Blech der Woche (17): Glas Goggo Coupé:Der "Ferrari" aus Dingolfing

Das Goggomobil ist zwar ein sehr kleines Auto, die Sanierung war aber höchst aufwendig: Warum tut man sich das an? Ein Erklärungsversuch.

Arne Seeger (Der_Arne9) hat seit Jahren sein Herz an eine Marke gehängt: Volkswagen. Diverse Käfer sind im Laufe der Jahre durch seine Hände gegangen, drei nennt er bis heute sein eigen. Auch der eine oder andere Polo oder Derby war dabei, ein Karmann-Ghia, ein Feuerwehr-Bus - und zur Zeit baut er sich gerade einen Renn-Käfer auf... Wie passt ein Goggo da hinein?

Blech der Woche (17): Glas Goggo Coupé: Glas Goggomobil Coupé: der "Ferrari" aus Dingolfing

Glas Goggomobil Coupé: der "Ferrari" aus Dingolfing

(Foto: Foto: Carsablanca)

"Gar nicht - und doch ganz prima!" wagt Arne einen Erklärungsversuch. "Ich hatte gerade einen 68er Käfer komplett aufgebaut und wollte mal etwas gänzlich anderes machen. Da bekam ich eine Goggo Limousine angeboten." Die war, schon bevor Arne sie zu sich holte, zu einem halben VW mutiert: Rückleuchten vom alten Käfer, gekürzte Stoßstangen vom Ur-Polo. "Aber das war auf Dauer nichts! Die hinteren Radkästen hatte irgendein Spezialist mit Winkeleisen repariert, also nee...", erinnert sich der gelernte Maurer Kopf schüttelnd. Also kam das rote Minimalauto wieder weg. Doch Arne hatte inzwischen Spaß an dem Kleinst-Vehikel aus Dingolfing gefunden. Deshalb begann er, nach einem Exemplar zu suchen, dass einen Wiederaufbau lohnte. In einem regionalen Anzeigenblatt wurde er fündig.

Was der Dortmunder dann im Hof einer Dachdeckerei im westfälischen Dorsten besichtigte, versetzte ihm zunächst einen Schock: "Die Karosse hatte jemand pinkfarbig gerollt, alle Chromteile gelb übergepinselt. Das Goggo Coupé war zwar komplett und schien bis auf die Einstiegskästen nirgends durchgefault zu sein, war aber trotzdem allenfalls im Zustand vier." Immerhin war der clownmässig gestrichene Autozwerg noch zugelassen, und der Motor sprang nach wenigen Versuchen an. Eine Probefahrt scheiterte allerdings, weil die Bremsen nach der langen Standzeit fest saßen.

Arne Seeger wuchtete das störrische und ziemlich heruntergekommene Rollermobil dennoch auf einen vorsorglich mitgebrachten Trailer und nahm es mit. In der eigenen Schraubergarage ging er dann daran, zunächst die wichtigsten Arbeiten zu erledigen. Er machte die betriebsunwillige Bremsanlage wieder gängig, reparierte die offenkundigen Rostschäden zunächst notdürftig und brachte das Goggomobil durch die seit einem Jahr überfällige TÜV-Prüfung.

Der "Ferrari" aus Dingolfing

Das war im Herbst 1998. "Da musste ich zweimal hin, weil beim ersten Mal die fehlende Warnblinkanlage bemängelt wurde". Nun ist diese inzwischen bekanntermaßen - unabhängig vom Baujahr - längst Vorschrift, aber: "Die ganzen Jahre zuvor hat das offenbar nie einen Prüfer gestört," meint Arne verwundert. Den Grund für seine Vorgehensweise erklärt er so: "Das Coupé war seit seiner Erstzulassung im Jahr 1966 in Erstbesitz und auch noch nie abgemeldet gewesen. Ich wollte einfach den originalen Pappbrief retten."

Anschließend tat Arne, was er sich von Anfang an vorgenommen hatte: Er zerlegte den "Dingolfing-Ferrari" komplett, um ihn dauerhaft zu sanieren. Also nahm Arne zunächst das Häuschen von der Plattform ab und zerlegte es bis auf die Rohkarosse. Dabei traten - wie befürchtet - weitere Schäden zu Tage: Neben den Einstiegen bestanden alle vier Radläufe mehr oder weniger komplett nur noch aus Spachtelmasse, und die vorderen Kotflügelecken hatten ebenfalls nur noch Blätterteig-Konsistenz. Dass beim Goggomobil alle Karosserieteile miteinander verschweißt sind, um die Stabilität zu erhöhen, macht solche Arbeiten nicht unbedingt einfacher. Arne schnitt die angegriffenen Partien großflächig heraus und ersetzte sie durch neue Reparaturbleche, die er teilweise selbst anfertigte.

Das Triebwerk des Coupés machte wenig Probleme, war es doch bis zum Schluss problemlos gelaufen. Dennoch zerlegte Arne Seeger den kleinen Zweitaktmotor - zur Kontrolle. Auch der originale Schrägvergaser aus dem Hause Bing erhielt neue Dichtungen, die Düsenbestückung ließ Arne unverändert. Das mit dem Motor verblockte Getriebe blieb ebenfalls im Urzustand, lediglich die Kupplung bekam neue Beläge. Die Motorverblechung ließ Arne Seeger strahlen, genau wie die Felgen und die mit Farbe verdorbenen Stoßstangen, deren Chrom sich als unrettbar erwiesen hatte. Anschließend ließ er die Teile mit Kunststoff beschichten: Die Verblechungen für den Heckmotor in schwarz, den Rest in silbergrau.

Das Fahrwerk fand Arne in verblüffend gutem Zustand vor. Nachdem der originale Tachostand gerade einmal 54.000 Kilometer betrug, verwunderte ihn das nicht besonders. Hier konnte er es bei einer optischen Auffrischung belassen. Schließlich war das Rollermobil aus dem bayerischen Dingolfing technisch und blechmäßig wieder gesund.

Der "Ferrari" aus Dingolfing

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Dieser Artikel basiert auf einer Kooperation von sueddeutsche.de mit carsablanca.de.

Nun ging es um die Farbauswahl. Die Entscheidung fiel auf eine Lackierung in azurblau mit chamonixweißem Dach. Das dürfte sogar die originale Farbzusammenstellung bei Auslieferung des kleinen Coupés gewesen sein - entsprechende Farbreste fanden sich zum Beispiel innen an den hinteren Seitenteilen und am Dach. Den Farbauftrag erledigte eine Fachwerkstatt, sämtliche Vorarbeiten hatte Arne zuvor selbst ausgeführt.

Das Ergebnis war denn auch tadellos. Zusammen mit dem Interieur aus rotem Kunstleder ergab sich die farbenfrohe, originale Optik. Sie wird komplettiert durch zeitgenössische Accessoires, vom kugelförmigen Zusatzlautsprecher auf der Hutablage über die Blumenvase am Armaturenbrett bis zum Aufkleber vom österreichischen Felbertauerntunnel in der Panorama-Heckscheibe.

Als das kleine Coupé dann auf neuen Weißwandreifen stand - sie rissen seinerzeit mit rund 1000 Mark für den Satz ein unerwartet großes Loch ins Salär rissen -, schlug Arnes Herz doch höher. "Man sollte nicht meinen, dass so ein kleines Auto so viel Arbeit machen kann - und dabei war das hier noch eine ordentliche Basis", wundert er sich noch nachträglich.

Doch bereut hat der Dortmunder die Investition keineswegs. Sein Goggo Coupé erweist sich als Sympathieträger, wo immer der 1,90 Meter große Mann mit ihm auftaucht. "Die Leute wundern sich immer, wie ich großer Kerl in so eine kleine Kiste passe", lacht Arne. Dabei hat er für seine langen Beine jede Menge Platz, denn der wird bekanntermaßen erst durch das Frontblech begrenzt. Mit passiver Sicherheit war es halt in den fünfziger Jahren - als das Goggo Coupé konstruiert wurde - nicht weit her...

Glas Goggomobil Coupé T250: Bauzeit 1955-1969; Zylinder: 2; Hubraum: 247 ccm; Leistung: 14 PS; Höchstgeschwindigkeit 84 km/h; Verbrauch: 4,8 Liter/100km

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