Blech der Woche (48): Alfa Vignale:Heimkehr eines Einzelstücks

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Nein, dieses Auto ist nicht selten, es ist einmalig. Die Geschichte des Vignale lehrt, dass man sich von solchen Preziosen nie trennen sollte.

In der Serie "Blech der Woche" stellt die Redaktion von sueddeutsche.de Old- und Youngtimer vor - frei nach den Motti: Alte Liebe rostet nicht, oder: Liebe geht durch den Wagen. Schließlich ist die Beziehung von Mensch und Maschine eine unendliche Geschichte voller Leidenschaften.

In all seiner majestätischen Schönheit: Alfa Romeo Vignale (Foto: Foto: Carsablanca)

Bei manchem automobilen Virus handelt es sich offenbar um eine Art "Erbkrankheit". Als Beweis könnte Max Bertschinger ( alphamax) mit seiner Alfa-Leidenschaft herhalten: Schon sein Vater und Großvater waren echte Alfisti, die zum Teil sehr rare Modelle besaßen. Eines davon hat Bertschinger nach langen Jahren wieder gefunden - und nach Hause geholt: ein einmaliges Coupé, den Prototyp der extrem seltenen 2000 S Vignale Version.

Aus den insgesamt 47 an Vignale gelieferten Chassis mit der Typenbezeichnung AR102.02 (abgeleitet vom 2000 Spider) entstand 1958 lediglich ein einziges Modell - das vier Jahre später in den Besitz der Familie Bertschinger kommen sollte. Es wurde im März 1959 anlässlich des Genfer Salons auf dem Stand von Vignale vorgestellt. Das gleiche Fahrzeug, allerdings mit einer anderen Frontpartie und anderen seitlichen Kiemen, war im Dezember 1958 auf dem Turiner Salon zu sehen.

Es ist anzunehmen, dass es sich bei beiden Ausstellungsobjekten um dasselbe Fahrzeug handelte, denn zur damaligen Zeit wurden Karosserien kurzfristig abgeändert. Das würde auch die mehrschichtigen Farbaufträge im Frontbereich von Max Bertschingers Vignale erklären, die man bei der Restaurierung offen legte. Das wichtigste Indiz für die These, dass es sich hier um seinen Vignale handelt, ist aber die Chassis-Nr. AR102.02.00001.

Weitere Modellvarianten entstanden erst ab 1960. Anfänglich mit nur leichten Änderungen, wie z.B. einem anderen seitlichen Chromzierrat, dann mit einem anders gestalteten Heck und kleineren Stossstangenhörnern sowie schließlich mit einer komplett veränderten Karosserie mit Doppelscheinwerfern - ähnlich der des Fiat 2300. 1961 gab es dann noch eine letzte Variante, die dem Praho von Touring ähnelte. Bis heute sind weltweit noch etwa zehn Fahrzeuge bekannt, davon etwa fünf in sehr gutem, fahrbereiten Zustand, eines ist derzeit in Restauration.

Als Max Bertschingers Vater den raren Alfa 1962 erwarb, spielte dessen Status als Prototyp keine Rolle. Das viersitzige Coupé gefiel ihm einfach, und es blieb zwölf Jahre lang im Besitz der Familie. "Im privaten Fuhrpark meines Vaters war damals der Vignale neben einem Zagato das Prunkstück. Seine dunkelgraue, metallisierte Lackierung ließ die vielen Chromelemente schön zur Geltung kommen. Das Interieur in weinrotem echten Leder und die rote Teppich-Auskleidung im Fahrgastraum wie auch im Kofferraum vermittelte Exklusivität und war damals nur den teuren, italienischen Sportwagen vorbehalten. Uns war bewusst, dass er da zwei sehr seltene Pferde im Stall hatte, denn man sah in all den Jahren nie ein baugleiches Fahrzeug. Egal wo man hinkam, die Autos wurden immer bestaunt."

So war es kein Wunder, dass auch der Sohn Max zum Alfisti wurde: "Meine Leidenschaft für die italienische Marke keimte mit dem samstäglichen Reinigen des exklusiven Wagenparks meines Vaters", erinnert sich Max Bertschinger. "Diese Arbeit hat mir damals, trotz der anstrengenden Handarbeit, immer Spaß gemacht, da ich die Wagen später selbst umparken durfte. Kaum 18 geworden wollte ich natürlich sofort selbst hinters Steuer eines Alfas. Zwischen den obligatorischen Fahrstunden mit dem Fahrlehrer durfte ich mit meiner Mutter im 'Schwarzen' ausfahren - so wurde der dunkle Vignale in der Familie genannt. Er war auch das erste Auto, mit dem ich nach bestandener Fahrprüfung allein unterwegs war. Mein Vater hat ihn mir überlassen, aber ich musste für den Unterhalt des Wagens selbst aufkommen."

Zunehmende technische Probleme mit Überhitzungen des Motors (Ursache war ein oftmals vergessenes Gummirollo für den Winterbetrieb) und Platzmangel führten 1974 dann zum Verkauf des einmaligen Coupés, dessen Entwurf aus der Feder von Michelotti stammte. Danach verlor sich seine Spur, bis... Wie war das denn, Herr Bertschinger?

"Als ich im Spätsommer 2003 im Internet surfte und mir verschiedene Fotos von schönen Alfas anschaute, sah ich einen silbergrauen 2600 SZ mit Essener Kennzeichen auf einer Wiese stehen. Beim genaueren Hinsehen erkannte ich sofort, dass es sich dabei um den Wagen handelte, der von 1966 bis 1990 in unserem Familienbesitz war. Nach vielen Umwegen hatte ich den Besitzer dieses Wagens - einen norddeutschen Sammler von 2600er-Modellen - ausfindig machen können. Den Zagato hab' ich letzten Sommer besucht, und ich hoffe, dass er eines Tages auch wieder zu mir zurückfindet."

Auch wenn der Mann den Zagato nicht wieder hergeben wollte, erwies er sich als höchst wertvoll: Durch ihn kam Bertschinger mit dem damaligen Schweizer Eigentümer des Vignale-Prototyps in Kontakt, und zumindest ihn konnte er vier Jahre später zum Verkauf überreden. Inzwischen war der Vignale fachgerecht restauriert worden, so dass Max Bertschinger nach dem Rückkauf anno 2007 nur noch eines blieb: "Spaß haben mit dem Auto, jede Menge!" Noch einmal verkaufen kommt für den Alfa-Fan aus der Schweizer Gemeinde Horgen jedenfalls nicht in Frage.

Alfa Romeo 2000-S Vignale: Bauzeit: Einzelstück, 1958; Zylinder: 4; Hubraum: 1975 ccm; Leistung: 115 PS; Höchstgeschwindigkeit 180 km/h; Verbrauch: 10-12 Liter/100 km

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