Süddeutsche Zeitung

Motorrad:BMW in fremdem Revier

Nach 15 Jahren baut BMW mit der R18 wieder einen Cruiser. Das überrascht, zielt das schwere Motorrad doch auf einen Markt, aus dem sich viele andere bereits zurückgezogen haben.

Von Peter Fahrenholz

Der Urknall liegt ziemlich genau vier Jahre zurück und war genau kalkuliert. An einem lauen Mai-Nachmittag ertönte auf dem Concorso d'Eleganza, einem Oldtimer-Treffen am Comer See, ein lautes Bollern. Es war aber kein altes Auto, um das sich sofort eine große Traube Neugieriger bildete, sondern ein Motorrad, und zwar ein völlig neues. BMW präsentierte ein Showbike, das an die R 5 erinnern sollte und deswegen R 5 Hommage hieß. Eine spektakuläre, auf das Wesentliche reduzierte Maschine, die sofort die Frage aufwarf: Wird daraus irgendwann einmal und irgendwie so ähnlich ein Serienmotorrad?

Vielleicht ein Cruiser, ein schweres Motorrad in klassischem Gewand, aber mit modernster Technik? Ein Segment, aus dem sich die Münchner Jahre zuvor zurückgezogen hatten, was verwunderlich war angesichts der vielen schweren Maschinen der US-Kultmarke Harley-Davidson, die auch auf deutschen Straßen herumfahren. Der damalige Chef von BMW-Motorrad, Stephan Schaller, nährte solche Spekulationen: "Wir haben genug Substanz, um auch für Cruiser-Kunden mehr zu machen", sagte Schaller im Jahr 2016 in einem Interview mit der SZ.

Jetzt ist er da, der BMW-Cruiser, und man kann sagen, gegenüber der Studie der R 5 Hommage hat die endgültige Version gewaltig Speck angesetzt. Denn es ist kein filigranes Maschinchen geworden, sondern eine gewaltige, 345 Kilogramm schwere Maschine. Und selten wurde ein neues Motorrad mit einem so ausgeklügelten PR-Konzept vorbereitet und gewissermaßen portionsweise an den Start gebracht.

Der erste Aufschlag muss sitzen

Denn die BMW-Strategen wussten: Um im Cruiser-Segment Fuß zu fassen, dem Revier von Harley und ein bisschen auch von Indian, muss der erste Aufschlag sitzen. Als Erstes wurde ein völlig neuer Motor entwickelt, ein 1802 Kubikzentimeter starker Zweizylinder-Boxermotor, der stärkste Boxer, den BMW gebaut hat, weswegen er auch sofort "Big Boxer" getauft wurde. Diesen Big Boxer hat man dann zwei renommierten Customizern zur Verfügung gestellt, mit dem Auftrag, um den Motor herum ein Krad nach eigenem Gusto zu bauen.

So sollte sofort die internationale Customizer-Szene, also jene hippe Community, in der Motorräder auf jede erdenkliche Art umgebaut werden, mit eingebunden werden. Ohne die Möglichkeit, das Motorrad nach eigenen Wünschen umzubauen, würde gerade ein fetter Cruiser nicht funktionieren, das zeigt das Beispiel Harley, wo die Zubehörliste telefonbuchdick ist. Zudem ist es BMW mit der R nine T erstmals gelungen, die Herzen der Customizer zu erobern. Für die waren BMWs zuvor kein Objekt der Begierde, sie galten als technisch ausgereifte Langweiler.

Die Entwicklung eines Big Boxer hat auch viel mit der ersten Erfahrung von BMW im Cruiser-Segment zu tun, die schmerzlich endete. 1997 hatte BMW mit der R 1200 C schon einmal einen Cruiser herausgebracht, dessen Produktion 2004 schon wieder eingestellt wurde. Die Maschine, die optisch aus dem Einheitsbrei herausstach und heute ein begehrtes Sammlerobjekt ist, floppte vor allem auf dem wichtigen US-Markt. Dort war und ist man auf hubraumstarke Eisenhaufen fixiert, der klassische luftgekühlte 1200-Kubik-Boxer von BMW konnte nicht mithalten. Und auch die Sitzposition war den US-Kunden nicht cruiserlike genug. Denn mit weit vorne platzierten Beinen sitzt man zwar auf Dauer weit unbequemer als es aussieht und hat auch nur wenig Gefühl fürs Vorderrad, aber bei den Cruiser-Fans gilt diese Sitzhaltung nun mal als cool und lässig.

Bei einen Boxermotor geht das aber konstruktionsbedingt nicht, denn die beiden Zylinder stehen zur Seite heraus. Bei dem Big Boxer der R 18 stehen sie sogar noch weiter heraus. BMW versucht dieses Manko so gut es geht zu kaschieren und preist die Sitzposition als lässige, sogenannte "Mid mounted footpeg"-Position an. Diese "klassische Position hinter den Zylindern" ermögliche eine "entspannte und fahraktive Sitzhaltung", heißt es in einer Presseerklärung. Ob die Harley-Fans das auch so sehen werden?

Gewaltiger Motor, umbaufreundliche Architektur

Ansonsten hat BMW der R 18 bewusst eine "umbaufreundliche Architektur" mitgegeben, die den Customizern ein reiches Betätigungsfeld bieten soll. Schon ab Werk sind umfangreiche Sonderausstattungen erhältlich, die den Gesamtpreis deutlich nach oben treiben dürften. Der beginnt bei satten 22 800 Euro, nicht nur gewichtsmäßig ist die Maschine damit nichts für Einsteiger. Technisch hat BMW seinem Cruiser neben dem gewaltigen Motor mit einem maximalen Drehmoment von 158 Newtonmetern alles mitgegeben, was heute möglich ist, Rückwärtsgang inklusive.

Ob die R 18 ein Erfolg wird? Schwer zu sagen. Harley kämpft auf dem heimischen US-Markt mit sinkenden Absatzzahlen, die Kundschaft gilt als überaltert. Harley-Chef Matt Levatich ist Ende Februar zurückgetreten. Und die Japaner haben sich aus dem Segment der schweren Cruiser zurückgezogen.

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SZ vom 11.04.2020/reek
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