BMW 5er GT:Rollendes Wellnesshotel

Ein eigenwilliges Auto aus München, das sich allen gängigen Schubladen entziehen will: die erste Ausfahrt mit dem 5er Gran Turismo.

Rainer Kerl

"Gran Turismo" bedeutet "Große Fahrt" und klingt - zumindest für Autoliebhaber alter Schule - nach rot-weiß karierten Tischdecken, Rennfahrerlegenden und Autos, bei denen man sich die Finger noch schmutzig machte, wenn man den Ölstand kontrollieren wollte. In Zeiten, als eine Fahrt nach Rimini noch so etwas war wie heute eine Fernreise nach Thailand, in diesen Zeiten wurden für größere Trips noch spezielle Autos entwickelt und auch so benannt: "Gran Turismo" also. Diese Autos waren einst zu Reiselimousinen weiterentwickelte Rennwagen, die dessen Leichtigkeit mit dem Platzangebot und dem Komfort einer Limousine verbinden sollten - das alles natürlich nur für den etwas größeren Geldbeutel.

Da heute jeder VW Polo in Ländern außerhalb Deutschlands ohne Probleme schneller fährt als das jeweils gültige Tempolimit, sind schnellere Limousinen für Auslandsreisen inzwischen wenig sinnvoll. Genügend Platz für Reisegepäck bietet inzwischen jedes Mittelklasse-Auto, auch für Familien mit Kindern gibt es eine Fülle von Kombis und Vans: Die rationale Begründung für GTs ist also weggefallen. Trotzdem benutzen die Marketingabteilungen der Hersteller das Kürzel immer noch gerne und hoffen, dass sich etwas von dem alten Rennsportflair auf Alltagsautos überträgt. Sogar vom oben erwähnten Polo gibt seit mehreren Generationen eine GT(i) Version.

Nun hat auch BMW einen Gran Turismo vorgestellt, als Ableger der erfolgreichen 5er-Baureihe. Von den GT-Legenden aus italienischen und britischen Manufakturen hat dieser Enkel hauptsächlich eines geerbt: Komfort. Wie schon beim Z4 hat BMW inzwischen entdeckt, dass Bequemlichkeit für ältere und damit zahlungskräftigere Käufer ein größeres Kaufargument darstellt als die so oft beschworene Sportlichkeit.

Der Komfortgedanke stand bei der grundsätzlichen Architektur des Autos im Mittelpunkt: Von der ursprünglichen zweisitzigen Bauform der GTs hat sich BMW verabschiedet und eine zusätzliche Sitzreihe eingefügt. Die vertikale Sitzposition wiederum liegt genau in der Mitte zwischen normalen Limousinen und hochbauenden SUVs. Dadurch verbessert sich zumindest nach vorne der Überblick und als Nebeneffekt wird das Einsteigen erleichtert. Auch in der zweiten Reihe finden sich vollwertige Sitze, die in der Länge und Neigung verstellt und mit Bequemlichkeiten wie Sitzheizung und aktiver Sitzbelüftung ausgestattet werden können. Durch die Höhe von 1,56 m und die sehr langsam abfallende Dachlinie ist auf den Rücksitzen die Kopffreiheit enorm, auch die Kniefreiheit ist durch den langen Radstand gewachsen und damit auf Oberklasse-Niveau.

Komfort geht über alles

Umfasst schon die Serienausstattung eine Vielzahl unterschiedlicher Assistenten und Automatiken - eine Handschaltung wird zum Beispiel gar nicht mehr angeboten -, so lassen sich Komfort und Preis über die wie üblich lange Aufpreisliste problemlos anheben - von 55.200 Euro Grundpreis für den 530d auf mehr als 80.000 Euro. Dafür erkennt das Auto den Fahrer dann schon durch die Hosentasche und lässt ihn ohne weiteren Knopfdruck einsteigen (Komfortzugang: 790 Euro). Dazu würde man dann unter vielem anderen auch noch die "Spurverlassenswarnung" (520 Euro), "Spurwechselwarnung" (620 Euro), "Soft-Close-Automatik für Türen" (640 Euro), "Ambientes Licht" (280 Euro) oder auch die "Lenkradheizung" (250 Euro) bekommen. Letztere braucht man vermutlich, wenn man im Winter das Panoramaglasdach (1.700 Euro) öffnen möchte und die Handschuhe zu Hause vergessen hat.

Zur Steigerung des Komforts soll auch die Kofferraumklappe beitragen, die sich wie beim Škoda Superb auf zwei Arten öffnen lässt: entweder nur die kleine Heckabdeckung oder der komplette Deckel inklusive Scheibe. Wenn nur die kleine Klappe geöffnet wird, bleibt der Innenraum abgeschottet und die im Innenraum sitzenden Passagiere müssen keinen radikalen Klimawechsel über sich ergehen lassen. Leider bleibt in diesem Fall nur eine unangenehm enge Öffnung übrig, die den Zugang zum mindestens 440 Liter großen Kofferraum deutlich erschwert. Wenn man mehr Stauraum braucht, kann man die hinteren Sitze nach vorne schieben (590 Liter) oder ganz umklappen (1700 Liter).

Zum Marktstart sind nur größere Sechszylinder Motoren (535i und 530d) sowie ein Achtzylinder (550i) mit Heckantrieb verfügbar. Alle Varianten haben genügend Leistung und vor allem Drehmoment, um den Zwei-Tonnen-Koloss auf der Autobahn souverän zu bewegen. Mit dem elektronisch verstellbaren Fahrwerk (optional) in "Sport"-Stellung kann man dann theoretisch auch auf Rennstrecken wie dem Nürburgring gute Rundenzeiten erzielen. Theoretisch, wie gesagt, denn genauso wie es für dieses Auto kein "M-Sportpaket" und vermutlich auch keine M-Version geben wird, wird dieses Auto trotz der enormen Leistung auf gutbürgerlichen Autobahnen und nicht auf Rennstrecken zu Hause sein.

Die erste Ausfahrt zeigt: Die ausreichend vorhandene Motor-Leistung, eine unauffällig-perfekte Achtgang-Automatik, die leichtgängige Lenkung und die Luftfederung der Hinterachse tragen dazu bei, dass man das Fahrzeug trotz seiner Größe als sehr leichtfüßig erlebt. Man fühlt sich sofort zu Hause und lässt sich auch gerne vom optionalen Hifi-System Professional beschallen - außer man sitzt in einem der Benziner und hat einen Sinn für Motorengeräusche. Dann dreht man den CD-Player schon mal ab und hört dem Motor zu. Und gibt nochmal Gas. Und nochmal.

Leistung als Distinktionsmerkmal

Schön, dass BMW trotz allem Komfort und Geräuschdesign eine gewisse Motorenkulisse im Innenraum zugelassen hat, die natürlich nicht vorhanden ist, wenn man es geruhsam angehen lässt. Dann spielt die Kombination aus Automatik und drehmomentstarkem Motor ihre ganze Qualität aus, lässt den Motor in niedrigen Drehzahlen vor sich hin schnurren und verschont den Fahrgast mit Geräuschen.

In diesem Auto dient die Leistung als reines Distinktionsmerkmal, deshalb gibt es keine kleineren Motoren. Der 5er GT soll sich von den normalen Modellen der Reihe abheben und Käufer ansprechen, denen ein SUV oder ein Modell der Oberklasse zu klobig ist, die aber trotzdem nicht auf Annehmlichkeiten wie leichtes Einsteigen oder Beinfreiheit verzichten möchten. Das könnte gutgehen: Schon mit Modellen wie dem 3er touring, dem X3 oder dem X6 konnte BMW neue Nischen erschließen und neue Käufer finden.

Die Frage jedoch ist, ob BMW nicht übers Ziel hinausgeschossen ist und zuviel auf einmal will. Dass die vielen Anforderungen, denen dieses Auto genügen soll, viele Kompromisse einfordern, sieht man deutlich am Heck, dass eher unförmig wirkt und gar nicht zu einem GT oder Coupé passen will. Aber vielleicht sind die potentiellen Käufer eher funktions- und weniger designverliebt. Dann wird das Auto definitiv ein Erfolg.

BMW 535i GT: 225 kW (306 PS); max. Drehmoment: 400 Nm bei 1200 bis 5000 U/min; 0-100 km/h: 6,3 s; Vmax: 250 km/h; Testverbrauch: 16,3l Super Plus (lt. Werk: 8,9l Super Plus); CO2: 209 g/km, Euro 5; Grundpreis: ab 55.700 Euro

BMW 530d GT: 180 kW (245 PS); max. Drehmoment: 540 NM bei 1750 bis 3000 U/min; 0-100 km/h: 6,9 s; Vmax: 240 km/h; Testverbrauch: 7,9 L Diesel (lt. Werk: 6,5l Diesel); CO2: 173 g/km, Euro 5; Grundpreis: ab 55.200 Euro

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: