Blech der Woche (60): Auto Union 1000 Sp:Der deutsche Thunderbird

Gerade einmal rund 5000 Exemplare entstanden vom 1000 Sp Coupé, überlebt haben nur wenige dieser 2+2-Sitzer. Einer fährt in Bayern durch die Gegend.

In der Serie "Blech der Woche" stellt die Redaktion von sueddeutsche.de Old- und Youngtimer vor - frei nach den Motti: Alte Liebe rostet nicht, oder: Liebe geht durch den Wagen. Schließlich ist die Beziehung von Mensch und Maschine eine unendliche Geschichte voller Leidenschaften.

Blech der Woche (60): Auto Union 1000 Sp: Wurde ab 1964 in Ingolstadt gebaut: Auto Union 1000 Sp Coupé

Wurde ab 1964 in Ingolstadt gebaut: Auto Union 1000 Sp Coupé

(Foto: Foto: Carsablanca)

Als das AU 1000 Sp Coupé im Sommer 1964 im späteren Audi-Stammwerk in Ingolstadt auf die Räder gestellt wurde, war seine Ära eigentlich schon zu Ende. Der Dreizylinder-Zweitakter unter der gebogenen Fronthaube konnte nur noch eingefleischte Fans dieses Motorentyps begeistern, und die von Auto-Union-Chefstylist Josef Dienst Mitte der fünfziger Jahre gezeichnete Karosserie sah immer noch aus wie ein geschrumpfter 57er Ford Thunderbird - während der aktuelle Thunderbird von 1964 schon längst ganz anders aussah. Die Karosserie wurde bei Baur in Stuttgart gefertigt, die Technik kam aus dem Werk Düsseldorf (wo Mercedes heute Sprinter baut), lediglich die Endmontage des Wagens erfolgte in Ingolstadt.

Nach einem kurzen Dasein als Vorführwagen wurde der ursprünglich in perlmuttgrün-metallic lackierte Zweitürer verkauft. Er blieb in Bayern - und tauchte 15 Jahre später als Unfallfahrzeug auf dem Hof eines Autohauses in Königsbrunn nahe Augsburg wieder auf: Nach dem unliebsamem Kontakt mit einem Bordstein war die Hinterachse des 2+2-Sitzers verbogen. Der Lack war bereits matt geworden, das Dach verunzierte eine teerartige Masse, die wohl ein (seinerzeit modisches) Vinyldach imitieren sollte.

Der Automechaniker Georg Ehmann bekam die Anweisung, die Hinterachse zu erneuern, dann verschwand der 1000 Sp in einer Garage des Autohändlers. "Damals, mit 18 Jahren, habe ich den Wagen erstmals zu Gesicht bekommen", erinnert sich Reiner Ehmann (4-Ringe-Reiner). "Der Mechaniker, der ihn repariert hat, war nämlich mein Vater."

15 Jahre blieb das Coupé unberührt

Das Coupé stand die nächsten 15 Jahre unberührt in seinem Unterstand, doch vergessen war es nicht: 1994 kaufte Ehmann junior das seltene Fahrzeug. "Anfangs glaubte ich noch an ein Schnäppchen, denn der Wagen war komplett und völlig unverbastelt", berichtet der Besitzer. Doch schon bald bröselte ihm an den verschiedensten Stellen der Karosserie die rostbraune Realität entgegen. Weil die Garage, die dem Coupé anderthalb Jahrzehnte als Obdach gedient hatte, nicht über einen befestigten Boden verfügte, kam die Feuchtigkeit von unten problemlos an den Wagen heran.

Das Ergebnis: Alle vier Radläufe zeigten schwere Zerfallserscheinungen, ebenso die Schweller. Außerdem hatte es den Kofferraumboden erwischt, vor allem in der Nähe des Benzintanks, und die hinteren Radhäuser, die komplett ersetzt werden mussten. Zu Füßen der Vordersitze lagen Matten, unter denen sich ebenfalls Rostlöcher gebildet hatten.

Vater und Sohn Ehmann entscheiden sich also für eine Vollrestauration. Dieses Vorhaben war in den frühen neunziger Jahren aufwändiger als heutzutage, denn Reparaturbleche gab es damals kaum. "Heute bieten DKW-Spezialisten Blechersatz an, zum Beispiel für den Schwellerbereich und die hinteren Kotflügel. Wir haben seinerzeit den Ersatz für die rostzerfressenen Partien von Hand gedengelt. Da ist es ein unbezahlbarer Vorteil, wenn der Vater gelernter Karosseriebauer ist. Das spart nicht nur einiges an Geld - man lernt auch eine Menge dabei!"

Technisch bereitete der Zweitakter zum Glück weniger Probleme. Der Motor wurde nur in Teilen zerlegt, er erhielt neues Fett in die Kugellager der Kurbelwelle, wurde gereinigt und wieder zusammengebaut. Auch die Kupplung wurde ersetzt: Da sie baugleich mit jener im zeitgenössischen Käfer ist, war Ersatz leicht zu beschaffen. Das Getriebe blieb unangetastet, ebenso wie der Kabelbaum der Sechs-Volt-Elektrik.

Der Spitzname des AU 1000: "Poor man's T-Bird"

Hinweis

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Dieser Artikel basiert auf einer Kooperation von sueddeutsche.de mit carsablanca.de.

Lediglich die Einkammer-Rückleuchten versah Reiner Ehmann mit zusätzlicher Reflektionsfolie. Die Bremsanlage - bereits mit Scheiben vorn - wurde komplett überholt und erhielt neue Leitungen. Der im Rahmen der Restauration von der Karosserie getrennte Kastenprofilrahmen musste einen Sandsturm über sich ergehen lassen, ehe er verzinkt und mit schwarzem Lkw-Chassislack behandelt wurde. Alle Buchsen und Lager wurden erneuert.

Bei der Zweifarblackierung entschied sich Reiner Ehmann für die 1964 werkseitig lieferbare Kombination Aquamarinblau mit saphirblauem Dach. Im Innenraum gab er an Stelle des originalen Kunstleders echter Tierhaut den Vorzug - "wegen der Haptik und des edlen Geruchs", wie der bayerische Schwabe bekennt.

Nach rund sechs Jahren, im Sommer 2000, war der AU 1000 Sp wieder auferstanden. Die notwendige Vollabnahme und die Prüfung fürs H-Kennzeichen erwiesen sich dann nur noch als Formalie. Seitdem fährt Reiner Ehmann mit dem "poor man's T-Bird" in seiner Freizeit - ohne das er seither viel hätte schrauben müssen. Wie lautet doch die Handwerker-Weisheit: "Lieber einmal gründlich, als dreimal halb!"

Auto Union 1000 Sp: Bauzeit 1958-1965; Zylinder: 3; Hubraum: 981 ccm; Leistung: 55 PS; Höchstgeschwindigkeit 140 km/h; Verbrauch: ca. 10 Liter/100 km

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