BMW Isetta:Allgemeine Mobil-Machung

Der Zweisitzer versprach vor knapp fünfzig Jahren ein preiswertes Aus- und ein trockenes Fortkommen - und wurde zu einem Symbol des Aufbruchs.

Von Andreas Schätzl

Zu Beginn der fünfziger Jahre, als es den Menschen in Deutschland langsam wirtschaftlich wieder besser geht, setzt ein Boom für motorisierte Kleinfahrzeuge aller Art ein. Mit der spürbaren Verbesserung der Lebensbedingungen steigen auch die Ansprüche an das Niveau der Fortkommens - und das Bedürfnis nach "Wetterschutz" wird immer stärker. War man vor kurzem noch stolz Motorrad, eventuell mit Beiwagen, gefahren, so will man jetzt nicht mehr schwere, wetterfeste Kleidung tragen, sondern trocken und sauber von Ort zu Ort kommen.

Isetta-Vorstellung

Darf ich bitten? Wir sitzen dann im Trockenen.

(Foto: Foto: BMW)

Der BMW-Vorstand beschließt deshalb, ein gut verkäufliches Kleinst-Automobil in das Produktionsprogramm aufzunehmen. So machen sich BMW-Ingenieure auf den Weg zu diversen Automobilausstellungen, um nach einem Kleinstwagen zu suchen, der sich für eine Lizenzfertigung in München eignen würde.

Fundsache in Mailand

Dabei stoßen sie in Turin auf die durchaus avantgardistische Isetta der Firma Iso in Mailand (Iso wurde in den 60ern und 70ern vor allem durch teure Hochleistungs-Sportwagen mit schnittigen italienischen Karosserien und großvolumigen US-V8-Motoren bekannt: Iso Rivolta und Iso Grifo).

Auf den ersten Blick ist die Isetta sehr ungewöhnlich mit Fronttür, seitlich angeordnetem Zweitakt-Mittelmotor und hinterer Schmalspur, aber in München erkennt man bald das Potenzial, das in diesem eiförmigen Mobil steckt: Der laute und schwache Zweitakter lässt sich gut durch einen laufruhigeren BMW-Motorradmotor ersetzen, und die Passagiere sitzen in diesem winzigen Gefährt zumindest nebeneinander wie in einem richtigen Auto. Oder wie Verliebte auf einer Bank - geschützt von einer Kabine und rollend.

Besonders originell ist die Fronttür, die sich zusammen mit dem Lenkrad und dem "Armaturenbrett" (= Zündschloss und Tacho) öffnet, so dass die Passagiere quasi in das Fahrzeug hineinlaufen können.

Allgemeine Mobil-Machung

Mit 80 Sachen in den Süden

Isetta trifft Mini.

Generationen, aber ohne Konflikt: Isetta trifft Mini. Samt potentiellem zukünftigen Fahrer.

(Foto: Foto: ddp)

Als die erste BMW Isetta schließlich im Frühjahr 1955 am Tegernsee der Presse vorgestellt wird, ist das Erstaunen groß. Optisch und technisch ist das italienische Original bei BMW in vielen Details modifiziert und verbessert worden. Andere Scheinwerfer und ein neuer Motordeckel verändern die 2,35 Meter lange Karosserie mit 52 Zentimetern hinterer Spurbreite, dazu verspricht der 12-PS-Viertaktmotor mit 250 ccm Hubraum (vom Motorrad R25) jetzt eine Höchstgeschwindigkeit von etwas mehr als 80 km/h.

Von der Öffentlichkeit wird das skurrile Gefährt begeistert aufgenommen. Die Zeiten sind günstig für unkonventionelle Fahrzeuge wie die Isetta mit ihrer hinteren Panoramascheibe, den Schiebefenstern und dem Faltdach. Und das italienische Flair trägt während der ersten Reisewelle in den Süden nicht wenig zum Erfolg bei.

Verkaufsschlager

Schon 1955 verlassen rund 13.000 Isettas die Fabrik in München. Während sich die Iso Isetta in Italien nur schleppend vermarkten lässt, steigen die Verkaufszahlen in Deutschland im Spitzenjahr 1957 bis auf fast 40.000. Inzwischen gibt es auch eine "stärkere" Variante mit 300 ccm und 13 PS, eine modernisierte Karosserie und Sondermodelle als Cabrio, Tropenversion und sogar Kleinstlieferwagen! Neben dem Glas Goggomobil wird die "Knutschkugel" zum erfolgreichsten Fahrzeug dieser Art in Deutschland.

Übrigens: Während mehr als die Hälfte der rund 136.000 in München gebauten Isettas mit dem kleineren Motor ausgestattet ist, legen die Briten Wert auf nur ein Hinterrad - denn auf der Insel durfte man Dreiräder mit dem Motorradführerschein fahren.

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