BMW-Antriebsvergleich:Diesel gegen Elektroauto

Der Diesel ist in Misskredit geraten, Umweltverbände fordern ein Ende des Verbrenners. Doch auf Langstrecken kann er gegen den Elektroantrieb punkten.

Von Joachim Becker

Diesel, Strom, Wasserstoff - welche Antriebsenergie wählen? Beim gerade erneuerten BMW 5er liegen Welten zwischen dem "e" und "d" am Ende der Modellbezeichnung. BMW spricht von "Power of choice", man könnte es aber auch als Qual der Wahl bezeichnen: Jeder muss selbst entscheiden, ob er ein Elektro-Vorreiter sein will oder ob er ein Universalauto braucht, das überall schnell mal 1000 Kilometer Reichweite tanken kann. Tatsächlich ist die Qual der Wahl gar nicht so groß: Bis grüner Wasserstoff flächendeckend bei den Autofahrern ankommt, dürften noch viele Jahre vergehen. Auch den reinen Stromer wird es in dieser 5er-Generation nicht mehr geben. Und der angekündigte BMW i4 kann kein Konkurrent für die Dieselmodelle sein: Das elektrische Sport-Coupé mit 530 PS ist wieder so ein Luxusspielzeug für Superreiche, das im Alltag niemand braucht.

BMW 5er Limousine und Touring sind mit einem Einstiegspreis von etwa 50 000 Euro auch nicht gerade billig. Aber in der Business-Klasse wird anders gerechnet. In die Gesamtkosten gehen auch der günstige Dieselpreis und die jährliche Laufleistung ein. Schließlich wird der 5er für Berufskraftfahrer gemacht: Ständig auf Achse, die Kabine als zweites Zuhause oder Büro - die Grenzen sind bei übertariflichen Gehältern fließend. Dafür gibt es einen gut ausgestatteten Firmenwagen nach Wahl, der in vielen Fällen allerdings ein CO₂-Limit einhalten muss. Die Kunst besteht also darin, Eleganz, Komfort und Fahrspaß mit einem möglichst geringen Verbrauch zu kombinieren. Und da kommt ein über hundert Jahre alter Spritknauserer ins Spiel.

Diesel sind schon länger sparsam, durchzugsstark und laufruhig. Doch die Entwicklung ist nicht zu Ende. Der neue BMW 530 d gibt sich mit 4,5 Liter je 100 Kilometer zufrieden. Der halbe Liter weniger ist auch deshalb bemerkenswert, weil der Sechszylinder von 265 auf 286 PS zugelegt hat. So gewinnt BMW den Prestigekampf in der Oberklasse: Die Mercedes E-Klasse gönnt sich bei gleicher Leistung einen Dreiviertelliter mehr. Mit rund 120 g/km (je nach Reifengröße) sind die CO₂-Emissionen der BMW-Limousine über 20 Gramm geringer als beim Mercedes. Das sind Welten angesichts der CO₂-Flottenziele. Tatsächlich erreicht nur der Vierzylinder aus Stuttgart dieses Niveau - mit 120 PS weniger. Selbst in Fuhrparks mit strengen CO₂-Limits liegt der BMW-Sechsender damit in der engeren Wahl. Ein echtes Plus, denn die meisten Fahrzeuge dieser Klasse werden an Firmenkunden verkauft.

Plug-in-Hybrid im neuen BMW 5er

Der BMW 5er Plug-in-Hybrid steckt voller Technik: Vorne der Benziner, dahiner der Elektromotor vor dem Getriebe. Die Batterien liegen vor der Hinterachse, darüber trohnt die Leistungselektronik.

(Foto: BMW)

Die jüngsten Fortschritte verdankt der BMW-Diesel vor allem einer milden Hybridisierung mit 48 Volt. Durch die erhöhte Spannung im Bordnetz kann eine zusätzliche Batterie die zurückgewonnene Energie beim Verzögern speichern. Das funktioniert gut im Normzyklus, der einen hohen Stadtanteil abbildet. Auf der Autobahn bringt es aber nicht viel. Da hilft eher der Segelmodus bis 160 km/h: Obwohl der Motor ausgeschaltet wird, laufen alle Komfortaggregate weiter. Unterm Strich sollte sich der 530 d im Alltag mit durchschnittlich sechs Litern zügig bewegen lassen.

Auch bei der Abgasreinigung zeigt der neue Motor, was Stand der Technik ist

Für Euro 6 d und künftige Abgasstufen reicht es nicht mehr aus, eine aufwendige Waschanlage an einen dreckigen Motor zu hängen. Um die Rohemissionen zu reduzieren, muss die Verbrennung bis ins Detail kontrolliert werden. Um Kleinstmengen von Kraftstoff einspritzen zu können, ist der Injektordruck auf bis zu 2700 bar gestiegen. Neue Common-Rail-Systeme erlauben zudem eine 10-fach-Einspritzung pro Arbeitsgang. Noch vor gar nicht so langer Zeit waren eine Vor-, Haupt- und Nacheinspritzung das höchste der Gefühle.

Nur mit dem derart hohen Aufwand lassen sich die (RDE-)Straßenmessungen für Euro 6 d zu jeder Jahreszeit bestehen. Anders als bei den Euro- 5-Dieseln, deren Abgase bestenfalls zwischen zehn und 30 Grad Celsius richtig gereinigt werden, funktioniert die Nachbehandlung jetzt über ein weites Temperaturfenster. Erstmals ersetzt eine zweistufige AdBlue-Eindüsung die bisherige BMW-Lösung mit einem Denox-Speicherkatalysator vor dem Partikelfilter plus SCR-Kat im Unterboden. Dadurch werden die Stickoxide schon kurz nach dem Kaltstart in ungefährlichen Stickstoff umgewandelt - was besonders der Stadtluft zugute kommt. Wie beim VW-Twindosing und neuen Mercedes-Systemen funktioniert die zweistufige Abgasreinigung mit Harnstoff/Ammoniak auch bei schnelleren Autobahnfahrten. Man könnte auch sagen: Nach mehr als 100 Jahren Entwicklung ist der Diesel endlich sauber.

Das 48-Volt-System von BMW: Mild Hybrid auch für den neuen BMW Sechszylinder-Diesel.

Der Mild Hybrid ist jetzt auch bei den BMW Sechszylinder-Dieselmodellen Standard. Das 48-Volt-System kann beim Verzögern elektrische Energie in der Batterie speichern.

(Foto: BMW)

Trotzdem dürfte er seinen Zenit überschritten haben. Auch hierzulande werden die Entwicklungsressourcen hin zu neuen Antriebstechniken umgeschichtet. Das zeigt die wachsende Zahl von Patentanmeldungen beim Elektroantrieb. Allerdings wurden 2019 für Deutschland noch sechsmal mehr Schutzrechte rund um den Verbrennungsmotor als für den Elektroantrieb veröffentlicht. Plug-in-Hybride profitieren von den Fortschritten auf beiden Seiten. Wer jetzt - angelockt vom Elektrobonus bei der Dienstwagensteuer - auf den Doppelantrieb umsteigen will, bekommt ab Herbst auch den BMW 5er Touring und die Allradvarianten mit externer Lademöglichkeit. Der Preis für die Kombination von Benziner und Elektromotor beginnt bei 56 200 Euro. Damit ist die 292 PS starke Limousine sogar 1700 Euro billiger als der Sechszylinder-Diesel. Sportlich sind alle beide: Beim Spurt von null auf 100 km/h ist der 530 e mit 5,9 Sekunden nur einen Hauch langsamer als der 530 d.

Der wesentliche Unterschied liegt im Spritverbrauch - auf dem Papier und in der Realität. Schön, dass der Plug-in-Hybrid im Normzyklus weniger als zwei Liter verbraucht. Diesen theoretischen Wert erreicht nur, wer ständig mit dem Ladekabel hantiert. Die Batterievariante macht also nur Sinn, wenn der Wagen die meiste Zeit tatsächlich stromert. Die Empfehlung fällt daher eindeutig aus: Wer regelmäßig bequem laden kann, eventuell sogar am Arbeitsplatz, schont mit der Steckervariante das Klima und ist angenehm leise unterwegs. Die elektrische Reichweite von etwa 60 Kilometer sollte für das urbane Umfeld genügen. Mit einem Knoten im Ladekabel wird das ganze Elektro-Gedöns allerdings sinnlos. Wer Kilometer schrubbt, schleppt 210 Kilogramm unnützem Ballast herum. Auf der Autobahn ist der Plug-in-Hybrid fast ausschließlich im Verbrennermodus unterwegs. Wer legt bei der geringen Ladeleistung von 3,7 kW einen mehrstündigen Zwischenstopp fürs Stromtanken ein? Anders als in der Stadt verzögert der Wagen auch weniger: So lässt sich kaum Energie durch Rekuperation zurückgewinnen.

Hinweis der Redaktion

Ein Teil der im "Mobilen Leben" vorgestellten Produkte wurde der Redaktion von den Herstellern zu Testzwecken zur Verfügung gestellt und/oder auf Reisen präsentiert, zu denen Journalisten eingeladen wurden.

Auf der Langstrecke wird der Plug-in-Hybrid also schnell zur Mogelpackung. Zumal der Benziner oberhalb der Autobahnrichtgeschwindigkeit wesentlich mehr verbraucht als ein niedertourig gefahrener Diesel. Bei einem Dauertempo von 160 km/h wäre auch ein reines Batterieauto relativ schnell am Limit, das zeigen ausführliche Verbrauchsmessungen der Fachzeitschrift auto motor und sport mit mehreren Elektromodellen. Bei einem Verbrauch von mehr als 35 Kilowattstunden schmelzen selbst große Batteriereserven wie Eis in der Sonne. Es macht also einen Unterschied, ein Auto für kürzere Strecken zu elektrifizieren oder einen Langstreckenwagen mit jährlich 25 000 Kilometer zusätzlich auf der Uhr. Wer beruflich viel unterwegs ist, hat kaum die Zeit, von einem Schnelllader zum nächsten zu tingeln. Erst recht nicht, wenn der Datenaustausch mit der Säule (und damit der Stromfluss) wieder einmal zickt. Ein Problem, das Tesla mit seinem eigenen Netzwerk von Superchargern zugegebenermaßen nicht hat.

Auch wenn sich der Absatz von Elektroautos im ersten Quartal dieses Jahres in Europa mehr als verdoppelt hat: Der Stromeranteil bleibt bei den Neuwagen unter sieben Prozent, der Diesel erreicht knapp 30 Prozent. Beim BMW 5er liegt der Dieselanteil sogar doppelt so hoch. Eben weil der Selbstzünder auf Langstrecken praktisch und sparsam ist. Bleibt allerdings abzuwarten, wie weit der Dieselanteil zurückgeht, wenn die Elektro-Förderung noch einmal aufgestockt wird.

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