Zukunft von BMW:Mit Sorgen ins nächste Leben

BMW-Produktionsvorstand Harald Krüger im BMW i3.

Der neue BMW-Chef Harald Krüger in einem i3.

(Foto: dpa)

Der neue BMW-Chef Harald Krüger hat keine leichte Aufgabe vor sich: Es gilt, neue Modelle, Investitionen und Kooperationen zu stemmen. Und nicht noch weitere Trends zu verschlafen.

Von Georg Kacher

Die Zeit läuft. Bis September will der neue BMW-Vorstandsvorsitzende Harald Krüger, der seit dieser Woche im Amt ist, seine Marschroute bestimmen und die wichtigsten Konzepte fixieren. Schon im Vorfeld hat der 49-Jährige, der zuletzt für die Produktion verantwortlich war, Strategiegruppen geformt und erste Schwerpunkte definiert. Unter der Ägide seines Vorgängers Norbert Reithofer, der jetzt dem Aufsichtsrat vorsteht, muss der gelernte Maschinenbauer die goldene Mitte suchen zwischen der Evolution einer zuletzt besonders erfolgreichen Unternehmensführung und dem Setzen eigener Schwerpunkte.

Projekt i ist Reithofers Baby - inklusive hoher Anlaufkosten, schmaler Rendite und dem i5, der als drittes Modell 2019 auf den Markt kommen soll. Der i3 hat ähnlich satt in die Marke eingezahlt wie der Prius das für Toyota tut, doch der Wagen ist so teuer in der Herstellung, dass man nicht so recht weiß, ob die mäßigen Absatzzahlen am Petuelring Erleichterung oder Enttäuschung auslösen. Die anstehende Verdoppelung der Reichweite dürfte die Nachfrage ankurbeln - für 2015 rechnet BMW bereits mit 30 000 verkauften Einheiten. Trotzdem ist unklar, wie es mit dem i3 weitergeht. Man könnte den Wagen mit der Kostenschere neu zuschneiden und aufhübschen, man könnte ihn aber auch kontinuierlich pflegen und weiterbauen. Letzterer Ansatz dürfte beim i8 zum Tragen kommen, der im laufenden Jahr erstmals rund 5000 Kunden finden soll.

Wie es mit dem i3 weitergeht, ist derzeit unklar

Der als reiner Stadtwagen konzipierte i1 hat früh das Zeitliche gesegnet, und auch die als verlängerter i3 im Touran-Format geplante Urfassung des i5 wurde von den Controllern längst gestoppt. Stattdessen haben Reithofer und sein Intimus Ulrich Kranz eine viertürige i-Limousine auf den Weg gebracht, die einen volumentauglichen Materialmix mit einem innovativen Antriebskonzept verbindet. Karbon ist zwar wieder mit von der Partie, verliert aber die Rolle als dominierender Werkstoff. Stattdessen verwendet der i5, der auch i4 oder i6 heißen könnte, Elemente der modular aufgebauten Cluster-Architektur (CLAR), die BMW bei allen künftigen Hecktrieblern einsetzt. Die dritte i-Variante ist ungefähr so groß wie ein Dreier, aber deutlich geräumiger. Kein Wunder: Unter die Haube muss kein Sechszylinder passen, und die zwischen den Hinterrädern untergebrachte E-Maschine ist so kompakt wie ein kleiner Koffer.

Der i5 funktioniert als reines Elektroauto mit einer Leistung von bis zu 300 PS, und als Plug-in-Hybrid mit elektrisch angetriebener Hinterachse. Die E-Version soll mit einer Batteriekapazität von etwa 75 kWh mehr als 400 km weit fahren können. Beim vorne installierten Verbrenner fällt die Entscheidung zwischen einem 1,5-Liter-Dreizylinder und jenem 2,0-Liter-Vierzylinder, der auch in den anderen Hybriden verbaut wird. Die skalierbare Systemleistung liegt dem Vernehmen nach zunächst bei 400 PS. Der für den Weltmarkt konzipierte Fünfsitzer ist ein von Stilmitteln des i3 und i8 geprägtes Stufenheck, das angeblich nur 1550 Kilo wiegt und mit einem hervorragenden cw-Wert glänzt. Die Produktion im Werk Leipzig ist auf Stückzahlen von bis zu 100 000 Einheiten pro Jahr ausgelegt. Der Preis wird sich wohl am Active Hybrid 3 orientieren.

Im nächsten Schritt will BMW die Projekt-i-Idee über die gesamte Palette und alle Marken ausrollen. In diesem Szenario ersetzt das Engineered by i-Versprechen die inzwischen erfolgreich integrierte Efficient-Dynamics-Formel. Das kann offensiv geschehen wie im Fall des dramatisch leichteren Sechser-Nachfolgers. Es kann aber auch subtil umgesetzt werden wie bei der deutlich effizienteren nächsten Rolls-Royce-Generation. Das dafür notwendige Rüstzeug ist weitgehend bekannt: innovative Werkstoffe, schlankere Strukturen, sparsamere Antriebskonzepte, ausgeklügeltere Aerodynamik. Man darf gespannt sein, ob es im zweiten Anlauf besser gelingt, den i-Mehrwert für Kunden und Marke herauszuarbeiten. Denn die Konkurrenz schläft nicht: Audi bringt einen rein elektrischen Crossover, Porsche einen leistungsstarken Viersitzer mit E-Motor, Mercedes einen E-SUV und eine fast baugleiche Limousine. BMW hat zwar den i5 in petto, doch der könnte sich unerwartet schwertun gegen die deutschen Power-Stromer und gegen die neuen, kleineren und günstigeren Tesla-Modelle.

BMW sollte den Reihensechszylinder pflegen

Der führende Premiumanbieter hat auch Nachholbedarf in Sachen 48-Volt-Bordnetz, elektrisch angetriebene Verdichter, autonomes Fahren und Oberklasse-Hybrid. Weil der geplante Doppelherz-Antrieb mit dem Reihensechszylinder aus Kostengründen verworfen wurde, müssen sich jetzt selbst X5 und Siebener als Plug-in mit einem Vierzylinder begnügen. Der hat im Tandem mit dem E-Aggregat zwar genug Kraft, aber weder das Image noch die klassenübliche Laufkultur. Diese Baukasten-Denke bedient mit nur zwei alternativen Triebsträngen die Fronttriebler (X1 lang, Zweier Gran Tourer, Mini Countryman) sowie die Hecktriebler (Dreier, Fünfer, Siebener) und die Crossover (X3, X5, X7). Das mag Entwicklungsaufwand und Zeit sparen, macht sich jedoch nicht so gut gegen die V6-Hybrid-Fraktion aus Ingolstadt und Stuttgart. Obwohl die Einbaurate des Reihensechszylinders stetig zurückgeht, sollte BMW den charismatischen Motor hegen und pflegen - gerne mit E-Lader für mehr Kraft, gerne aber auch ganz puristisch und emotional als Hochdrehzahl-Sauger.

Die Kooperation mit Toyota beschert den Münchnern unter anderem die nötigen Skaleneffekte für die nächste Z4-Generation und den Zugang zur seriennahen Wasserstoff-Technologie. Leider bekommen die Japaner zuerst das Coupé und die Deutschen den Roadster - andersrum wäre es vor allem der M GmbH lieber, die mit dem Hardtop naturgemäß mehr anfangen kann. Außerdem zwingt die Partnerschaft zu einem Maß an Kompromissbereitschaft, das nicht ohne Auswirkungen auf das Endprodukt bleiben dürfte. Warum die bayrischen Motorenwerke das Projekt nicht im Alleingang in Angriff genommen haben? Weil das traditionell extrem rigide Kostenmanagement - i3 und i8 sind da die große Ausnahme - mit einem ausgeprägten Respekt vor Risiko einherging. Klar, der Z4 hätte auch im Schulterschluss mit dem Vierer funktioniert, doch der Vorstand zeigte die rote Karte, wie schon in Sachen Z2 (Markt ist zu klein), BMW City (soll Mini abdecken), Z6 (Segment schrumpft), i8S (M und i darf man nicht mischen), Neuner Coupé (zu hoher Einmalaufwand) oder X2 (abgelöst vom Einser Sport Cross).

An der Isar hat man den Trend zum Vierzylinder verschlafen

Es sieht jetzt zwar so aus, als ob der zweitürige Zweier im Gegensatz zum nächsten Einser seinen Hinterradantrieb behalten darf, doch einige andere Konzepte stehen noch auf der Kippe. Der Nachfolger des zweitürigen Einser wurde bereits vom Rotstift gekillt, Dreier GT und Vierer Gran Coupé werden möglicherweise durch ein einziges Modell ersetzt, der ambitioniert konzipierte Mini Superleggera steckt ebenso in der Warteschleife wie das X8 Coupé und der viel diskutierte kleine BMW unterhalb des Einser. Vielleicht wäre es falsch, die Marke nach unten zu erweitern. Aber eine echte Ikone, wie der Z8 eine war und der i8 eine ist, würde perfekt ins Portfolio passen. Der CSL Hommage, der an diesem Wochenende vorgestellt wird, hätte das Zeug dazu, die Gene des 2002 tii und des legendären Leichtbau-Coupés zu revitalisieren. Nicht unbedingt als megateurer Überflieger, sondern eher als entfeinerte Fahrmaschine mit Vierzylinder und Handschaltgetriebe. Doch da fängt das Problem schon an, denn während der AMG 45S demnächst 400 PS mobilisiert und es die Audi TT-Studie sogar auf 420 PS bringt, hat man an der Isar den Trend zum starken Vierzylinder verschlafen.

Am oberen Ende der Skala muss es der i8 richten. Der projektierte Supersportwagen M100, der sich gegen R8 und AMG GT in Szene setzen sollte, wurde schon vor knapp zwei Jahren beerdigt. Die Motorsportabteilung darf zwar die Palette von M2 bis M6 abdecken, doch der wunderschöne M1 Hommage blieb leider ebenfalls eine Eintagsfliege. Und während sich Mercedes am S63/S65 eine goldene Nase verdient, gibt es vom Siebener nicht einmal eine aufgewertete Variante mit mehr Leistung. Für einen möglichen M8 existieren diverse Vorschläge mit sensationeller Aerodynamik und bis zu drei E-Motoren, aber es fehlt nach wie vor das grüne Licht für die nächste Ausbaustufe.

Das leidige Qualitätsthema

Das Bekenntnis zum Brennstoffzellenfahrzeug (FCEV) steht nicht erst seit der Zusammenarbeit mit Toyota. Doch das Unternehmen muss Prioritäten setzen und sich gleichzeitig breit aufstellen - ein Spagat, der kaum im Alleingang zu bewältigen ist, denn wie BMW i benötigt auch das FCEV eine eigenständige Architektur. Um das Wasserstoffvolumen von bis zu 300 Liter unterzubringen, wird an einem mittig längs eingebauten Drucktank aus Kohlefaser gearbeitet, der in weniger als fünf Minuten befüllt werden kann. Die Kombination aus Brennstoffzelle und Hochvoltbatterie verspricht ähnliche Fahrleistungen wie ein Benziner. Mangels Infrastruktur und aufgrund des hohen Entwicklungsaufwands ist mit dem Serieneinsatz allerdings kaum vor 2025 zu rechnen. Weil BMW "fast alles kann, außer günstig" - ein geflügeltes Wort, nicht nur in der Chefetage -, könnte es gut sein, dass die künftige Vernetzung über den bestehenden Deal mit den Japanern hinausgeht, der durch die Kooperation zwischen Toyota und Mazda nicht unbedingt an Attraktivität gewonnen hat. Im Flurfunk fallen deshalb - ohne Gewähr - Namen wie Samsung, Apple, McLaren (Sportwagen-Connection) und Ford (Kleinwagen Know-how).

Wenn Harald Krüger und sein Team sich demnächst wappnen für die nächsten fünf bis zehn Jahre, geht es zum Teil um relativ einfache Entscheidungen wie die Verfügbarkeit der Einser-Limousine außerhalb von China. Aber es gibt auch knifflige Aufgaben zu lösen wie die Frage nach dem Einstieg in die Formel E, die zweite Projekt-i-Generation, das leidige Qualitätsthema und die Sinnhaftigkeit des Wachstumsdiktats bei gleichzeitig schrumpfenden Margen. Spätestens zur 100-Jahr-Feier im März 2016, wenn uns die Führungsriege mit mindestens vier Visionen zur entfernten Zukunft von BMW überraschen will, wissen wir mehr.

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