BMW 220i Gran Tourer im Test:Sportlich trifft auf spießig

Mit einem Minivan will BMW die Familienväter für sich gewinnen. Und sportlich soll er auch sein. Das ist das Problem des 2er Gran Tourer: Er kann sich einfach nicht entscheiden.

Von Felix Reek

Die Welt war einmal so einfach. SPD oder CDU, die Beatles oder die Rolling Stones, ARD oder ZDF, Mercedes oder BMW. Da konnte man sich noch entscheiden. Aber genauso, wie Mutti Merkel heute sozialdemokratischer agiert als viele ihrer Partner in der Großen Koalition, sind Automarken im Jahr 2015 nicht mehr als Namen. Die "Freude am Fahren" eines BMW ist nur noch ein Werbespruch, wenn auch einer, der sich über Jahrzehnte eingebrannt hat. Hinterradantrieb, Handschaltung und Sechszylindermotor, die heilige Dreifaltigkeit, sind kein Muss mehr. Autos aus München haben heute Vierzylindermotoren (igitt!), Frontantrieb (Himmel, hilf!) und gefallen auch dem Nachbarn, der schon immer den VW Golf für das einzig sinnvolle Fortbewegungsmittel hielt (pfui!).

Die Verbindung all dessen ist der BMW 2erGran Tourer. Ein, man mag das Wort kaum formulieren: Minivan. Noch vor ein paar Jahren wäre das nicht denkbar gewesen. Da sorgte schon die 1er-Reihe für einen Aufschrei. Der Erfolg gab den Bayern recht. Die Kompaktreihe ist ein Verkaufsschlager.

Ein Auto für alle, die sich nicht für Autos interessieren

Heute bleibt BMW nichts anderes übrig. Für Heranwachsende ist das neueste Smartphone wichtiger als das Auto, mit dem sie zum nächsten Tinder-Date fahren. Wenn sie überhaupt eines fahren. Seit Jahren sinken hierzulande die Verkaufszahlen der Automobilindustrie. Wer konkurrenzfähig bleiben will, muss alle Segmente des Marktes abdecken. Im Fall des 2er Gran Tourer sind das Familienväter, die BMW bisher nicht auf dem Schirm hatten. Für die Autos vor allem Mittel zum Zweck sind.

Ganz offen gibt BMW zu, sich beim 2er Gran Tourer am Touran, dem Familienvan von VW, orientiert zu haben. Der ist Marktführer des Segments und der Inbegriff eines Fahrzeugs, das keine großen Begehrlichkeiten weckt. Oder haben Sie schon mal jemanden so über einen Touran sprechen hören, wie etwa über den neuen Aston Martin von James Bond? Eben. Doch für BMW zahlt sich das Konzept aus: 33 000 Bestellungen gingen im ersten Halbjahr 2015 in München ein.

"Das ist ja mal so gar nichts"

Die altbekannte Sportlichkeit und das Spießige eines Minivans, das passt irgendwie nicht zusammen. Also versuchen die Bayern einen eigenwilligen Spagat. Der ist deutlich am Design des Gran Tourer auszumachen. Das ist wie bei allen Minivans nichts, was Begeisterungsstürme auslösen würde. Viel Platz und Variabilität ergeben selten maximales Augenschmeicheln. Die klassische Doppelniere der Marke am Kühlergrill trifft auf einen gedrungenen Körper, wie ihn auch der VW Touran hat. Ein Kollege brummelt vorm Einsteigen nur kurz: "Das ist ja mal so gar nichts." Wahrlich nicht das, was man hören möchte, wenn man mindestens 27 000 Euro für einen BMW hingelegt hat.

Dabei ist der Gran Tourer kein schlechtes Auto. Sondern ein sehr gutes, um genau zu sein. Das Automatikgetriebe arbeitet seidenweich. Wer hier Schaltvorgänge ausmachen will, muss sich wirklich darauf konzentrieren. Der Motor ist kräftig, sportlich, mit 192 PS ist der Testwagen fast übermotorisiert. Der BMW hat Mühe, die Kraft über die Vorderräder auf den Boden zu bringen, so dass sie immer wieder kurz vorm Durchdrehen sind. Die Fahrprogramme sind ausgewogen, und im Gegensatz zur Konkurrenz kommt man auch im Eco-Modus zügig voran. Die Verarbeitung ist exzellent und bietet das gewohnte BMW-Gefühl. Zum Fahrer gerichtetes Cockpit, Lederlenkrad, Chrom, ein M-Zeichen hier und da: alles, damit nur nicht der Verdacht aufkommt, man säße in einem, igitt, igitt: Minivan! Tut man aber doch.

Dafür bietet der Gran Tourer aber eben auch die Vorteile dieser Fahrzeugklasse. Mit einem Kofferraumvolumen von 695 bis 1905 Liter schluckt er alles vom Kinderwagen bis zum Fahrrad. Gegen Aufpreis lässt sich der Beifahrersitz umklappen, so dass Gegenstände bis 2,60 Meter Länge hineinpassen. Reicht das immer noch nicht, gibt es zahlreiche Staufächer, die es noch einmal auf 40 Liter bringen. Praktisch, wenn man als Vater viel dabei hat. Fatal, wenn es gilt, innerhalb von Sekunden den Schnuller zu finden. Ein an sich perfektes Familienauto. Wenn sich BMW konsequent dazu bekennen würde. So steht dem 220i Gran Tourer nur eines im Wege: die vom Konzern verordnete Sportlichkeit.

Technische Daten BMW 220i Gran Tourer Automatik:

Vierzylinder-Benzinmotor mit zwei Liter Hubraum und Turboaufladung; Leistung 141 kW (192 PS); max. Drehmoment: 280 Nm bei 1250/min; Leergewicht: 1570 kg; Kofferraum: 645 - 1905 l; 0 - 100 km/h: 7,6 s; Vmax: 222 km/h; Testverbrauch: X,X l / 100 km (lt. Werk 5,9 - 6,1 l; CO2-Ausstoß: 137 - 142 g/km); Euro 6; Grundpreis: 32 450 Euro

Das Testfahrzeug wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

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