BMW 760 Li:König von Bayern

Er kann's lautlos, brüllt bei Bedarf aber wie ein bayerischer Löwe: BMW hat mit dem 760 Li seiner 7er Reihe die automobile Krone aufgesetzt.

Stefan Grundhoff

Angesichts des bärenstarken BMW 750 Li mit seinem V8-Doppelturbo und 407 PS hätte sich BMW wohl gerne die Entwicklungskosten für den Zwölfzylinder gespart. Doch während in vielen Ländern auch im Hochpreis-Segment zunehmend zurückhaltender und gerne eine Nummer kleiner gekauft wird, sieht es an der Spitze des Eisbergs ganz anders aus.

BMW 760 Li: An den doppelten Auspuffrohren links und rechts ist der Zwölfzylinder zu erkennen.

An den doppelten Auspuffrohren links und rechts ist der Zwölfzylinder zu erkennen.

(Foto: Foto: BMW)

Ohne Zwölfzylinder und langen Radstand braucht ein Autohersteller wie BMW in Staaten wie den USA, Russland oder China gar nicht mit einem 7er anzutreten. Und da gerade China für Luxuslimousinen weit mehr Wachstumschancen bietet als Zentraleuropa oder die USA, kommt man um einen prestigeträchtigen Zwölfzylinder nicht herum. BMW, kein Motorenentwickler von halben Sachen, geht dann natürlich auch bei seinem neuesten Spielzeug mit einem Dutzend Brennkammeren in die Vollen: Turboaufladung, Direkteinpritzung und eine neue Achtgang-Automatik sind das Mindeste.

So kann der BMW 760 Li mit seinen 400 kW / 544 PS und 750 Nm ab 1500 U/min Motorenfans begeistern; zur Spitze des Nobel-Eisbergs reicht es zumindest anhand der objektiven Daten dennoch nicht. Bentley und besonders Hauptkonkurrent Mercedes bieten ihren Zwölfzylinder-Kunden mit Hang zum Sportabzeichen noch ein paar Pferdestärken mehr.

Trotzdem würde es überraschen, wenn sich die Insassen des neuen BMW-Flaggschiffs nicht durch und durch beeindruckt zeigen würden. Der 760 Li ist so leise, dass man meint, in einem Hybriden mit Stromvortrieb zu sitzen. Lautlos im Stand und bei langsamer Schleichfahrt sind schon spektakulär genug. Doch selbst im sanften Galopp kann man mit viel Missgunst allein Abrollgeräusche der Reifen und leichtes Windspiel an den Außenspiegeln vernehmen. Real ist man im 760 Li jedoch bis zum flotten Landstraßentempo nahezu lautlos unterwegs.

Mit britischem Understatement: Man könnte, wenn man wollte

Wenn man das Gaspedal einmal nicht derart streichelt, wie die Chauffeure zwischen Peking und Shanghai oder Manhattan und den Hamptons es gewohnt sind, so springt der 2,2 Tonnen schwere Bayer los, als sei der automobile Teufel hinter ihm her. Dabei sollte der Fahrer immer im Hinterkopf behalten, dass ein 407 PS starker 750 Li in jedem Fahrzustand alles andere als untermotorisiert ist. Doch im Vergleich zu seinem großen V12-Bruder wirkt die bisherige Vorzeigelimousine wie ein verschlafener Schuljunge.

Kaum ein Kunde wird jemals den Sprint von 0 auf 100 km/h in den durchaus möglichen 4,7 Sekunden zurücklegen. Künstlich eingebremste 250 km/h sind zumindest auf deutschen Autobahnen da schon realer. Für rund 150.000 Euro Kaufpreis ist es gut zu wissen, dass man es jederzeit könnte, wenn man nur wollte.

Schließlich unterscheidet sich der Zwölfzylinder ansonsten kaum von seinen schwächeren, aber alles andere als schwächlichen Brüdern. Die kaum erkennbar breiter umrandete Niere, ein kleines V12-Logo am seitlichen Blinker und doppelte Auspuffrohre links und rechts - wer das nicht weiß, dem hilft nur das 760er-Logo am Kofferraumdeckel.

Die meisten Kunden werden darauf wohl sowieso verzichten. Dabei bietet der 760er im Innenraum den gleichen Luxus wie seine Familienmitlieder: elektrische Ledersitze vorn und hinten, Navigation, Vier-Zonen-Klimaautomatik. Dazu kommen 19-Zoll-Alufelgen, Luftfederung hinten und weitere Annehmlichkeiten, die in dieser Liga einfach dazugehören.

Hoher Einstandspreis, unverständliche Aufpreisliste

Dabei hat man die Wahl zwischen der normalen 760i-Version mit einer Länge von 5,07 und dem noch opulenteren 760 Li, der stattliche 5,21 Meter misst. Bei einem Radstand von 3,21 Metern kann man die Beine im Fond lässig übereinander schlagen und sich einen Film im nochmals 2950 Euro teuren Bildschirmsystem anschauen.

Dass der Sitzkomfort in dieser Liga keine Wünsche offen lässt, mag nicht weiter überraschen; dass sich BMW eine Vielzahl standesgemäßer Extras noch eigens bezahlen lässt, sollte jedem noch so exklusiven BMW-Vorstand die Schamesröte ins Gesicht treiben. So kostet der Fernsehempfang bei dem standesgemäßen Vorstandsfahrzeug nochmals teure 1230 Euro. Auch die Sicherheitsfeatures Abstandstempomat, Nachtsichtgerät, Head-Up-Display und Spurassistent sind nicht wie erwartet serienmäßig an Bord: Wer komplette Sicherheit will, muss nochmals 6800 Euro nachschießen.

Bleibt die Frage, ob ein derartiges Luxusschiff nicht sowieso mit Allradantrieb ausgestattet werden sollte. Den haben die Bayern mit dem 750i xDrive schließlich gerade erst vorgestellt. Audi schwört beim A8 bekanntlich ebenfalls auf die Kombination aus Luxus, Leistung und Allrad. Viele Kunden der Mercedes S-Klasse würden sich einen potenten Zwölfzylinder allzu gern mit 4x4-Technik gönnen, der die Leistung standesgemäß auf die Straße bringt.

Doch während auch die Stuttgarter als 4matic-Topmodell nur den S 500 anbieten, schüttelt man auch bei BMW bei der Kombination aus Allrad und einem Dutzend Brennkammern trotz der wichtigen Märkte in Russland und den USA den Kopf. "Hätte man gerne gemacht" und "technisch möglich" hört man es aus der Entwicklungsabteilung. Doch ein Rechenmodell scheint man zwischen der Denkstube Vierzylinder am Münchner Petuelring und der Produktionsstätte in Dingolfing bisher nicht gefunden zu haben.

Start-Stopp-Automatik wird nachgeliefert

Dabei kann es durchaus beeindrucken, wie der Luxus-Bayer seine Leitung auf den Asphalt bringt. Die Straße muss schon ebenso wellig wie kurvig sein, dass 544 PS und 750 Nm maximales Drehmoment sowohl Halt als auch Haftung verlieren. Ein Garant für diese Souveränität ist auch die zusammen mit ZF entwickelte Getriebeautomatik, die beim 760 Li in acht Schaltstufen arbeitet. Der Fahrer spürt von der Anzahl der Gangstufen allzu wenig; so geräusch- und spurlos arbeitet das Hightech-Getriebe im Hintergrund.

Eine Start-Stopp-Automatik dürfte 2010 nachgeliefert werden. Im Normalbetrieb ist der 7er bevorzugt in den hohen Gangstufen sechs, sieben und acht unterwegs. Ein kurzer Tritt aufs Gaspedal jedoch genügt, der 2,2 Tonnen schwere Hecktriebler springt in die zweite Fahrstufe zurück und rast los.

Wie schnell man im BMW 760 Li wirklich ist, darüber gibt allein der Tachometer Aufschluss. Ansonsten spüren Pilot und Pilotierte dank dickem Dämmglas von den Wirren der Umwelt wenig, fast schon zu wenig. Wer es rasanter angehen lässt, merkt den Tatendrang des BMW 760 Li an der Tankstelle. Die 13 Liter SuperPlus auf 100 Kilometern lassen sich selbst bei allzu zurückhaltendem Gasfuß kaum realisieren.

Doch mit Blick auf den Einstiegspreis von 134.900 Euro für den 760i, 10.000 Euro mehr für die Langversion 760 Li und dem Fokus auf die Hauptmärkte in Asien und den USA ist der Verbrauch beim neuen bayrischen König nicht mehr als Makulatur. Übrigens: Für 144.900 Euro kann man sich auch zwei 730d kaufen.

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