BMW 3er:Nach Art des Hauses

Für BMW ist der Dreier besonders wichtig. Die neue Generation hält, hochwertig ausgestattet, die Balance zwischen Fahrspaß und Komfort.

Georg Kacher

Ein neuer Dreier ist für BMW immer ein Grund, die Luft anzuhalten. Obwohl die Marke am Markt längst vielbeinig Tritt gefasst hat, hält nämlich nur ein über Laufzeit erfolgreicher Dreier die Weißblauen bei Laune und guter Gesundheit.

Die jetzt auslaufende, sehr erfolgreiche Modellreihe war stilistisch kein großer Wurf. Mit dem Nachfolger sind die Designer auf Nummer sicher gegangen, dennoch ist das Baumuster F30 nicht einfach ein kleiner Fünfer. Während die Mittelklasselimousine beim letzten Modellwechsel an Gewicht, Präsenz und Größe zugelegt hat, ist der neue Dreier fast so knackig-kompakt wie sein Vorgänger.

Das gilt leider auch für den Knieraum im Fond, der trotz einer um fast zehn Zentimeter gewachsenen Außenlänge und dem um fünf Zentimeter gestreckten Radstand nur um 1,5 Zentimeter zugelegt hat. Anders ausgedrückt: Hinten ist nach wie vor wenig Platz, aber man sitzt auf bequemerem Gestühl und wird etwas kommoder abgefedert.

Die vorne und hinten breitere Spur sorgt für eine bessere Füllung der Radhäuser, für einen selbstbewussteren Auftritt und für eine noch sattere Straßenlage. Das einzige wirklich innovative Design-Detail sind die Scheinwerfer, die über einen schmalen Steg erstmals direkt an die abermals breitere Niere anstoßen. Keine Revolution, aber ein Indiz dafür, dass sich die Varianz der Stilmittel noch lange nicht erschöpft hat.

Den neuen Dreier gibt es entweder als Grundmodell oder aufgehübscht nach dem Vorbild der Editionsmodelle als Sport Line, Luxury Line und Modern Line. Die jeweils 1900 Euro teuren Pakete (1250 Euro für den 320d EfficientDynamics) mögen marketingtechnisch Sinn haben, aber eigentlich hat eine Luxury Line ohne serienmäßige Lederpolster ihre Aufgabe ebenso nur unvollkommen erfüllt wie die dunkel gehaltene Farbwelt der Modern Line, deren beige Rundinstrumente auch aufgrund der verspielten Skalen schlecht ablesbar sind.

Apropos Skalen: Wer für 980 Euro das vielseitig begabte Head-up-Display gewählt hat, ist fein raus - aber im Grundmodell fehlt nach wie vor eine richtig große digitale Tempoanzeige. Mit Ausnahme des Nachtsichtgeräts und des erst ab Mitte 2012 lieferbaren aktiven Tempomats sind für den F30 fast alle Assistenzsysteme verfügbar, die uns schon im Fünfer gefallen oder genervt haben.

Der Dreizylinder im Dreier soll kommen

Wirklich hilfreich ist die Rundum-Überwachung Surround View, die mit fünf Kameras zum Paketpreis von 2190 Euro alle Eventualitäten im Blick hat. Viel Geld kann man auch für das mobile Infotainment ausgeben. Das große Navi mit dem 8,8-Zoll-Bildschirm und nochmals erweitertem Funktionsumfang, die über iDrive intuitiv bedienbare Komfort-Telefonie und das klangstarke Harman-Kardon-Soundsystem belasten das Budget zwar mit rund 4300 Euro, sind aber in dieser Fahrzeugklasse fast unverzichtbar.

Der Dreier startet mit zwei Benzinern und zwei Dieselmodellen zu Preisen ab 35 350 Euro (320d mit 184 PS oder als EfficientDynamics-Version mit 163 PS), das ist gegenüber dem Vorgänger ein Aufschlag von knapp 1000 Euro. Während der 335i (ab 37 400 Euro) seinen 306 PS starken Sechszylinder behalten darf, schnurrt im 328i (ab 37 400 Euro) ein 2,0-Liter-Vierzylinder mit 245 PS.

Klar, an die Laufruhe und den Klang des Reihensechszylinders kommt das aufgeladene Aggregat nicht heran. Aber dafür beschleunigt der 328i in 5,9 Sekunden und damit um zwei Zehntel schneller von null auf 100 km/h als der sanft entschlafene 330i und er konsumiert mit 6,4 Liter exakt einen Liter weniger. 328i und 335i trennen im Spurt gar nur 0,4 Sekunden, im Spritverbrauch jedoch 1,5 Liter.

Keine Frage, gut gemachte Vierzylinder wie dieser werden den Lebensraum der Sechszylinder schon bald auf die höheren Leistungsklassen beschränken. Gleichzeitig kommen sie selbst unter Druck, denn als Einstiegsmotor gilt der Dreizylinder mittelfristig selbst im Dreier-Segment als gesetzt.

Der sparsamere der beiden 320d kommt mit 4,1 Liter 100 km weit, läuft 230 km/h Spitze und kann in 8,0 Sekunden von null auf 100 km/h spurten. Bereits in Arbeit sind ein 316i (136 PS, ab 2013), ein 320i (184 PS), M3 (450 PS), 316d (116 PS), 318d (143 PS), 325d (218 PS, ab 2013), 330d (245 PS) und 335d (286 PS). Dazu kommen diverse xDrive-Modelle sowie schon Ende 2012 der ActiveHybrid3 mit einer Systemleistung von 340 PS und einem Mixverbrauch von 6,4 Liter.

Los geht's: Der rote 328i Sport ist mit allem bestückt, was die Fahrdynamik-Experten für gut befunden haben: breite 19-Zöller (900 Euro), Sportautomatik mit Schaltwippen am Lenkrad (2430 Euro), variable Sportlenkung (200 Euro), adaptives Sportfahrwerk (1100 Euro). Die variable Sportlenkung, die kürzlich in einem X3-Testwagen kaum mehr Fahrbahnkontakt vermittelte als ein Blindenstock, überrascht im neuen Dreier als erwägenswerte Alternative zur geschwindigkeitsabhängigen Servotronic.

Die goldene Mitte zwischen Spaß und Komfort

Weil große Radeinschläge weniger große Lenkbewegungen erfordern, erleichtert das rein mechanische System das Einparken und Abbiegen. An den deutlich geringeren Kraftaufwand muss man sich erst gewöhnen, das zackige Ansprechverhalten und die jetzt auch haptisch stets präsente Richtungsstabilität gefallen dagegen auf Anhieb.

Die Sportautomatik schaltet im S-Modus fast so schnell wie das bei BMW aus Kostengründen nicht sehr beliebte Doppelkupplungsgetriebe. Das Hin- und Herwechseln zwischen den Programmen M (manuell) und S/D (Sport/Drive) will allerdings geübt sein, zumal das Räderwerk nach spontaner Betätigung der Schaltwippen ungefragt wieder zur Automatikfunktion zurückkehrt.

Der serienmäßige Fahrerlebnisschalter, der Fahrwerk, Lenkung, Stabilitätsprogramm, Getriebe und das Ansprechverhalten des Motors beaufschlagt, stellt uns vor die Wahl zwischen Eco Pro, Comfort, Sport und Sport+.

Eco Pro soll zum Spritsparen erziehen und belohnt Gaspedalstreichler mit einer scheinbar unerschöpflichen Restreichweite. Comfort ist eigentlich die Normaleinstellung, Sport schärft Dämpferabstimmung, Lenkungskennung sowie die Rückmeldung von Motor und Getriebe, Sport plus senkt die ESP-Hemmschwelle. Wer mag, kann unterschiedliche Charakteristika miteinander kombinieren.

Der 328i gibt sich im kurvigen Hinterland von Barcelona ebenso wenig eine Blöße wie der mit etwas schmäleren 18-Zöllern besohlte 320d. Beide Autos treffen zielgenau die goldene Mitte zwischen Spaß und Komfort. Beide sind gutmütig, aber nicht desinteressiert-untersteuernd wie so mancher Wettbewerber. Im Gegenteil: Der Heckantrieb ist und bleibt ein in fast jeder Kurve erlebbarer Kernwert der Marke.

Rund neun Monate nach der Limousine startet im Sommer 2012 der Touring. 2013 folgen Dreier GT sowie die in Vierer-Reihe umbenannten Coupé und Cabrio-Varianten. Dabei bleibt das Cabrio zum Leidwesen der Puristen dem versenkbaren Hardtop treu. Fazit: Der neue Dreier macht fast alles richtig, ist rundum gefällig und ein Dynamiker nach Art des Hauses.

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