BMW-Designchef Hooydonk:"Luxus ist keine Frage der Größe"

Adrian van Hooydonk ist seit Februar 2009 für das Design der Marke BMW verantwortlich. Im Interview verrät er, warum die Autos der Zukunft kleiner sind und wie Elektroautos und neue Werkstoffe das Design der Fahrzeuge verändern werden.

Jörg Reichle

Nächstes Jahr ist es so weit: BMW steigt mit der Marke i konsequent in die Welt alternativer Antriebe ein - ein Riesenschritt, vor allem auch im Design. Einen Eindruck davon vermittelten bereits Studien der beiden ersten Modelle: vom i3, der 2013 auf den Markt kommen wird, und dem sportlichen i8, der im Jahr darauf in den Verkauf geht. Beide Serienmodelle, so kündigt Designchef Adrian van Hooydonk an, werden zu 90 Prozent so aussehen wie die Concept Cars. Ein radikaler Bruch mit dem gewohnten Erscheinungsbild von BMW-Modellen.

Süddeutsche Zeitung: Es sieht so aus, als würde sich im nächsten Jahr für BMW die Welt verändern, stimmt der Eindruck?

Adrian van Hooydonk: Die ganze Automobilwelt hat sich in den letzten fünf Jahren sehr stark verändert - Veränderungen, die auch nicht mehr rückgängig zu machen sind. Und wir haben darauf unter anderem mit dem i8 reagiert, einem Sportwagen, den es so noch nicht gibt und auch 2014, wenn er auf den Markt kommt, von anderen noch nicht geben wird.

SZ: Was ist so besonders an diesem Auto, schließlich ist es ein Sportwagen - eine Gattung, die nach Meinung vieler ihre Zukunft schon hinter sich hat?

Van Hooydonk: Der i8 ist ein Auto, das sehr sportlich aussieht und auch sehr sportlich fährt, ohne dass er Gebrauch macht von traditionellen sportlichen Elementen. Er wird keine sichtbaren Auspuffrohre haben und keine breiten Reifen. Aber vor allem: Er wird mit seinem Antrieb so wenig verbrauchen wie ein Kleinwagen. Das Projekt ist für uns so wichtig, dass wir ihm absolute Priorität eingeräumt haben.

SZ: Heißt das im Umkehrschluss, dass wir künftig gar keine konventionellen Sportwagen mehr von BMW erwarten können - so wie einst den Z8 oder den M1?

Van Hooydonk: Nein, das heißt es nicht, so einen Sportwagen kann ich mir sehr wohl vorstellen. Die Welt divergiert heute, und es gibt natürlich nach wie vor Regionen, wo Kunden sehr gerne sehr sportlich fahren.

SZ: BMW fährt also sozusagen zweigleisig in die Zukunft?

Van Hooydonk: Wir steuern jetzt auf ein Zeitfenster zu, wo wir mit "i" eine Submarke haben, die für Effizienz steht und mit "M" eine, die sehr dynamisch ist. Das war ein Kraftakt für uns - auch das Bauen mit Carbon gehört dazu - bei dem sich viel Kreativität der Ingenieure und im Design gebündelt hat, um das hinzubekommen. Wir sind fast so weit. Dann können wir den Kunden weltweit eine echte Auswahl bieten.

SZ: Apropos, Carbon: Wird dieser Werkstoff das Automobildesign verändern?

Van Hooydonk: Sehr, glaube ich. Es ist ja ein ausgesprochen leichtes und steifes Material mit hoher Crashsicherheit. Damit kann man nicht nur sehr komplexe Formen machen, sondern Carbon ist auch ein Material, das schon wenn man es anschaut, eine gewisse Schönheit hat. Wir haben dafür außerdem eine eigene Struktur entwickelt, die anders ist, als die bekannte aus dem Rennwagenbau.

SZ: Hat das auch Auswirkungen auf den klassischen Materialmix?

Van Hooydonk: Neben unseren Carbonplänen sprechen wir auch mit der Stahl- und Aluminiumindustrie, die uns sagt, was man alles Tolles mit Stahl und Aluminium machen kann. So stachelt sich die Industrie auch gegenseitig an. Für uns ist das nur gut.

SZ: Eine weitere grundlegende Veränderung des Automobils, so hat es den Anschein, geschieht momentan durch das Fortschreiten des Infotainments.

Van Hooydonk: Die "User Interface" wird zunehmend den Fahrzeugcharakter mitbestimmen - so wie das Motorgeräusch, der Klang beim Türschließen, die Haptik und so weiter. Wir haben heute schon für alle Modelle Internet im Auto, Head-up-Displays bis hinunter zum Dreier. Beim Mobiltelefon wird die Bedienung fast wichtiger sein als die Form - die eigentlich nur noch aus zwei Glasscheiben besteht. Das, was man auf dem Schirm sehen kann, hat heute Priorität. Bis vor kurzem hat man dort noch Listen gesehen, die man durchscrollen konnte. Aber man kann mit diesen Displays ja noch viel mehr machen, Filme ablaufen lassen, zum Beispiel. Da kommt eine ganz neue Dimension auf uns zu.

"Die Kunden erwarten, dass das Leben auch im Auto weitergeht."

SZ: Das hört sich an, als würde sich das Auto in ein Wohnzimmer verwandeln?

Van Hooydonk: Zum Teil ist das ja so, vor allem in den großen Städten, wo die gefahrenen Geschwindigkeiten sehr niedrig sind. Aber ganz allgemein ist es natürlich der Trend, dass man die digitalen Kommunikationsmittel, die man sowieso dabei hat - mit den eigenen E-Mails, den Adressen und der runtergeladenen Lieblingsmusik - mit dem Auto einwandfrei kombinieren kann. Die Kunden erwarten, dass das Leben auch im Auto weitergeht.

SZ: Vielleicht sogar geräumiger als bisher, schließlich brauchen Elektroantriebe nicht mehr so viel Platz?

Van Hooydonk: Das glaube ich schon. Beim i3 zum Beispiel, der 2013 auf den Markt kommt, haben wir die Architektur komplett verändert. Die große Batterie ist im Unterboden untergebracht, und obendrauf sitzt die Passagierzelle. Das führte zu einem flachen Boden ohne Mitteltunnel und drei Sitzen vorne, wo man durchrutschen kann, weil der Instrumententräger nicht mit dem Boden verbunden ist. Das alles hat eine sehr große Raumwirkung und bietet viel Platz. Mit einem konventionellen Antriebskonzept wäre das nicht möglich gewesen.

SZ: Bedeutet das vielleicht, dass Autos auch außen nicht immer weiter wachsen, so wie momentan?

Van Hooydonk: Als Designer hoffe ich, dass die Autos nicht weiter wachsen. Andererseits gibt es Märkte außerhalb Europas, in denen man das Wort Parklücke gar nicht kennt. Und das Wachstum der letzten Jahre resultiert ja eher aus der internationalen Sicherheitsgesetzgebung wegen Crashverhalten und Fußgängerschutz.

Ist das nicht auch eine Ausrede?

Van Hooydonk: Heute hat ein Auto zum Beispiel bei uns allein sechs Airbags, das sind einfach Dinge, die mehr Platz für die Konstruktion verlangen. Außerdem muss jedes Modell inzwischen in einem Dachdrucktest das Fünffache seines Eigengewichts aushalten. Kein Kunde weiß das, aber es sind einfach Gründe, die zu mehr Technik führen.

SZ: Also: Schlechte Aussichten, dass die Autos wieder kleiner werden?

Van Hooydonk: Natürlich muss man die Vorgaben erst mal erfüllen, danach, so ist es immer im Automobilbau, geht das Optimieren los. Da geht immer noch was, und vielleicht dreht sich das Größenwachstum sogar um. Aber so einfach und schnell wie in der Halbleiterindustrie wird es nicht gehen.

SZ: Da wir schon bei den kleineren Autos sind: Bei Mini herrscht der Eindruck von Stagnation im Design - immer mehr optisch ähnliche Modelle. Damit können Sie nicht zufrieden sein.

Van Hooydonk: Ich finde, dass die Marke in den letzten Jahren Gewaltiges geschafft hat. Sie ist zwar klein, aber sie ist ausbaufähig. Und außerdem arbeitet die Zeit für sie . . .

SZ: Wie das?

Van Hooydonk: Wir leben in einer Zeit, in der kleine Autos angesagt sind - zumindest in großen Teilen der Welt. Auch Luxus ist nicht mehr größenabhängig, und da liegt eine gewaltige Chance für Mini.

SZ: Aber im Design herrscht Stillstand.

Van Hooydonk: Wir werden natürlich auch das Design weiterentwickeln. Aber die Marke hat inzwischen - und das ist eine echte Kunst, dass man das hinbekommt - nicht nur Kunden, sondern echte Fans. Das hat dann vielleicht auch den Nachteil, dass die Kunden einem sagen, wie das Auto zu sein hat. Eine erfolgreiche Marke gehört einem nicht mehr, die gehört dem Kunden.

SZ: Das klingt nach: weiter so.

Van Hooydonk: Ich glaube trotzdem, dass es möglich - und notwendig ist - die Marke weiter zu entwickeln, einfach weil jede Marke fast wie ein lebendiges Wesen ist: Man muss es füttern, sonst stirbt es. Und eine Marke mit Tradition muss man vorsichtig füttern.

SZ: Und was bedeutet das fürs Design?

Van Hooydonk: Wir haben letztes Jahr in Genf ein Concept Car gezeigt, den Mini Rocketman, da waren schon ein paar Ideen drin, die wir verwenden können. Mini muss jedenfalls immer clever sein auf kleinstem Raum, das war auch der Ursprung. Es bedeutet aber nicht, dass das Design überladen sein darf, oder zu poppig. In den nächsten zwei, drei Jahren wird man die Richtung erkennen.

Adrian van Hooydonk, Jahrgang 1964, steht seit 2009 an der Spitze aller Designteams der BMW Group. Der stets lässig auftretende Holländer mit ausgeprägtem Sinn fürs Business, der sich mehr als Kosmopolit versteht, studierte Industriedesign an der TU Delft, später am Art Center College of Design in Vevey. Seit 1992 ist er bei BMW.

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