Blech der Woche (84): Lloyd LT 600:Als ein Bus noch klein sein durfte

Vom Polarkreis nach Wermelskirchen: die Reise eines raren zweizylindrigen Kleinbusses der Marke Lloyd.

In der Serie "Blech der Woche" stellt die Redaktion von sueddeutsche.de Old- und Youngtimer vor - frei nach den Motti: Alte Liebe rostet nicht, oder: Liebe geht durch den Wagen. Schließlich ist die Beziehung von Mensch und Maschine eine unendliche Geschichte voller Leidenschaften.

Blech der Woche (84): Lloyd LT 600: Erst ein Kastenwagen, dann ein Bus: der Lloyd LT 600 von 1959

Erst ein Kastenwagen, dann ein Bus: der Lloyd LT 600 von 1959

(Foto: Foto: Carsablanca)

Einen Lloyd-Kleinbus aus den fünfziger Jahren zu finden, gilt unter Freunden der Marke mittlerweile als Glücksfall. Wenn der dann auch noch in neuwertigem Zustand sein sollte, gleicht das einem Sechser im Lotto. Rainer Kaun-Mikolajewicz (lloydselig) hatte dieses Glück, im April 2008 auf genau so ein Angebot zu stoßen.

Einziger Wermutstropfen: Der einst in den Bremer Lloyd-Werken gebaute Kleinbus stand nicht um die Ecke, sondern im fernen Finnland. Es handelte sich um einen arktic-grünes Exemplar aus dem Jahr 1959, das ursprünglich als Kastenversion LTK 600 an einen Händler im finnischen Turku ausgeliefert worden war. Dort wurde der auf der 600er Limousine basierende Kleintransporter zum Minibus mit sechs Sitzen umgebaut. "So ein Vorgehen war in Skandinavien damals durchaus üblich", weiß sein heutiger Eigentümer. Aus steuerlichen Gründen war es seinerzeit billiger, einen Kastenwagen zu importieren als einen Pkw. Zu Letzterem mutierte der "Kasten" dann erst nach seiner Einfuhr ins Bestimmungsland.

Beim Neuwagen-Umbau von Rainers Exemplar hielt man sich in Finnland so eng wie möglich an die Vorgaben aus Bremen: "Nur die waagerechte Sicke in der Flanke verrät dem Kenner die ursprüngliche Bestimmung des Wagens", erläutert Rainer. "Außerdem sind die Fenstergummis nicht versenkt, sondern tragen leicht nach außen auf, und der Abstand zwischen den Seitenfenstern ist geringfügig größer als bei einem werksseitig gebauten Bus. Das Interieur hingegen entspricht absolut dem Original."

Er stand und wartete auf seinen Fan

Ein Auto, auch wenn die Offerte noch so verlockend klingt, über eine Distanz von 2000 Kilometern zu kaufen, birgt natürlich immer gewisse Risiken. Doch für Rainer waren sie überschaubar: "Der Verkäufer war ein Sammler, der seine Prachtstücke auf Grund seines fortgeschrittenen Alters in jüngere Hände geben wollte. Er hatte den Lloyd Bus in vierjähriger Arbeit restauriert und konnte mit einer lückenlosen Historie zu dem Fahrzeug aufwarten. So etwas flößt dann doch Vertrauen ein."

Nach den Angaben des Anbieters war der Kleinbus nach seiner Erstzulassung im Jahr 1961 (also zwei Jahre nach dem Import) nur rund fünf Jahre lang zugelassen, bevor ein Motorschaden ihn bei einem Tachostand von knapp 40.000 Kilometern in die Garage verbannte. Dennoch trennte sich der Erstbesitzer erst Ende der siebziger Jahre vom Lloyd. Danach ging er durch drei weitere Hände, bevor er im finnischen Lahti 2001 zu jenem Sammler kam, der ihm neues Leben einhauchte - um ihn dann doch in seiner umfangreichen Sammlung abzustellen. Das heißt: ohne ihn häufiger zu bewegen.

In Kenntnis dieser bemerkenswerten Einzelheiten und nach dem Studium diverser aussagekräftiger Fotos entschied sich der Lloyd-Enthusiast aus dem Bergischen, den seltenen Bus zu erwerben. Zuvor hatte er sich informiert, welche Hürden ein Fahrzeugimport aus Finnland im Mai 2009 bereit halten könnte. Es waren zum Glück nur wenige, denn das lange Zeit neutrale Finnland trat Mitte der neunziger Jahre der Europäischen Gemeinschaft bei und führte 2002 den Euro als Währung ein.

Der Erwerb des fast 50 Jahre alten Lloyd Busses verlief dann auch weit weniger abenteuerlich als befürchtet. Als Rainer in Helsinki dem Flieger entstieg, wurde er bereits vom Verkäufer des Wagens und seinem Sohn erwartet. Die beiden begleiteten ihn zum Hafen, wo der knubbelnasige Bremer Kleinbus bereits seines neuen Eigentümers harrte - und der Rückführung in die deutsche Heimat, die Rainer per Fähre durchführte.

Kaum daheim, schon unterwegs

Hinweis

carsablanca.de
Dieser Artikel basiert auf einer Kooperation von sueddeutsche.de mit carsablanca.de.

Nach Abwicklung des Handels rollte Rainer mit seinem Lloyd aus eigener Kraft als erster auf das Schiff nach Deutschland. Am Ende der Überfahrt erwartete ihn sein Freund Frank bereits mit einem Trailergespann, mit dem der grüne Kleinbus seinen neuen Heimatstandort Wermelskirchen erreichte. Denn, so Rainer, "nicht, dass ich ihm die Strecke nicht zugetraut hätte, aber über 500 Kilometer auf der Autobahn wollte ich einem Wagen, dessen Höchstgeschwindigkeit bei gut 80 km/h liegt, dann doch nicht als Einstand zumuten."

Am Sonntagmorgen, gegen fünf Uhr, kamen der 40-Jährige und seine Neuerwerbung zuhause an. Nur wenige Stunden später gab der grüne Lloyd Bus sein Debüt auf einer Oldtimer-Veranstaltung im Nachbarort, an die sich Rainer gerne erinnert: "Ich weiß nicht, was dort für mehr fragende Blicke sorgte: der grüne Bus oder sein finnisches Kennzeichen. Das Kennzeichen musste ich aber wenige Tage später beim Straßenverkehrsamt mit Bedauern abgeben, als ich ihn nach erfolgreicher Vollabnahme erstmals in Deutschland zuließ."

Lloyd LT 600: Bauzeit 1955 - 1961; Zylinder: 2; Hubraum: 596 ccm; Leistung: 19 PS; Höchstgeschwindigkeit 85 km/h; Verbrauch: ca. 8 Liter / 100 km

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