BMW X6 M:Mann-o-Meter

Man kann darüber streiten, was ein 2,3 Tonnen schweres SUV auf einer Rennstrecke zu suchen hat. Doch wer ein paar Runden hinter dem Steuer des neuen X6 M gesessen hat, ist beeindruckt.

Stefan Grundhoff

Von 0 auf Tempo 100 in unter fünf Sekunden, Tempo 275 Spitze und gewaltig trommelnde 555 PS - das wäre alles andere als spannend, wenn die BMW-Strategen das Ganze nicht im Blechkleid eines mächtigen SUV untergebracht hätten. Die Münchner Kurvenräuber bringen den X6 nun als M-Version auf die Straße. Optisch hätte man sich potentesten M-Bruder aller Zeiten gerne noch schärfer vorstellen können. Bereits die zivile Version des BMW X6 übt sich mit den gewaltigen Rädern und dem mächtigen Heck in kaum nennenswerter Zurückhaltung. Da schrecken einen die Kiemen an den Frontkotflügeln, mächtige Lufteinlässe in der Frontschürze und die vierflutige Auspuffanlage kaum noch.

BMW X6 M: BMW X6 M: keiner, der seine Kraft versteckt

BMW X6 M: keiner, der seine Kraft versteckt

(Foto: Foto: BMW)

Wenn der BMW X6 M im Rückspiegel antrabt, sollte man sehen, dass man Land gewinnt. Die Gefahr, dass einen düstere Lufteinlässe in den Dimensionen eines U-Bahn-Schachts einfach in sich aufsaugen, sind groß. Als ob der normale Achtzylinder im BMW X6 xDrive 50i mit seiner Turboaufladung nicht schon kraftvoll genug wäre: Die M-Versionen des Geschwisterpaares X6 und X5 bieten Dank doppelter Turboaufladung 408 kW / 555 PS und ein maximales Drehmoment von 680 Nm. Dass der gewaltige Schub bereits nach einem kaum mehr spürbaren Loch ab 1500 Touren die Insassen in die Sitze presst, verdankt man einem neu entwickelten Turbolader mit Zylinderbank-übergreifendem Abgaskrümmer. Was sich selbst für viele Motorsportfans anhört wie ein bislang unbekanntes böhmisches Rennsportmekka, ist zum Patent angemeldet und sorgt dafür, dass der Kraftprotz bereits bei betont niedrigen Touren keinen Schabernack mehr treiben möchte.

"Wir zeigen mit dem X6 M, dass Downsizing nicht gleichzeitig auch Downgrading heißen muss", erklärt Dr. Kay Segeler, Präsident der sportiven M-GmbH im Hause BMW. Regenerative Bremsen und Tüfteln an der Aerodynamik sorgen zudem dafür, dass sich der avisierte Durchschnittsverbrauch von 13,9 Litern SuperPlus auf 100 Kilometern in einem überraschend erträglichen Rahmen hält. Die Hauptkonkurrenten ML 63 AMG und Porsche Cayenne Turbo liegen da weitaus höher. Wer auf der Suche nach mächtigem Vortrieb jedoch den nötigen Druck macht, lässt den Durst des BMW X6 M auf weit mehr als 20 Liter ansteigen.

Der Schub des zwangsbeatmeten Achtzylinders ist in nahezu jedem Drehzahlbereich mörderisch. Fahrwerk, Reifen und Wankstabilisierung vollbringen im Sekundentakt mittelgroße Wunder, um die imposante Leistung des 2,3 Tonnen schweren Allradlers auf Straße oder gar Rennstrecke zu bringen.

Fabelzeiten auf dem Nürburgring

Das Ergebnis kann sich nicht nur subjektiv erfahren lassen. "Auf der Nordschleife des Nürburgrings fahren wir mit dem X6 M Zeiten, wie mit der vorherigen Generation unseres M3", erzählt Motorenentwickler Claus-Otto Griebel nicht ohne Stolz. Der rennerprobte M3 benötigte für einen Umlauf auf dem Eifelgeschlängel kaum mehr als acht Minuten. Das mit einem Schlachtross wie einem X6 in den Asphalt zu zaubern, grenzt an fast schon an Übersinnliches.

Noch zahmer als außen zeigt sich der BMW X6 M trotz aller Vitaminspritzen im Innenraum. Wer eng anliegende Sportstühle erwartete, sieht sich getäuscht. Das handschuhweiche Leder ist über Seriensitze gezogen, die etwas mehr Seitenhalt und eine ausziehbare Oberschenkelauflage haben. Doch etwas konturschärfer dürfte es bei einem solchen Boliden durchaus sein.

Überhaupt zeigt sich das gesamte Interieur betont zurückhaltend. Keine übermäßige Verwendung von M-Logos, sondern allein die dünnen Karbonlederverkleidungen an Armaturenbrett, Mittelkonsole und Türen verraten die vor Kraft strotzenden Gene. Hier bleibt noch Raum für erweiterte Individualisierungen. "Wir haben derzeit keinen echten Konkurrenten", gibt sich M-GmbH-Chef Dr. Kay Segeler gegenüber Porsche Cayenne, Range Rover Supercharged, Jeep Grand Cherokee SRT-8 und Mercedes ML 63 AMG selbstbewusst, "so etwas wie wir mit dem X6 M bietet derzeit kein anderer."

Die 1999er-Studie des BMW X5 Le Mans leistete atemberaubende 750 PS. Die spät folgenden M-Versionen von X5 M und X6 M stehen dahinter kaum zurück. Einsteigen, anschnallen, starten und flugs die Spaßtaste mit dem "M" gedrückt: Der tonnenschwere Koloss ballert los, dass einem Hören und Sehen vergeht. Die Analogzahlen im Tachometer fliegen vorbei wie bei einem Raketenstart: Das auf Knopfdruck angewählte M-Sportprogramm gibt besonders spitze Kennwerte für Motor, Getriebe, Dämpfereinstellung und Regelsysteme frei. Wer es drauf anlegt, kann den X6 im Kurvenmekka richtig schwänzeln lassen. Das elektronische Hinterachsdifferenzial DPC sorgt dafür, dass fast schon Fahrspaß wie bei einem Hecktriebler aufkommt. Der variable Allradantrieb bringt dabei die nötige Sicherheit ins Auto.

Für einen Sportwagen hat er ziemlich viel Platz

Natürlich kann ein X6 M auch gleiten. Ohne Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeiten geht es angesichts der modifizierten Dämpferabstimmung allein etwas strammer als im Serien-X6 zu. Dabei kommt der sportlich orientierte Komfort nicht zu kurz. Ganz nebenbei hat der X6 M selbst auf Autobahn und Rennstrecke einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Er bietet bequemen Platz für vier Personen und Gepäck satt. Welcher Sportwagen kann das schon von sich behaupten? Trotzdem ist sich BMW der kritischen Stimmen in Bezug auf seinen PS-Protz bewusst: "Natürlich kennen wir diese Kritik, dass ein solches Auto nicht in die Welt gehöre", so Kay Segeler ein, "doch ein Wagen wie dieser hat eine weltweite Nachfrage. Im Übrigen nicht nur in den USA und Asien, sondern auch in Zentraleuropa."

25.000 M-Modelle hat die sportliche BMW-Fraktion im vergangenen Jahr verkauft. Unter ihnen auch das 300.000-ste M-Modell seit dem Marktstart 1978. Damals sorgte der Straßenrennwagen BMW M1 für ein nie wieder dagewesenes Aufsehen im Hause BMW. Zur Schärfung des Profils und in Anbetracht der übermächtigen Konkurrenz von Porsche 911, Audi R8 und Mercedes SLS fehlt ein Sportwagen als Imageträger weit mehr als ein Power-SUV. In diesem Punkt schauen die Fans dennoch bis auf weiteres in die Röhre.

Marktstart für das dynamische Duo aus BMW X6 M und BMW X5 M ist am 24. Oktober. Dabei ist der BMW X5 M mit Preisen ab 105.900 Euro etwas günstiger als das Topmodell X6 M für 108.500 Euro.

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