelware, die Hersteller können nur verzögert liefern. Da der gesamte Rumpf des Dreamliner aus Verbundwerkstoff besteht, bei dem die sonst üblichen Aluminium-Verbindungen nicht benutzt werden können, verzögerte sich aufgrund der Lieferengpässe für Nieten und Bolzen aus alternativen Metallen bereits die Fertigstellung des Prototyps für den Erstflug.

Der sollte ursprünglich Ende August oder Anfang September stattfinden und wird jetzt vermutlich frühestens im Dezember starten. Hinzu kamen Software-Probleme, die den engen Zeitplan endgültig ins Wanken brachten.

Obwohl die 787 in der Produktion mit neuen Partnern und Zulieferern aus aller Welt als auch in fast allen technischen Details als das revolutionärste Verkehrsflugzeug seit Jahrzehnten gilt, will Boeing die Flugerprobung bis zur Zulassung in Rekordzeit schaffen.

Bereits für Mai 2008 ist die erste Auslieferung an die japanische Fluggesellschaft Ana geplant - ein Datum, an dem Boeing offiziell immer noch festhält. In der Branche allerdings glaubt schon heute niemand mehr daran.

Bauch-Landung

"Das ist bei einem so radikal neuen Programm extrem eng; die Erstauslieferung wird sich um mindestens zwei Monate verzögern", vermutet Großbongardt. Auch in Japan ist man nicht allzu optimistisch: "Wir wissen, dass es da einige noch zu lösende Fragen gibt und Boeing viel Arbeit vor sich hat", formuliert es Osamu Shinobe, bei Ana zuständig für die 787-Einführung.

Boeing 787 Dreamliner

Verspätung: Im Mai 2008 sollte die erste Boeing 787 Dreamliner ausgeliefert werden, doch der Zeitplan ist nicht zu halten. Momentan ist der Jet demontiert.

(Foto: Foto:)

Crashtests aus nur fünf Metern Höhe?

Schon jetzt ist klar, dass auch bei dem geplanten komprimierten Flugtestprogramm, das 24 Stunden täglich und sieben Tage die Woche mit fünf Flugzeugen durchgeführt werden soll, die Verkehrs-Zulassung allenfalls gleichzeitig mit der Ablieferung des ersten Flugzeugs erfolgen kann. Wenn die 787 erst im Dezember fliegen sollte, blieben nicht einmal sechs Monate bis zur Erstauslieferung.

Bei der Boeing 777 dagegen - einem damals ebenfalls neuen, aber wesentlich konventionelleren Flugzeug - dauerte das ebenfalls gestraffte Testprogramm elf Monate.

Damit nicht genug: Gerade entfachte der Ingenieur Vincent Weldon, der 46 Jahre lang für Boeing unter anderem am SpaceShuttle-Programm gearbeitet hatte, eine Sicherheitsdiskussion.

In einer landesweit ausgestrahlten TV-Sendung erhob der im Juli 2006 entlassene Weldon schwere Vorwürfe gegen die 787 erstmals öffentlich und schickte alarmierende Post an die amerikanische Luftfahrtbehörde FAA: Der für den Rumpf verwendete Verbundwerkstoff sei im Vergleich zu Aluminium so spröde, dass die Passagiere bei einem Aufprall sehr viel größeren Kräften ausgesetzt seien als in herkömmlichen Flugzeugen; während der Rumpf dort durch Verformung Energie auffangen könne, würden Rümpfe aus Verbundwerkstoff schlicht bersten.

Bauch-Landung

Dadurch könnten auch Löcher entstehen, die Rauch und giftige Gase in die Kabine eindringen ließen. Außerdem könnten nach einer Bruchlandung bei einem Brand des Verbundwerkstoffs die hochgiftigen Gase mit feinsten Kohlestaubpartikeln durchsetzt sein, was die Passagiere beim Einatmen handlungsunfähig machen oder gar töten könnte.

Vincent Weldon behauptet zudem, dass die Crashtests, bei denen Boeing nur Rumpfteile aus lediglich fünf Meter Höhe zu Boden fallen ließ, nicht ausreichend seien. Boeing riskiere durch die überstürzte Einführung dieser neuartigen Fertigungsmethode aus kommerziellen Gründen die Sicherheit der Passagiere.

Die FAA besteht auf der Erfüllung aller Auflagen

Doch die Branche begegnet den Vorwürfen mit Vorsicht. FAA-Sprecher Mike Fergus betonte, dass die 787 nicht zugelassen werde, bevor alle FAA-Auflagen erfüllt seien - darunter sei die besondere Anforderung an Boeing nachzuweisen, dass Passagiere bei einem Unfall eine mindestens so hohe Überlebenschance hätten wie in einem Metallflugzeug.

Und Boeing selbst verweist auf fast 40 Jahre Erfahrung mit Verbundwerkstoffen. "Wir verstehen dieses Material sehr gut", sagt Boeing-Chefprojektingenieur Tom Cogan, "und wir machen diesmal mehr Strukturtests als bei jedem anderen Flugzeug der Geschichte."

Auch das Branchenmagazin Flight International gibt sich überzeugt: "Die Resultate früherer Crashtests haben bestätigt, dass Strukturen aus Verbundwerkstoffen technisch so gestaltet werden können, dass sie die Crash-Tauglichkeit von Metallflugzeugen erreichen oder sogar noch übertreffen."

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