Black Cabs:Londons Taxis fahren bald elektrisch

Sculpture of a taxi stands outside The London Taxi Company's new facility near Coventry

Vor der neuen Fabrik der London Taxi Company steht eine Skulptur mit den Umrissen des berühmten Black Cabs. Das Werk produziert ausschließlich Elektrofahrzeuge.

(Foto: Reuters)

Die Black Cabs sind ein echtes Wahrzeichen. Mit dreckigem Dieselmotor. Der Nachfolger hat einen Hybridantrieb und soll auch im Ausland Fahrgäste chauffieren.

Von Björn Finke, Ansty

Eine Plattform summt durch die große Fabrikhalle. Auf ihr ist eine Autokarosserie befestigt, die nun automatisch zur nächsten Station der Produktionsstraße gebracht wird. Auf ihrem Weg folgt die Plattform einem Band auf dem Boden. Das Autoskelett ist schwarz lackiert, der Innenraum ist ungewöhnlich geräumig.

Kein Zweifel: Hier, im Dorf Ansty am Stadtrand von Coventry, wird eins der berühmten Londoner Taxis gebaut. Jene knubbeligen Ikonen, die zur Hauptstadt gehören wie Big Ben, das wechselhafte Wetter und deutsche Schüler auf Klassenfahrt. Am Rand der Halle ragt ein Hochregallager für Einzelteile fast bis zur Decke. Jedes der Black Cabs, wie die meist schwarzen Droschken genannt werden, besteht aus 2000 Teilen.

Doch noch sind die Regale gähnend leer. Die Serienfertigung beginnt erst im September, im Moment montieren Arbeiter und Roboter Probefahrzeuge. Sie trainieren, damit im Spätsommer alles glattläuft. An einer Station wird die schwebende Karosserie auf Achsen und Antrieb herabgelassen und damit verbunden. "Hochzeit" heißt das. Die Arbeiter ermitteln gerade die optimale Höhe, in der die leichte Aluminium-Karosserie ihre Hochzeit beginnen soll.

Die moderne und blitzblanke Fabrik hat der Hersteller der Black Cabs, die London Taxi Company (LTC), extra für dieses neue Modell, den TX5, hochgezogen. Der Vorgänger TX4 wird in einem kleineren Werk in Coventry gebaut, doch dort ist bald Schluss. Denn das kleinere Werk fertigt Dieseltaxis, und die haben im wichtigsten Markt, London, wegen neuer Regeln gegen Luftverschmutzung keine Zukunft mehr.

Die englischen Ikonen sind jetzt in chinesischer Hand

Der Nachfolger TX5 dagegen ist ein Hybridauto. Das Fahrzeug summt mit Elektroantrieb durch die Stadt, ohne die Luft zu verpesten. Ein Benzinmotor schaltet sich nur ein, wenn wider Erwarten unterwegs die Batterie erschöpft ist. Die berühmten Black Cabs werden grün.

Eigentümer der Firma ist der Autokonzern Geely - die englischen Ikonen sind also in chinesischer Hand. Vor der Fabrik weht darum neben der britischen die chinesische Flagge. Geely kaufte den Taxi-Spezialisten 2013 für elf Millionen Pfund aus der Insolvenz. Nun investierten die Chinesen 325 Millionen Pfund (380 Millionen Euro) in das Werk und ein Entwicklungszentrum in Ansty sowie in das Design der Fahrzeuge. Allein die Fabrik ist größer als vier Fußballfelder, insgesamt sollen an dem Standort mehr als 1000 Menschen arbeiten. Konnte das alte Werk 1500 Dieseldroschken im Jahr bauen, sind es in Ansty mehr als 20 000 Elektrosummer. Die will LTC weltweit verkaufen; die geräumigen Taxis mit ihrer unverwechselbaren Silhouette sollen auch in deutschen Städten herumkutschieren.

Der Aufsichtsrats-Chef von LTC kennt den deutschen Markt: Carl-Peter Forster war Chef von Opel, als die GM-Marke vor acht Jahren ums Überleben kämpfte. Nun sitzt er im Aufsichtsrat von Geely, von Geelys schwedischer Tochter Volvo und eben bei LTC. "Wir werden das Hybridtaxi erst in London einführen, dann in anderen britischen Städten, dann in Europa und schließlich weltweit", sagt der 62-Jährige. Wie hoch der Exportanteil sein soll oder wann die Fabrik voll ausgelastet sein wird, verrät er nicht. "Aber wir machen mit diesem Werk schon bei sehr geringen Stückzahlen Gewinn", sagt er.

Der Kriterienkatalog ist 13 Seiten stark

Londons Verkehrsbehörde lässt von Januar an nur noch Taxis neu zu, die ausreichend weit ohne Abgase fahren können - und das heißt elektrisch. Daher ist der TX5 überlebenswichtig für LTC. 90 Prozent der 21 200 Taxis in London stammen aus Coventry. Daneben kreuzen umgebaute Mercedes Vitos, also Kleintransporter, herum sowie Wagen des kleinen Herstellers Metrocab. Nur sie erfüllen die "Conditions of Fitness", einen 13-seitigen Kriterienkatalog der Verwaltung, der etwa den engen Wendekreis festschreibt oder die Anforderung, dass Rollstuhlfahrer bequem in die Wagen rollen können.

Der Staat subventioniert den Kauf eines Elektrotaxis mit bis zu 8800 Euro. Außerdem sollen die laufenden Betriebskosten des TX5 niedriger sein als beim Dieselmodell. Den Preis gab LTC nicht bekannt.

LTC hat Stuttgart und Amsterdam im Blick

Da auch andere Großstädte gegen Luftverschmutzung vorgehen wollen, sieht Manager Forster weltweit gute Chancen für das grüne Taxi. "Wir hätten kein besseres Umfeld für den Start treffen können", sagt er. Sogar eine Stadt im Südwesten Deutschlands, Heimat großer Autofirmen, plane bei Smog ein Fahrverbot für manche Dieselautos, sagt er süffisant - und meint Stuttgart, wo Daimler und Porsche residieren. Und am Amsterdamer Flughafen Schiphol dürfen nur Elektroautos den Taxistand ansteuern.

Allerdings haben Taxichauffeure in vielen Städten mit der Konkurrenz durch den Fahrdienst Uber zu kämpfen, der meist billiger ist als ein reguläres Taxi. In London etwa stagniert die Zahl richtiger Taxis seit Jahren, während Uber seit dem Start in der Stadt 2012 rasant wächst. Chris Gubbey, der LTC-Vorstandschef, befürchtet jedoch nicht, dass das Taxigewerbe ausstirbt - und damit seine Zielgruppe. "Es wird auf dem Markt immer einen Platz für Uber und für richtige Premium-Taxis geben", sagt der frühere Manager von General Motors (GM).

Nicht nur Taxis, sondern auch Lieferwagen

Trotzdem verlässt sich die Firma nicht ausschließlich auf den Taximarkt. LTC wird in Ansty gleichzeitig kleine Elektro-Lieferwagen fertigen, für Handwerker oder für Paketdienste. Immer mehr Menschen kaufen im Internet ein, und die Sachen müssen in die Wohnung kommen. Wollen Städte Smog bekämpfen, könnten sie auch für diese Transporter strikte Vorgaben einführen. LTC passt für die Lieferwagen einfach nur die Karossiere der elektrischen Black Cabs an, der zusätzliche Aufwand ist überschaubar.

Ein unvorhergesehenes Ärgernis ist der EU-Austritt der Briten. "Wir spüren bereits negative Folgen", sagt Forster. Viele Zulieferteile kommen aus dem Ausland, und der Absturz des Pfundkurses seit Juni macht sie teurer. Das belaste die Gewinne, sagt der Deutsche. Er setze darauf, dass sich London und Brüssel auf einen Handelsvertrag einigen, welcher der Autobranche keine Nachteile beschert. Die Aussicht auf den Brexit "fühlt sich nicht angenehm an, aber es gibt nicht viel, was wir tun könnten", sagt er ein wenig resigniert.

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