Blitzmarathon 2017:Es muss nicht öfter geblitzt werden, sondern richtig

Radarkontrolle der Polizei: Europaweiter Blitz-Marathon in Hannover

Radarkontrolle der Polizei bei Hannover. Der Traktorfahrer hat das Tempolimit vermutlich eingehalten.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Der Blitzmarathon ist eine PR-Aktion ohne nachhaltige Wirkung. Wenn man Raser erziehen möchte, dann bitte auf intelligente Art.

Kommentar von Thomas Harloff

Es ist mal wieder soweit: An Tausenden Messstellen kontrollieren Polizisten und kommunale Mitarbeiter, ob Auto- und Motorradfahrer die Tempolimits einhalten. Medienwirksam heißt die Aktion "Blitzmarathon" (hier alles Wissenswerte zur diesjährigen Auflage), und natürlich steht dahinter die Idee, unbelehrbare Raser zu bekehren und dadurch mehr Sicherheit auf den Straßen zu schaffen. Um sich von vornherein vom Verdacht der Abzocke zu befreien, gibt die Polizei die meisten Kontrollstellen, die zudem nur an Unfallschwerpunkten errichtet werden sollen, im Vorfeld bekannt.

Was eine konzertierte Aktion wie der Blitzmarathon wirklich bringt, lässt sich jedoch schlecht messen. Aufmerksamkeit für das Thema Verkehrssicherheit? Sicher - aber nur kurzfristig. Nachhaltig wirkt der Blitzmarathon nicht, zeigt die Statistik. Bei tödlichen Unglücken ist Raserei weiterhin mit großem Abstand die Ursache Nummer eins.

Auch die in vielen Städten unverändert hohe Feinstaub- und Stickoxid-Belastung durch den Straßenverkehr ist ein Indiz dafür, dass zu schnell gefahren wird. Würden mehr Autofahrer die Tempolimits einhalten, könnte das helfen, die Werte zu senken.

Gebremst wird nur kurz vor dem Blitzer

Wozu die punktuellen Tempokontrollen führen, lässt sich vor allem anhand des Verhaltens der Autofahrer beobachten. Kurz vor einem fest installierten Blitzer wird langsam gefahren - oft viel langsamer, als es das Tempolimit verlangt - und direkt danach wieder Gas gegeben. Wer sich auch fernab der Blitzer an die Tempobeschränkung hält, muss sich oft akustisch oder per Fernlicht anhupen sowie bedrängen oder überholen lassen - auch von Lastwagen.

Verkehrssicherheit? Sauberere Luft? Ein gesteigertes Bewusstsein dafür ist nicht erkennbar. Die eigene, vermeintlich gesparte Zeit scheint für solche Banalitäten zu wertvoll zu sein.

Doch wie bringt man Auto- und Motorradfahrer dazu, ein möglichst konstantes Tempo beizubehalten, das idealerweise sogar mit der erlaubten Geschwindigkeit übereinstimmt? Vielleicht eine Technik, die in Großbritannien und Österreich schon lange zum Einsatz kommt und hierzulande als "Section Control" bekannt ist. Dabei werden die Fahrzeuge am Anfang und am Ende einer definierten Strecke fotografiert. Anhand der benötigten Zeit wird sofort die Durchschnittsgeschwindigkeit mit einfacher Mathematik ausgerechnet. Ist sie zu hoch, bekommt der Fahrzeughalter ein Blitzerfoto zugestellt.

"Section Control" bringt einen messbaren positiven Effekt

Die Technik lässt sich auf Abschnitten von mehreren Kilometern Länge anwenden. In Schottland gibt es ein 220 Kilometer langes Streckenradar, das als Section Control angelegt ist.

Zwar gibt es datenschutzrechtliche Bedenken, weil noch nicht ganz geklärt ist, wie die Fotos der Verkehrsteilnehmer verschlüsselt werden. Und natürlich ist es theoretisch möglich, auch diese Technologie zu überlisten. Etwa, indem man am Anfang der Messstelle schneller fährt als erlaubt und am Ende im gleichen Maße zu langsam, um auf die nötige Durchschnittsgeschwindigkeit zu kommen. Doch das dürfte für einen Fahrer ziemlich kompliziert zu errechnen und deshalb nicht praktikabel sein.

Der positive Effekt für die Sicherheit ist im Ausland jedenfalls deutlich spürbar. Die Zahl der Raser und Unfälle ging sowohl in Schottland als auch in Österreich deutlich zurück, genau wie in Italien, wo das System derzeit auf insgesamt 2500 Kilometern Länge getestet wird. Section Control scheint tatsächlich ein geeignetes Mittel zu sein, um Unfallschwerpunkte zu entschärfen - und vielleicht sogar, um die Luftqualität zu verbessern.

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