Biosprit E10: ein Flop?:Verwirrt vor der Zapfsäule

Die meisten Autofahrer trauen dem neuen E10-Benzin nicht und tanken lieber Super plus - doch das wird nun knapp. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Einführung des neuen Kraftstoffs am Ende floppt.

Michael Bauchmüller und Charlotte Theile

"Wo krieg ich denn hier ganz normales Super?" Sheremet Braha, 43, ist verwirrt. V-power, V-power racing, Super E10 bleifrei: Die Produktbezeichnungen bei seiner Shell-Tankstelle im Osten Münchens versteht er einfach nicht mehr.

Umstellung auf Bio-Benzin

Nicht jedes Auto verträgt das neu E10 - die Kunden tanken deshalb lieber altbewährten Sprit. Auch wenn er teurer ist.

(Foto: picture alliance / dpa)

Tankwart Serkan Zorlu rät ihm zu V-Power - falsch machen kann man damit schon mal nichts. Und so gibt Braha, wie derzeit viele Deutschen, unnötig 1,599 Euro pro Liter aus - dabei würde sein 16 Jahre alter Ford Escort den neuen Biosprit "Super E10 bleifrei" problemlos vertragen, Preis: 1,519.

Aber wer weiß schon so genau, ob E10 nicht doch dem Motor schadet, dann lieber V-power. Nie tankten die Deutschen so begierig den teuersten Sprit.

Seit Anfang dieses Jahres gibt es den E10-Kraftstoff - nur: Kaum einer macht mit. Zwei von drei Autofahrern greifen lieber zu "Super plus" & Co, auch wenn es an die acht Cent teurer ist.

Deutschlands Autofahrer sind verunsichert - plötzlich ist alles eine Frage der richtigen Mischung. Denn die beiden Sorten enthalten unterschiedlich hohe Anteile an Bioethanol.

Der Treibstoff, gewonnen aus Weizen, Mais oder Rüben, macht bei Super E10 zehn Prozent aus, bei Super plus hingegen nur die Hälfte. Für manche Autos ist der herkömmliche Sprit dadurch bekömmlicher, denn Ethanol kann Aluminiumteile im Motor angreifen - allerdings nur in ganz bestimmten Autos.

Nur bei sieben Prozent aller Autos raten die Hersteller vom neuen Sprit ab

Lange hielt sich die Automobil-Industrie mit festen Zusagen zurück, welche Fahrzeuge Probleme bekommen könnten und welche nicht. Keiner wollte am Ende schuld sein, sollte ein Motor wegen E10 schlappmachen. Inzwischen aber haben alle Hersteller ihre Fahrzeuge getestet.

Ergebnis: Die allermeisten Autos und Motorräder könnten problemlos E10 tanken, eine eigens aufgesetzte Liste der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) führt die Ausnahmefälle auf. Nur bei sieben Prozent aller Autos raten die Hersteller von dem neuen Sprit ab; unter deutschen Fahrzeugen hat nach Angaben des Automobil-Verbands VDA nur jedes hundertste ein Problem damit.

Doch die Unsicherheit bleibt. "Bei vielen Kunden herrscht jetzt Verwirrung", sagt Elmar Kühn, Chef des Tankstellenverbands Uniti. "Und wenn ich verwirrt bin, was mache ich dann? Ich bleibe beim Altbewährten." Denn lange trauten sich auch viele Tankstellenbetreiber nicht, den Sprit offensiv zu preisen - ebenfalls aus Angst, womöglich das Falsche zu empfehlen und später zu haften.

Die Bundesregierung, die erst im vorigen Herbst die Einführung der neuen Sorte beschlossen hatte, überließ die Einführung allein der Branche. Das zuständige Bundesumweltministerium ließ zwar Millionen Faltblätter drucken, hielt sich aber ansonsten zurück.

Dies sei schon Aufgabe der Wirtschaft, teilte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) den Koalitionsfraktionen mit. Die Mineralölkonzerne hätten "weder sich selbst noch ihre Kunden" auf den neuen Sprit vorbereitet. Was wieder die Firmen bestreiten.

Und so schiebt einer dem anderen den Schwarzen Peter zu - während sich die Probleme kaskadenförmig fortpflanzen. Bislang ist knapp jede zweite der 15.000 deutschen Tankstellen umgerüstet.

Die Lager der Raffinerien sind voll - Überschüsse sollen exportiert werden

In Erwartung großer E10-Nachfrage haben die meisten ihren größeren Tank mit dem neuen Kraftstoff befüllt, den kleineren hingegen mit Super plus, dem Sprit mit nur fünf Prozent Ethanol-Anteil.

"Deshalb gibt es jetzt auch ab und zu Leerstände an den Tankstellen", sagt Klaus Picard, Geschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes MWV. Dann ist Super plus alle. Kam sonst der Tanklaster nur alle zwei, drei Tage, muss er derzeit teils dreimal am Tag nachfüllen. Und je mehr Tankstellen umgerüstet werden, desto enger wird es beim Super-plus-Sprit.

Probleme entstehen auch in den Raffinerien: Sie haben sich auf die Produktion von E10 eingestellt, bleiben aber nun auf dem Kraftstoff sitzen, und die Lager sind voll. Schon Ende der Woche, so Picard, werde eine erste Raffinerie die Produktion drosseln. Andere versuchten fieberhaft, Überschüsse zu exportieren.

Nicht ausgeschlossen, dass die Einführung des neuen Kraftstoffs am Ende floppt. Ursprünglich sollte er helfen, die ungebrochen hohen Kohlendioxid-Emissionen des Verkehrs zu senken. Sollte sich die Lage an den Tankstellen aber nicht entspannen, bliebe nur die Rückkehr zur alten Quote.

Zwar verlangt der Gesetzgeber die höhere Beimischung von zehn Prozent. Allerdings könnten sich die Mineralölfirmen freikaufen, indem sie eine Pönale hinnehmen - die zwangsläufig den Sprit verteuern würde.

Tankwart Zorlu, immerhin, tankt jetzt E10. "Ich hab mich informiert", sagt er. "Mein Auto verträgt das." Nun muss er nur noch die anderen informieren.

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