Süddeutsche Zeitung

Motorräder mit E-Antrieb:Nichts für die Alpen

BMW-Motorradchef Markus Schramm glaubt, dass Elektromobilität auch bei Motorrädern kommen wird - im urbanen Bereich. Für große Touren indes ist die Reichweite noch zu kurz und die Ladezeit zu lang.

Interview von Peter Fahrenholz

Markus Schramm ist seit knapp einem Jahr der Chef von BMW Motorrad. Der 56-Jährige arbeitet seit 1991 für BMW und hatte seither zahlreiche Leitungsfunktionen in diversen Bereichen des Unternehmens inne. Vor seinem Wechsel in die Motorradsparte war er für die Konzernplanung und Produktstrategie verantwortlich. Schramm ist selber leidenschaftlicher Motorradfahrer. In einer Gruppe von BMW-Führungskräften, die sich regelmäßig zu Motorradwochenenden trifft, ist Schramm gemeinsam mit BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich derjenige, der besonders zügig um die Kurven fahren kann. In dieser Woche präsentierte Schramm anlässlich "50 Jahre BMW-Motorradwerk in Berlin-Spandau" das dreimillionste Motorrad, das dort seit 1969 gebaut wurde. Es war die neue S 1000 RR, das Supersportmotorrad der Marke. Hätte es auch ein Elektrofahrzeug sein können? Die Wahrscheinlichkeit dafür war äußerst gering, denn bislang baut BMW mit dem Roller C evolution nur eine einzige Elektromaschine.

SZ: Elektromobilität ist gegenwärtig eines der wichtigsten Themen, wenn es um die Zukunft der Mobilität insgesamt geht. Es gibt E-Autos, E-Bikes, jetzt sogar E-Scooter. Nur beim Motorrad tut sich markenübergreifend so gut wie nichts. Warum ist das so?

Markus Schramm: Ich denke, mit dem C evolution, der seit 2014 erfolgreich auf dem Markt ist, haben wir schon ein Stück Pionierarbeit geleistet.

Das ist lange her.

Es gibt einen großen Unterschied zwischen der Pkw- und der Motorradindustrie. Im Gegensatz zur Pkw- sehen wir uns in der Motorradbranche noch keinen regulatorischen Zwängen ausgesetzt. Daher ist unser Fokus darauf gerichtet, Produkte anzubieten, die vor allem Spaß machen. Und dazu haben wir einige konkrete Ideen. Zudem sind wir glücklicherweise in der einzigartigen Situation, auf die große Kompetenz der BMW Group bei der Elektromobilität zurückgreifen zu können. Wir werden von den kommenden Generationen der elektrifizierten BMW-Pkw mit ihren technischen und emotionalen Weiterentwicklungen stark profitieren können. Und dann ist auch die E-Mobilität im Motorradbereich nicht mehr aufzuhalten, davon bin ich überzeugt.

Das hat man aus Ihrem Haus vor drei Jahren auch schon gehört.

Aber ich meine es jetzt ernst.

Wann wird das erste E-Motorrad von BMW auf den Markt kommen? Und was wird das für eine Maschine sein?

Wir sind davon überzeugt, dass die E-Mobilität im ersten Schritt im urbanen Bereich sehr stark kommen wird, und darauf fokussieren wir uns jetzt auch.

Urbaner Bereich heißt: eher weitere Roller oder auch Motorräder?

Das heißt vorrangig Scooter, aber es geht auch um andere Konzepte, über die ich jetzt aber noch nichts verraten möchte.

Das ist bedauerlich.

So viel kann ich sagen: Das wird sehr spannend werden, wir wollen damit ganz neue Kundengruppen ansprechen, vor allem auch jüngere Kunden. Der Bedarf wird im urbanen Bereich größer sein, und da wird es entsprechende Angebote von BMW-Motorrad geben. Was ich mir heute noch nicht vorstellen kann, ist, dass wir E-Maschinen im Tourensegment und auch im Endurosegment sehr schnell sehen werden. Dafür fehlen die Infrastruktur und auch die Vorteile in der Technologie für diesen Anwendungszweck.

Weil die Akku-Reichweite zu gering ist und der Tourenfahrer nicht stundenlang an der Ladesäule stehen, sondern lieber an der Tankstelle schnell eine Bockwurst essen und dann weiterfahren will?

Genau. Das wird sich entwickeln, wenn auch die Infrastruktur entsprechend wächst.

Wobei es da jetzt einen kräftigen Schub gibt.

Ja, aber vor allem innerhalb der Städte. Schon wenn man sich 20 Kilometer außerhalb bewegt, also eigentlich noch an den Stadträndern, und noch nicht einmal richtig auf dem Land ist, wird es schon dünn. Und in den Alpen, da bin ich mal gespannt, wann da die Lademöglichkeiten kommen. Das ist noch lange nicht entschieden. Aber ich glaube ohnehin an die Koexistenz von beiden Antriebsformen in den kommenden Jahren. Bei Motorrädern wird es noch lange auch einen Verbrennungsmotor geben. Aber im städtischen Bereich wird es mit der E-Mobilität schnell gehen.

Was ist denn in Ihren Augen der Hauptgrund für die Aversion vieler Motorradfahrer gegenüber E-Maschinen. Ist es nur die mangelnde Reichweite? Oder auch die besonders ausgeprägte Liebe zum Verbrennungsmotor, bei der der Sound eine wichtige Rolle spielt.

Das spielt sicherlich bei vielen mit, auch wenn man nicht alle Motorradfahrer über einen Kamm scheren kann. Aber wenn wir mal in den Pkw-Bereich schauen: Da haben wir es unseren Kunden überlassen, herauszufinden, dass man mit einem BMW i3 bei jedem Ampelstart ganz weit vorne ist. Die Fahrfreude kann man nicht erlesen, die muss man ganz buchstäblich erfahren. Wir sehen das ja bei dem C evolution. Die Kunden, die diesen Roller fahren, tun das sicherlich auch aus Umweltgründen und um Kosten zu sparen. Aber ganz sicher auch aus purer Fahrfreude, wegen der Dynamik des Elektroantriebs.

Dann müsste BMW doch möglichst schnell ein richtig schönes Naked Bike mit Elektroantrieb auf die Straße bringen, damit der Kunde diesen Fahrspaß erleben kann. Aber Sie wollen ja nichts dazu sagen.

Ich kann zumindest sagen, dass Sie mit Ihren Ideen nicht daneben liegen.

Anwohner an beliebten Motorradstrecken reagieren zunehmend genervt auf Motorräder mit überlauten Auspuffanlagen oder auf unverantwortliche Raser. Es gibt bereits Streckensperrungen oder sie werden diskutiert. Gefährdet eine rücksichtslose Minderheit die gesamte Motorradszene?

Ich bin froh, dass es diese Diskussion gibt. Denn Freude am Fahren hat in meinen Augen nichts mit lauten Auspuffanlagen zu tun. Was den Auspuff angeht, gibt es im Zubehörbereich Angebote, die nicht gesetzeskonform sind. Ich sage ganz klar: Für mich gehört zum Motorradfahren auch dazu, dass man sich umweltbewusst verhält und Rücksicht nimmt. Das schränkt den Spaß nämlich überhaupt nicht ein. Bei BMW sind nicht nur alle Bikes, sondern auch die Zubehörlösungen gesetzeskonform. Wir arbeiten intensiv daran, vor allem die Schallbelästigung zu reduzieren. Der Sound einer Maschine hat nichts mit Lautstärke zu tun. Das sieht auch die übergroße Mehrheit unserer Kunden so.

Lange Zeit hatte BMW das Image, zwar technisch perfekte, aber irgendwie auch langweilige Motorräder zu bauen. Mit der R NineT und ihren Derivaten hat sich das geändert. Jetzt ist BMW auch für die Customizer-Szene interessant. Wie wichtig ist dieser Imagewechsel?

Der ist ganz extrem wichtig für uns. Unser Claim "Make Life a Ride" ist nicht nur ein Werbespruch, sondern dahinter steckt die Überzeugung, dass das Erleben des Motorradfahrens im Vordergrund steht. Und damit bin ich bei den individuellen Wünschen des Kunden. Die haben stark mit Emotionen zu tun. Deshalb ist der Wandel der Marke sehr wichtig. Es geht um die Menschen und deren Erlebnisse mit unseren Motorrädern. Und das betrifft nicht nur die Customizer-Szene und unsere R-NineT-Modelle. Unsere Motorräder, egal in welchem Segment, sollen unsere Kunden nicht nur technisch, sondern auch emotional überzeugen.

Viele Hersteller setzen auf immer mehr Leistung und immer mehr elektronische Gimmicks. Dabei zeigt aber der Erfolg der Africa Twin von Honda und auch die ganze Retrowelle, dass sich viele Motorradfahrer eine Rückbesinnung auf das wünschen, was Motorradfahren im Idealfall sein kann: eine Entschleunigung vom immer hektischeren Alltag.

Das sehe ich genauso. Wir haben in einer immer digitaleren Welt viele Kunden, die sagen: Motorradfahren ist mein analoges Rückzugsgebiet. Das eine schließt aber das andere nicht aus. Jeder, der sich dieses analoge Rückzugsgebiet wünscht, will einerseits Fahrfreude, aber andererseits Sicherheit haben. Nehmen Sie unser autonom fahrendes Motorrad, das wir Anfang des Jahres auf der Consumer Electronics in Las Vegas gezeigt haben. Es wir sicher kein autonom fahrendes Motorrad geben. Wenn ich aber technisch in der Lage bin, dass ein Motorrad von alleine im physikalischen Grenzbereich fahren kann, dann kann ich mir sehr viele Funktionen vorstellen, die die Fahrfreude erhöhen, aber zugleich auch die Sicherheit. Und damit können wir alle Bedürfnisse abdecken.

Bei den schweren Cruisern überlässt BMW Harley und Indian das Feld, auch die Japaner haben sich hier zurückgezogen. Wird sich das ändern, hat BMW nach vielen Jahren einen Cruiser in der Schublade, der auch den Harley-Fans gefallen könnte?

Da bin ich völlig bei Ihnen. Die Zeit des Zuschauens, dass wir in dem weltweit größten Segment über 500 Kubik gar nicht vertreten sind, wird in sehr absehbarer Zeit zu Ende sein.

Das heißt, BMW zeigt schon bald etwas?

Ja, wir stellen unsere Vorstellungen zu einem sehr authentischen BMW-Angebot für das Cruiser-Segment schon demnächst der Öffentlichkeit vor. Da können Sie sich wirklich darauf freuen.

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Quelle:
SZ vom 13.04.2019/cku
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