Blech der Woche (41): Mercedes 560 SEL:Lademeister

Die S-Klasse gilt seit jeher als die Speerspitze des automobilen Luxus. Eine Kombiversion ist damit bis heute nicht vereinbar. Der Firma Zender war das egal - sie stellte einen S mit großem Laderaum auf die Räder.

In der Serie "Blech der Woche" stellt die Redaktion von sueddeutsche.de Old- und Youngtimer vor - frei nach den Motti: Alte Liebe rostet nicht, oder: Liebe geht durch den Wagen. Schließlich ist die Beziehung von Mensch und Maschine eine unendliche Geschichte voller Leidenschaften.

Blech der Woche (41): Mercedes 560 SEL: Für den Umbau verwendete man bei Zender vom Schiebedach an bis zum hinteren Abschluss das Dach eines W 123 T-Modells. Die hinteren Seitenschieben ab der C-Säule stammten aus dem Nachfolger W 124 T, während die Heckklappe ein Eigenbau war.

Für den Umbau verwendete man bei Zender vom Schiebedach an bis zum hinteren Abschluss das Dach eines W 123 T-Modells. Die hinteren Seitenschieben ab der C-Säule stammten aus dem Nachfolger W 124 T, während die Heckklappe ein Eigenbau war.

(Foto: Foto: Carsablanca)

Die zufälligen Betrachter an der Tankstelle kommen regelmäßig ins Grübeln: Ist das nun ein 124er T-Modell mit S-Klasse-Front, oder ist das etwa doch ... Aber einen S-Klasse-Kombi hat es doch nie gegeben, oder?

Die Antwort müsste wahrheitsgemäß lauten: Ja und Nein! Zwar gab es ab Werk in Stuttgart niemals ein T-Modell auf Basis der Achtziger-Jahre-S-Klasse mit der internen Bezeichnung W 126 (ebenso wenig übrigens wie von irgendeiner anderen Oberklassen-Limousine aus Stuttgart, wenn man von einigen 230 S Heckflossenkombis aus Belgien einmal absieht). Dennoch ist das Kombi-Exemplar von Ralf Weber (Ralfmercedes) keineswegs das Ergebnis kreativer Hinterhofbastler. Es war vielmehr die Firma Zender, die in den achtziger Jahren vier S-Klassen zu Kombis umbaute. Erstmals gezeigt wurde ein solcher Umbau Anfang 1983, einige Monate später war er dann Thema einer Reportage in der Zeitschrift Rallye Racing.

Ralf Webers 560 Kombi kam im Juli 1987 zunächst als serienmäßige Stufenheck-Limousine auf die Straße und diente zwei Besitzern im hessischen Wiesbaden. "Dann hat er vermutlich einen Heckschaden erlitten und wurde von seinem dritten Besitzer zu Zender gebracht, um ihn dort zum Kombi umbauen zu lassen", vermutet Ralf Weber auf Grund seiner Kenntnis der Historie des ungewöhnlichen Transporters. Fest steht jedenfalls, dass der in nachtgrün-metallic lackierte Mercedes im Sommer 1990 laut Originalbrief bereits als "Kombinationskraftwagen mit Schiebedach" umgeschlüsselt worden war, als er in dritter Hand im münsterländischen Billerbeck erneut zugelassen wurde.

"Ein Kater, der gerade einen Kanarienvogel verputzt hat"

Für den Umbau verwendete man bei Zender vom Schiebedach an bis zum hinteren Abschluss das Dach eines W 123 T-Modells. Die hinteren Seitenschieben ab der C-Säule stammten aus dem Nachfolger W 124 T, während die Heckklappe ein Eigenbau war, zusammengesetzt aus dem Heckdeckel und dem Schottblech des W 126, lediglich die Scheibe mitsamt Rahmen stammte vom ersten T-Modell. Drei Jahre später kam die seltene Version der S-Klasse nach Heilbronn und zog von dort mit dem Eigentümer nach Ingolstadt um. In der Stadt der vier Ringe wurde der 126 Kombi dann Ende des Jahres 2000 erneut zum Verkauf angeboten.

Lademeister

"Im Internet habe ich seinerzeit die Offerte entdeckt", erinnert sich Ralf Weber. "Daraufhin habe ich den damaligen Eigentümer angerufen und ein längeres Gespräch mit ihm geführt. Danach wollte ich das Ganze erst einmal sacken lassen." Nachdem Ralf Weber die Sache überdacht hatte, fand er die Internet-Offerte nicht mehr: Der seltene S-Klasse-Benz war von der Angebotsseite verschwunden. Einige Wochen später tauchte das Angebot überraschend wieder auf. Diesmal zögerte der Mercedes-Fan aus dem hessischen Hofheim nicht lange: "Bei einem weiteren Telefonat habe ich den Verkäufer nach seiner Preisvorstellung gefragt, ihm dann ein Gegenangebot gemacht - und ihm anschließend sofort einen Scheck per Post geschickt", erinnert sich Weber und ergänzt: "Als ich danach zu meiner Frau ins Wohnzimmer kam, muss ich ausgesehen haben wie ein Kater, der gerade den Kanarienvogel verputzt hat."

Kurze Zeit später reiste Ralf Weber in die Audi-Metropole, um seine Neuerwerbung abzuholen. Der Achtzylinder hatte etwas mehr als 200.000 Kilometer hinter sich. Doch Leistung war dem Auto offenbar nie abverlangt worden, dafür war das serienmäßige Fahrwerk mit der hydropneumatischen Federung zu weich. Dessen Überarbeitung war die erste Sanierungsmaßnahme nach dem Kauf im Februar 2001 - das hat allein mehr als 5000 Euro gekostet. "Damals kam man mit viel Glück noch an alle notwendigen Teile (die ja auch im W 116 450 SEL 6.9 Verwendung fanden) - heute ist vieles davon bereits nicht mehr lieferbar", so Weber.

Als störend empfand Weber auch die Kombination des Interieurs. Während sich das Passagierabteil des Benz in hellem Leder präsentierte, war der Gepäckraum mit dunkelgrünem Stoff ausgeschlagen: "Richtig förstermäßig sah das aus - und musste unbedingt geändert werden." Der beauftragte Sattlerbetrieb passte das Heck dem Rest des Innenraums an. Als die Innenverkleidungen ausgebaut waren, fiel dem Eigentümer auf, dass man es bei Zender offenbar an der handwerklichen Qualität des Umbaus hatte fehlen lassen: "Alles, was nicht im Sichtbereich lag, war ziemlich lieblos zusammengestückelt worden. Deshalb habe ich mich schon damals entschlossen, den Wagen irgendwann einmal zu restaurieren."

Ein Nackter unter Nonnen

Dieses Projekt hat Ralf Weber inzwischen in Angriff genommen. Zuvor aber ist er mit dem Benz gefahren, insgesamt bisher rund 15.000 Kilometer, nach Friesland oder in den Schwarzwald, zumeist zu Treffen des S-Klasse Clubs, zu dessen ältesten Mitgliedern er gehört. Und auf diesen Treffen ist sein grünes Spaßmobil nach wie vor so unauffällig wie ein Nackter unter Nonnen. Kein Wunder, bei nur vier Exemplaren ...

Mercedes 560 SEL (Serienmodell): Bauzeit 1986-1989; Zylinder: 8; Hubraum: 5.547 ccm; Leistung: 300 PS; Höchstgeschwindigkeit 250 km/h; Verbrauch: 13,6 Liter/100km.

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