Auto im Test:BMW macht sich selbst Konkurrenz

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Äußerlich kaum verändert: das BMW M440i xDrive Gran Coupé nach der Modellüberarbeitung. (Foto: Tom Kirkpatrick/BMW AG)

Das neue 4er Gran Coupé ist mit dem Sechszylinder teurer als die etwa gleich starke vollelektrische Version. Der Beginn einer Zeitenwende?

Von Georg Kacher

Schickes Design, laufruhiger Motor, kaum Schwächen: Der M440i xDrive ist auch als viertüriges Gran Coupé ein rundum gelungenes Auto. Selbst der Normverbrauch liegt mit acht Litern auf einem Niveau, das vor zehn Jahren dem kleinsten BMW-Einstiegsbenziner gut zu Gesicht gestanden hätte. Doch solche Fortschritte verblassen neben dem härtesten Wettbewerber des Münchners: Dieselbe Karosserie debütiert gleichzeitig auch mit Batterieantrieb: Der vollelektrische i4 M50i kostet vor Förderung nur 2700 Euro mehr und ist mit der Prämie sogar deutlich billiger als der Sprit-Schlucker.

Die Nachteile des Stromers muss man mit der Lupe suchen. Beim Raumangebot und Nutzwert gibt es ebenso wenig Abstriche wie beim Fahrspaß, vom geringeren Wertverlust und den niedrigeren Betriebskosten ganz zu schweigen. Nur die lange Lieferzeit (die Rede ist aktuell von zwölf Monaten) und die etwas geringere Reichweite sprechen gegen den Steckdosen-Antrieb. Da muss sich der M440i xDrive schon strecken, um mitzuhalten. Mit dem 374 PS starken Sechszylinder und Allradantrieb kostet das Gran Coupé 67 200 Euro. Viel Geld für einen knapp geschnittenen Maßanzug.

Die 1700 Euro günstigere 3er-Limousine ist längst mit dem bulligen und sparsamen 340-PS-Diesel bestellbar, der im 4er erst später nachgereicht werden soll. Aber auch der 3,0-Liter-Benziner kann als Mild Hybrid mit dem Kraftstoff knausern. Eine 11 PS starke E-Maschine schiebt beim Anfahren sanft an und kann auch die Kickdown-Beschleunigung beim Überholen auf der Landstraße unterstützen. Ihre Energie bezieht sie aus einer kleinen Pufferbatterie, die beim Verzögern immer wieder geladen wird.

Pech für den Verbrenner: Die niedrige Dachlinie des Coupés gibt es auch mit Batterieantrieb

Nicht nur der Hybridantrieb, auch die rahmenlosen Türen machen sich auf der Waage bemerkbar: Nicht zuletzt aufgrund der nötigen Karosserieversteifungen ist das 4er Gran Coupé 75 Kilo schwerer als sein Vorgänger - mehr als Limousine, Touring und selbst der ausgelaufene 3er GT. Fünf Prozent mehr Speck auf den Rippen, das entspricht vier gut gefüllten Reisekoffern. Was man beim Beschleunigen merkt: Beim Sprint von 0-100 km/h fällt das Gran Coupé mit 4,7 Sekunden um drei Zehntel gegenüber der Limousine zurück.

Peanuts? Wie man's nimmt. Auf kurvigen Landstraßen macht die Extraportion Masse und Moment den kleinen, aber feinen Unterschied zwischen agil und dynamisch. Das neue viertürige Coupé fährt sich eher wie ein aufgepeppter 3er GT, ohne freilich ein annähernd ebenbürtiges Raumangebot in der zweiten Sitzreihe vorzuhalten. Mit 470 Liter rangiert auch der Coupé-Kofferraum im internen Modellvergleich auf dem letzten Platz. Die Designer haben zwar hier und dort ein paar Millimeter mehr Platz geschaffen, aber die schnittige Dachhöhe und der knapp bemessene hintere Türausschnitt degradieren die Fondpassagiere zu Hinterbänklern.

Sportsitze vom Feinsten, doch die integrierte Kühlung kostet wie so vieles im BMW M440i xDrive Gran Coupé Aufpreis. (Foto: Tom Kirkpatrick/BMW AG)

Keine Frage: Erster Klasse reist man hier in der ersten Reihe, in der idealerweise beheizte und gekühlte Sportsitze mit Massagefunktion verbaut sind. Der Fahrer kommt außerdem in den Genuss eines erfreulich intuitiven und weitgehend ablenkungsfreien Bediensystems. Einziger Schwachpunkt: Im Rahmen der digitalen Over-the-Air-Zauberei haben es die Software-Entwickler versäumt, die etwas verkünstelte Instrumentengrafik durch gut lesbare Anzeigen zu ersetzen.

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Die gute Nachricht: Eine zunehmend lernfähige Sprachbedienung entschärft den Mix aus mehrfach belegten Tasten, Drückdrehsteller plus Touchen und Wischen auf dem Bildschirm. Selbst hingeworfene Sprachfetzen wie "Mir ist kalt", "Mir tut das Kreuz weh" oder "Ich habe Kohldampf" lösen zuverlässig die erhoffte Reaktion aus. Serienmäßig ist ab sofort auch Alexa mit von der Partie, und das höher auflösende Navi wird mit Echtzeitinformationen gefüttert. Gut ist auch das breiter gespreizten Verstellfahrwerk, aber eine geschmeidigere Comfort-Plus-Abstimmung sucht man immer noch vergebens.

Zurück zum Antriebsvergleich: Der eingangs erwähnte i4 M50i ist noch antrittsstärker, durchzugskräftiger und erlebnisintensiver als der M440i. Ausgenommen vielleicht der Sechszylinder-Sound, der unter Volllast den kehlig-stimmgewaltigen Bariton mimt. Keine Frage: Der doppelt aufgeladene Reihenmotor bayerischer Prägung hätte es ebenso wie der legendäre Porsche-Boxer oder der Ferrari V12 verdient, über synthetische und CO₂-neutrale Kraftstoffe in ein unbefristetes Artenschutzprogramm aufgenommen zu werden. Mit welcher Souveränität dieses seidenweich-sämige Aggregat sein maximales Drehmoment von 500 Newtonmeter (Nm) über den breiten Drehzahlbereich zwischen 1900 und 5000 Touren in Szene setzt, das sollte man ganz bewusst genießen, ehe die Zapfsäulen von der Tankstelle ins Museum wandern.

Wenn es eine Kerntugend gibt, die BMW fast ohne Versatz von der Verbrenner- in die Elektrowelt transferiert hat, dann ist das die viel zitierte Freude am Fahren. Der i4 M50i schafft es trotz Gewichts-Handicap auf Anhieb, den Lenker in fast allen Situationen mit Adrenalin satt zu versorgen, und auch das nach klassischem Muster konzipierte Gran Coupé folgt dem bewährten Motto "der Weg ist das Ziel". Für Faszination auf hohem Niveau sorgen hier wie dort die taktile und präzise Lenkung als oberstes Interaktionswerkzeug, die kräftige Bremse als absolut verlässliche Kontrollinstanz zwischen Übermut und Grenzbereich, das subtile Chassis als werktreuer Simultanübersetzer des Kraft-mal-Weg-Theorems und der enorme Vortrieb als freies Radikal im Spannungsfeld von Physik und Verantwortung. So funktioniert Technologieoffenheit.

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