BMW 6er GT im Test:In diesem BMW fehlt die Freude am Fahren

Der 630d xDrive Gran Turismo bietet viel Platz, noch mehr Komfort und ein Höchstmaß an moderner Technik. Aber er fährt sich genauso schwerfällig wie er aussieht.

Von Thomas Harloff

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BMW 6er GT

Quelle: BMW Group

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Der erste Gedanke beim Anblick jenes Autos, das offiziell BMW 6er Gran Turismo heißt: "Wow!" Wahlweise auch: "Krass!" Nicht etwa, weil es besonders schön ist. Nein, den BMW-Designern ist es trotz anderslautender Ankündigungen nicht gelungen, das sehr massige Heck des Vorgängers 5er Gran Turismo eklatant zu verschlanken. Der Ausdruck des Erstaunens bezieht sich eher auf die Größe des der oberen Mittelklasse zugehörigen Modells. Einfach riesig ist dieser BMW, der fortan der Einfachheit halber nur noch 6er GT genannt werden soll. 5,09 Meter misst der Fünftürer in der Länge, 1,90 Meter in der Breite, der Radstand entspricht mit 3,07 Meter dem des 7er. Da werden so einige Innenstadtgassen oder Parkhäuser zum Abenteuer.

BMW 6er GT

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Innen zeigen sich die Vorteile dieser Dimensionen. Anders als viele andere BMW-Fahrer müssen jene des 6er GTs keine beengten Platzverhältnisse fürchten. Die tiefe Höhle, die sich Kofferraum nennt, fasst im Normalzustand 610 und bei umgeklappten Rücksitzen 1800 Liter. Sie ist damit größer als das Gepäckabteil des 5er Tourings, der seinerseits ein ausgewachsener Kombi ist. Die Fondpassagiere bekommen ihre Gliedmaßen gut sortiert, zwischen Haarspitzen und Dachhimmel bleibt ebenfalls ausreichend Luft. Da geht es vorne im Vergleich beengt zu. Das liegt am ebenso breiten wie hohen Mitteltunnel und am Armaturenbrett, das sich mächtig vor den Insassen der ersten Reihe aufbaut.

BMW 6er GT

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Gut aushalten lässt es sich freilich auch hier. Wegen der sehr bequemen und weich belederten Sitze zum Beispiel. Auch die anderen Materialien, darunter Aluminium, Chrom und Keramik, präsentieren sich geschmackvoll komponiert. Allerdings schmeichelt das 6er-GT-Cockpit den Sinnen mehr als den Augen. Der zentrale Infotainment-Bildschirm mutet an, als sei er ans Armaturenbrett gebastelt worden, als dieses eigentlich schon fertig gestaltet war. Ähnlich unstimmig erscheint das Design der Instrumente, die nur zu etwa drei Viertel metallumrandet sind. BMWs Interieurdesigner werden sich etwas dabei gedacht haben, und doch sieht es so aus, als hätte das Material nicht ausgereicht.

BMW 6 GT

Quelle: BMW Group

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In die Kategorie Geschmackssache fällt auch das Bedienkonzept. Es gibt eine Gestensteuerung, mit der sich unter anderem die Lautstärke des Soundsystems regeln lassen soll, indem man mit dem Zeigefinger kreisende Bewegungen vor dem mittleren Touchscreen vollführt. Das klappt manchmal gut und manchmal gar nicht und ist somit eine verzichtbare Spielerei. Etwas besser klappt es mit Spracheingaben, wenn auch nur für grundlegende Informationen. Absoluten Gehorsam zeigt der BMW nur auf Befehle, die über den großen runden Knopf rechts neben dem Automatik-Wählhebel gegeben werden. Und so dreht und drückt man sich wie seit 15 Jahren durch die logisch aufgebauten Menüs des Infotainmentsystems und fragt sich, warum nicht alle Autohersteller für immer und alle Zeit derlei Systeme verwenden. Es funktioniert einfach, narrensicher und auf eine Art, die nur minimal vom Verkehrsgeschehen ablenkt.

BMW 6er GT Gran Turismo

Quelle: BMW Group

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Dass sich der 6er GT gerne und auf vielfältige Weise mit mobilen Endgeräten aller Art vernetzt, versteht sich von selbst. Dass er dem Chauffeur auf Wunsch so intensiv bei dessen Aufgaben assistiert, dass dieser fast schon zum Chauffierten mutiert, ebenso. Die Systeme, deren Liste viel zu lang wäre, um sie hier einzeln aufzuzählen, spielen so harmonisch zusammen, dass man dem Auto schnell mehr fahrerische Kompetenz zutraut, als man eigentlich sollte. Würde der BMW nicht ungefähr alle 20 Sekunden mahnen, die Hände - zumindest kurz - ans Lenkrad zu nehmen, man würde sich wahrscheinlich in den komfortablen Sitz lümmeln, die Arme verschränken und den Computer machen lassen. So souverän hält er Abstände und Spur, lenkt ohne zu eiern durch sanfte Kurven, passt sein Tempo an die StVO-Vorschriften an und wechselt auf Kommando die Fahrbahn. Wer etwas für Showeffekte übrig hat, kann den 6er GT selbst nach dem Aussteigen noch einparken lassen; der Autoschlüssel dient in diesem Fall als Fernbedienung.

BMW 6 Gran Turismo

Quelle: BMW Group

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Den Gran Turismo beim Fahren zu beobachten, ist fast interessanter, als selbst das Steuer in die Hand zu nehmen. So sanft und bequem eine (Autobahn-)Tour mit ihm ist, so groß und massig fühlt er sich trotz mitlenkender Hinterachse in der Stadt und auf der Landstraße an. Das ist zwar kein Wunder, schließlich muss vor jeder Kurve eine gut zwei Tonnen schwere Maschine von einer Richtungsänderung überzeugt werden. Den Markenslogan "Freude am Fahren", der für lange Zeit von fast jedem Automobil aus BMW-Produktion mit Spitzenklasse-Fahrdynamik untermauert wurde, erspürt man im 6er GT aber nicht. Dafür wähnt man sich zu weit entrückt von der Straße, was auch am 3900 Euro teuren Luftfahrwerk liegt. Es bleiben zu viele Informationen über die Fahrbahn und deren Zustand zwischen den Reifen und den Sinnen des Fahrers hängen. Natürlich kann man den Sportmodus anwählen, den Fünftürer beim Einlenken in Kurven prügeln und dank Allradantrieb mit dem Gasfuß wieder rausziehen, ohne dass er dabei Mätzchen macht. Aber das fühlt sich nicht richtig an. Der GT will ein Gleiter und kein Raser sein, das ist tief in seinem Wesen verankert.

BMW 6er GT Gran Turismo

Quelle: BMW Group

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Zu diesen charakterlichen Anlagen passt der Motor. Der Turbodiesel setzt seine Kraft, feinfühlig dirigiert von der famosen Achtgang-Automatik, zurückhaltend ein. Sie schlummert irgendwo in den sechs Zylindern und erwacht erst, wenn der Fahrer sie mit einem beherzten Tritt auf das Gaspedal einfordert. Nur in solchen Momenten fühlt sich der Dreilitermotor nach 265 PS und 620 Newtonmetern an. Nun glaubt man ihm auch, dass er die massige Fuhre in 6,0 Sekunden von null auf 100 km/h und auf ein Spitzentempo von 250 km/h beschleunigen kann. Aber auch hier gilt: Dem Naturell des 630d GT entspricht das nicht, sein Kilometerkonto füllt er lieber in konstantem Tempo. Das lindert auch seinen Durst, der eh nicht klein ist: 7,9 Liter Diesel flossen während des Tests je 100 Kilometer durch die Kraftstoffleitungen. Laut Norm sollten es zwei Liter weniger sein.

BMW 6er GT

Quelle: BMW Group

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Nicht nur deswegen können die Kosten schnell aus dem Ruder laufen. Das fängt bereits beim Konfigurieren des Autos an, obwohl der 6er GT ab Werk nicht einmal mit Ausstattung knausert. Aber wer den BMW-Kundenberater walten lässt, springt schnell vom weit oben angesiedelten Basispreis von 69 500 Euro auf jene 93 060 Euro, die der Testwagen kostet. Das ist viel Geld für ein Auto mit viel Technik, viel Platz und viel Komfort, aber gar nicht mal so viel Freude am Fahren.

Technische Daten BMW 630d xDrive Gran Turismo:

R6-Dieselmotor mit 3,0 Litern Hubraum und Turboaufladung; Leistung 195 kW (265 PS); max. Drehmoment: 620 Nm bei 2000 - 2500/min; Leergewicht: 1955 kg; Kofferraum: 610 - 1800 l; 0 - 100 km/h: 6,0 s; Vmax: 250 km/h; Testverbrauch: 7,9 l / 100 km (lt. Werk: 5,7 - 5,9; CO₂-Ausstoß: 151 - 156 g/km); Euro 6; Grundpreis: 69 500 Euro (Testwagenpreis: 93 060 Euro)

Das Testfahrzeug wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

© SZ.de/harl/mkoh/rus
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