Süddeutsche Zeitung

Black Cabs mit E-Motor:Die ersten Londoner Taxis fahren elektrisch

Statt mit lautem Dieselknattern summen immer mehr Black Cabs durch London. Die Fahrer sind überzeugt, die Fahrgäste auch. Bald sollen die Taxis exportiert werden - auch nach Deutschland.

Von Björn Finke, London

Leise fährt das Taxi an, zu hören ist nur ein Summen. Es schert in den Londoner Verkehr ein. Der Innenraum für die Passagiere hinten bietet viel Platz; sechs Gäste können sich gegenübersitzen anstatt fünf. So ist es in den früheren Modellen der Black Cabs, der berühmten - und meist schwarzen - Londoner Droschken. An den Seiten der Sitze befinden sich Strombuchsen zum Aufladen von Handys. Auffälligste Neuerung: Das Dach ist aus Glas, damit Touristen bei Fahrten durch die Straßenschluchten der Kapitale mehr sehen können. Und anstelle eines lauten Dieselmotors treibt ein Elektroaggregat dieses Taximodell an.

Auf einer ständig verstopften Straße am Regent's Park zeigt die Ampel Rot. Ein Mofafahrer, der auf der Nebenspur wartet, zückt sein Handy und fotografiert den Wagen. Taxifahrer Patrick Follen ist derartige Aufmerksamkeit gewohnt. "Vom Bürgersteig zeigen Mütter mit Kindern auf mich. Und einmal verfolgte mich ein Taxifahrer zehn Meilen weit, um mir bei einem Stopp Fragen zu stellen", sagt er. Sein schwarzes Taxi fällt eben auf, weil es leise ist und kantiger als bisherige Black-Cab-Modelle.

Die Batterie liefert Strom für bis zu 129 Kilometer. Bei längeren Fahrten lädt ein Benzinmotor sie wieder auf - das neue Taxi hat einen Hybridantrieb. Der Produzent der traditionsreichen Black Cabs, die Firma LEVC aus dem englischen Coventry, entwickelte dieses Modell namens TX, um nicht aus dem wichtigsten Markt ausgesperrt zu werden: London. Die 8,8-Millionen-Stadt leidet unter schlechter Luft. Deswegen lässt die Verkehrsbehörde seit Januar nur noch Taxis neu zu, die mindestens 48 Kilometer am Stück ohne Abgase fahren können, also elektrisch. Die Black Cabs mussten grün werden.

LEVC, eine Tochter des chinesischen Geely-Konzerns, lieferte das erste Hybridmodell vor anderthalb Wochen aus. Einige Hundert Fahrzeuge seien bereits bestellt worden, sagt ein Sprecher, die allermeisten von Chauffeuren aus London. Die geräumigen Taxis, in die ein Rollstuhl oder Kinderwagen ungefaltet hineinpasst, sollen aber auch andere Städte im In- und Ausland erobern. Viele Metropolen weltweit wollen den Kampf gegen Smog verschärfen, diskutiert wird über Fahrverbote für Dieselautos. Davon möchte der Anbieter der umweltfreundlichen Taxis profitieren. Aus den Niederlanden lägen schon 225 Bestellungen vor, heißt es, und von Sommer an sollen die grünen Black Cabs in Deutschland verkauft werden, zum Start in Berlin, Stuttgart und München.

Verbrenner von Volvo, E-Motor von Valeo Siemens

Der Benzinmotor zum Aufladen stammt von Volvo - die Firma gehört ebenfalls zu Geely -, der Elektroantrieb vom deutschen Zulieferer Valeo Siemens. Die Chinesen haben den Hersteller der berühmten Dieseltaxis 2013 für elf Millionen Pfund aus der Insolvenz gekauft. Dann investierten sie 325 Millionen Pfund, um die Hybridvariante zu entwickeln und eine Fabrik mit Forschungszentrum bei Coventry hochzuziehen. Zudem benannte Geely das Unternehmen um: von London Taxi Company zu London Electric Vehicle Company (LEVC). Das alte Werk für die Dieseldroschken wurde geschlossen, der Anbieter fertigt sie nicht mehr.

Taxichauffeur Follen erhielt sein Hybridmodell bereits im Herbst, als Testfahrer. Der Brite, der seit 20 Jahren hinter dem Lenkrad von Black Cabs sitzt, kutschierte Passagiere durch London und schilderte der Firma seine Erfahrungen. Kritik von Follen und anderen Testteilnehmern führte zu kleineren Änderungen. So hat die Glaswand, die den Passagierbereich vom Chauffeur trennt, ein Loch, um Geld durchzureichen. "Das war anfangs zu groß", sagt Follen. Kriminelle hätten ihn durch das Loch angreifen können. Nun ist es schmaler.

Seine alte Dieseldroschke vermisst er nicht, im Gegenteil. Die sei "kein Vergleich" zum neuen Modell, sagt er. Der Fahrersitz im Hybridtaxi sei viel bequemer, und das Dieselauto sei laut und um Einiges teurer im Unterhalt. Follen lädt die Batterie des grünen Taxis über Nacht zu Hause an der Steckdose auf. Wenn er Passagiere nur in der Innenstadt herumkutschiere, genüge die Reichweite der Batterie. Bei Touren raus zu den Londoner Flughäfen müsse der Benzinmotor einspringen.

Strom ist deutlich billiger als Diesel, und auch der Benzinantrieb verbraucht weniger als die Dieselmotoren der früheren Modelle. Durch den Umstieg vom Diesel- auf das Hybridtaxi spare ein durchschnittlicher Fahrer daher 110 Euro Treibstoffkosten pro Woche, rechnet LEVC vor. Die Wartung sei ebenfalls günstiger.

Dafür ist der Preis höher: Die Regierung subventioniert den Kauf grüner Taxis mit umgerechnet 8550 Euro. Trotzdem sind für den TX immer noch 63 400 Euro fällig, 11 400 Euro mehr als für die nicht mehr produzierte Dieselvariante. Die Ersparnis beim Sprit gleicht das nach wenigen Jahren aus. Fahrer sparen jedoch vor allem dann, wenn sie allein mit Strom unterwegs sind, ohne Hilfe des Benzinmotors. Damit das funktioniert, muss es ausreichend viele schnelle Ladesäulen geben.

Das LEVC-Modell hält als einziges die Ökostandards ein

Solche Stromtankstellen können eine Batterie in einer halben Stunde aufladen, etwa während der Chauffeur Mittagspause macht. Der Londoner Taxifahrer-Verband klagt, es seien bei Weitem nicht genügend Säulen im Zentrum installiert. Auch der Sprecher von LEVC sagt, eine bessere Lade-Infrastruktur sei entscheidend für den Erfolg in der Kapitale. Die Verkehrsbehörde der Stadt verspricht, bis Ende des Jahres würden 150 schnelle Säulen in Betrieb sein und 2020 sogar doppelt so viele.

In London sind 21 400 Taxis angemeldet: 90 Prozent sind Dieselmodelle von LEVC, der Rest entfällt auf den kleineren englischen Taxihersteller Metrocab und auf umgebaute Mercedes Vitos, also Kleintransporter. Nur sie erfüllen die "Conditions of Fitness", einen Kriterienkatalog der Verwaltung, der etwa den engen Wendekreis vorschreibt. Da ausschließlich Hybrid- und Elektromodelle neu zugelassen werden, sollen in drei Jahren bereits 9000 Taxis ohne Abgase herumsummen, hofft die Verkehrsbehörde. Dieseldroschken werden nach und nach das Ende ihrer erlaubten Betriebszeit erreichen. Bisher ist aber LEVCs grünes Modell das einzige Londoner Taxi, das die Ökostandards einhält.

Die Konkurrenz wächst

Der Rivale Metrocab, der einem indisch-britischen Geschäftsmann gehört, will allerdings "möglichst schnell" ein Hybridauto auf den Markt bringen, wie ein Sprecher sagt. Zudem möchte ein neuer Anbieter bis Sommer ein reines Elektrofahrzeug einführen. Die Dynamo Motor Company aus Coventry hat Nissans Elektromodell Evalia so umgebaut, dass es die Vorgaben für Londoner Taxis erfüllt. Es lägen mehr als 100 Bestellungen vor, sagt ein Sprecher, und mit umgerechnet 48 500 Euro sei das Auto viel billiger als der TX.

Der Daimler-Konzern präsentierte im November eine Elektrovariante des Kleintransporters Mercedes Vito. Diesel-Vitos werden in London nicht mehr als Taxi zugelassen. Das Unternehmen prüft nach eigenen Angaben gerade, ob auch der Elektro-Vito gut zu einem Londoner Taxi umgebaut werden könnte. In Zukunft werden also drei oder vier grüne Taximodelle durch die Stadt summen. Leise und ohne Abgase.

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Quelle:
SZ vom 03.02.2018/harl
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