Süddeutsche Zeitung

Blitzer A2:Autofahrer klagt gegen Tempolimit - und scheitert

  • Auf der A2 am Bielefelder Berg steht eine lukrative Blitzanlage. Täglich werden dort mehr als 300 Autos geblitzt, die Stadt verdiente 2016 über sechs Millionen Euro.
  • Ein Autofahrer aus Gütersloh wurde dort ebenfalls mit zu hohem Tempo erwischt - und zahlte brav die Strafe.
  • Er klagte jedoch generell gegen das Tempolimit, weil er es für unbegründet hielt. Aber das Verwaltungsgericht Minden hält die Überwachung für gerechtfertigt.

Von Thomas Harloff

Superlative sind meist das Ergebnis harter Arbeit. Nicht so beim - diversen Medien zufolge - "bekanntesten Blitzer Deutschlands". Für die Anlage auf der A2 am Bielefelder Berg reicht es, einfach nur am Straßenrand zu stehen und die Szenerie immer wieder für Millisekunden in rotes Licht zu hüllen. Tatsächlich geschieht das alle paar Minuten, im Schnitt mehr als 300 mal am Tag und 110 000 mal im Jahr. Wäre der Blitzer ein Mensch, er wäre einer der lukrativsten Mitarbeiter der Stadt, auf deren Grund und Boden er seit 2008 steht. Allein im vergangenen Jahr nahm Bielefeld mehr als sechs Millionen Euro an dieser Stelle ein und gab etwa ein Drittel davon für Wartung und Betrieb wieder aus.

So geschätzt der Blitzer bei den Bielefelder Stadtoberen ist, so unbeliebt ist er bei den Autofahrern, die regelmäßig die Gefällstrecke auf der dreispurigen Autobahn Richtung Hannover passieren. Dort ist nur eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h erlaubt, und das seit 30 Jahren. Eine viel zu niedrige Begrenzung, meinte ein Autofahrer aus Gütersloh, der dort schon einmal mit zu hohem Tempo erwischt wurde. Der Mann klagte jedoch nicht gegen seinen Bußgeldbescheid, den er bereits bezahlt hat, sondern generell gegen das Limit.

Nach sieben Monaten Pause ging es weiter

Die 100-km/h-Beschränkung widerspreche dem Gesetz, argumentierten der Kläger und sein Anwalt gegenüber der Bezirksregierung Detmold. Auf deutschen Autobahnen dürfe so schnell gefahren werden, wie es die Straße und die Witterung erlauben. Beschneide der Gesetzgeber diese "grundgesetzliche Handlungsfreiheit", müsse er dies begründen. Diesen Grund gebe es am Bielefelder Berg jedoch nicht - weil es dort keine Häufung von Unfällen gebe und die zur Jahrtausendwende auf drei Spuren ausgebaute Strecke den Verkehr gut aufnehmen könne. Auch stünde in einem offiziellen Schriftverkehr zwischen der Stadt Bielefeld und der Bezirksregierung, dass keine Unfallhäufungsstellen vorhanden seien. Die stationären Blitzer wurden dennoch errichtet - um die Polizei zu entlasten, die die Geschwindigkeit sonst mit mobilen Blitzanlagen überwachen müsste.

Wie gefährlich der Autobahnabschnitt tatsächlich ist, war offenbar gar nicht so leicht herauszufinden. Richter Winfried Kaiser vom Verwaltungsgericht Minden waren die Informationen zu Beginn des Verfahrens (Az.: 2 K 867/15) Anfang April noch zu spärlich und die Rechts- und Sachlage noch "zu wackelig". Deshalb vertagte er den Prozess direkt am ersten Tag. Aus den ursprünglich vorgesehenen sechs Wochen - so lange galt die erste Frist - wurden schließlich mehr als sieben Monate, bis das Verfahren am 10. November wiederaufgenommen wurde.

Zu kurvenreich und zu schlecht einsehbar

Nach wenigen Stunden war es dann bereits wieder vorbei, das Verwaltungsgericht Minden hat die Klage abgewiesen. Die Behörden hätten glaubhaft dargelegt, dass die dreispurige Autobahn an der Stelle zu kurvenreich, zu schlecht einsehbar, zu steil und zu stark befahren sei, um höhere Geschwindigkeiten zuzulassen. Zur Überwachung darf auch die Blitzanlage weiter scharf geschaltet bleiben

Die Stadt Bielefeld darf nun also aufatmen, denn sie kann weiter mit den jährlichen Einnahmen im Millionenbereich rechnen. Ob sich der klagende Autofahrer aber mit dem Richterspruch zufriedengibt, steht noch nicht fest. Sein Anwalt will eine Berufung gegen das Urteil prüfen.

(Mit Material der dpa)

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