BMW R 1200 C:Noch nicht ganz perfekt

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Der Chopper überzeugt trotz kleiner Unzulänglichkeiten

(SZ vom 11.10.1997) Vorgestellt haben wir den ersten Cruiser der 75jährigen BMW-Motorradgeschichte ja schon unmittelbar nach seiner Präsentation und einer 500-Kilometer-Fahrt. Erst jetzt, im Herbst, sind ausgiebige Testfahrten möglich. 3000 Kilometer haben wir absolviert, und nun gilt es, das Ersturteil zu differenzieren - wenn auch nur in ein paar Kleinigkeiten.

Grundsätzlich ist die BMW R 1200 C sowohl unter dem Gesichtspunkt der fahrdynamischen wie stilistischen Eigenschaften ein höchst erfreuliches Fahrzeug. Der auf fast 1200 Kubikzentimeter vergrößerte Vier-Ventil-Boxermotor könnte dagegen zusätzliche Zuwendung der Techniker vertragen. Gerade beim geruhsamen Cruisen, dem Dahinrollen mit niedriger Drehzahl, stört das Konstantfahrruckeln, auch wenn es beim 1200er-Motor schwächer ausgeprägt ist als bei den anderen Boxer-Trieblingen. Daß nach dem Kaltstart immer wieder blauer Rauch aus dem Auspuff entwichen ist, mag eine Eigenart der Testmaschine gewesen sein. Ölverbrauch konnten wir nicht feststellen. Der Spritkonsum ist mäßig: 4,7 bis etwa 6,5 Liter Super-Benzin, je nach Fahrweise.

So fahrfreudig das Fahrwerk ausgefallen ist, so sehr stört uns bei aller für einen Cruiser unglaublichen Fahrdynamik doch die Härte des hinteren Federbeins; hier würden wir uns über eine komfortablere Lösung freuen. Ansonsten bleibt nur das Fahrwerksurteil: phantastisch!

Geduld und meist auch ein Papiertuch braucht man beim Tanken: Der Tank ist schwer befüllbar, und zudem spritzt es dabei ganz gerne - kein reiner Quell der Freude. Dafür wollen wir die als Zubehör erhältlichen, neu entwickelten und mit Leder bezogenen Gepäckkofer - erstmals in der BMW-Geschichte - uneingeschränkt loben: Sie sind höchst einfach und narrensicher zugleich in ihrer Handhabung.

Einen Pfennigartikel hat sich BMW bislang beim vergleichsweise sehr reichlichen Bordwerkzeug gespart. Doch wer unterwegs mal einen Seitendeckel demontieren muß, wird einen passenden kleinen Imbus-Schlüssel schmerzlich vermissen. Hoffentlich wird hier noch nachgelegt.

Damit angesichts dieser verhältnismäßig vielen kritischen Anmerkungen kein falscher Eindruck entsteht, sei noch einmal gesagt. Die R 1200 C ist ein Prachtstück: kräftiger Motor mit G-Kat, hervorragendes Fahrwerk, exzellente Bremsen, sehr gute Verarbeitung. Und ein Design, das sich in seiner Eigenständigkeit wohltuend von allen anderen Cruisern abhebt. Angesichts des Interesses, das die Testmaschine allerorten hervorrief, prophezeien wir BMW einen Bestseller für das kommende Jahr. Perfekt ist die R 1200 C freilich nicht, aber sie wäre auch das erste Motorrad, das 100 Prozent erreichen würde. 95 Prozent sind auch schon über dem Schnitt. Ob einem der Cruiser 28 875 Mark wert ist, muß jeder selbst entscheiden.

Von Ulf Böhringer

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