Biobenzin E10:Flop an der Tanksäule

Weil sich der neue Sprit E10 nicht gut verkauft, stoppen die Mineralöl-Firmen seine weitere Einführung. Bundeswirtschaftsminister Brüderle will einen "Benzin-Gipfel" einberufen, auch die Landwirte machen jetzt mobil.

Michael Bauchmüller

Auch Aral hat erst einmal die Reißleine gezogen. "Auf unbestimmte Zeit" will Deutschlands größte Tankstellenkette mit der Umstellung weiterer Stationen in Nordrhein-Westfalen warten.

17.02.2011, Das neue Benzin E10

Markteinführung misslang: Autofahrer sind verunsichert und meiden den neuen Bio-Kraftstoff. Das bringt logistische Probleme.

(Foto: MIS)

Anders als eigentlich geplant sollen sie keinen Sprit mit zehn Prozent Ethanol-Beimischung verkaufen, den "Super E10". "Die deutschen Autofahrer haben E10 erst einmal eine Absage erteilt", heißt es bei dem Mineralölkonzern. Die Situation sei "etwas ungewöhnlich."

Seit Anfang des Jahres sollte der neue Sprit schrittweise eingeführt werden. Die Idee war, Rohölimporte und Kohlendioxid-Ausstoß zu vermindern. Nur machen die meisten Autofahrer bisher nicht mit. Dort, wo sie die Wahl haben zwischen dem E10-Sprit und Benzinsorten mit höchstens fünf Prozent Ethanol, greifen die meisten zu letzterem.

Bis zu zwei Drittel der Autofahrer zahlen lieber bis zu acht Cent mehr je Liter, um weniger Ethanol zu tanken - aus Angst vor Motorschäden. Dabei haben die Autohersteller längst Entwarnung gegeben: Neun von zehn Autos haben kein Problem mit dem höheren Ethanol-Gehalt. Ohne weiteres könnten sie E10 tanken. Doch die meisten wissen es schlicht nicht.

Jetzt wollen die Mineralölfirmen die weitere Einführung des neuen Kraftstoffs erst einmal aussetzen. Das System platze sonst, sagt Klaus Picard, der Chef des Mineralölwirtschaftsverbandes MWV.

Denn auf Autofahrer, die den neuen Sprit nicht wollen, war die Branche offenbar nicht vorbereitet. Seit Wochen werden die Tankstellen umgerüstet, Schritt für Schritt. Aral etwa hat erst im Osten und Süden des Landes Zapfsäulen und Tanks für den neuen Sprit vorbereitet, bundesweit sind mittlerweile rund 7000 Tankstellen E10-tauglich - knapp die Hälfte aller Stationen.

Weil aber viele Autofahrer nicht den neuen Kraftstoff mit 95 Oktan und zehn Prozent Ethanol tanken, sondern lieber teures "Super plus" oder "V-power" mit 98 Oktan, stehen die Tankstellen vor logistischen Problemen. Den teuren Premium-Kraftstoffen ist meist nur ein relativ kleiner Tank vorbehalten, ergo müssen die Tanklaster nun öfter mit Nachschub anrücken.

Bauern fürchten um ihr Einkommen

Einzelnen Tankstellen ging der teure Sprit zwischenzeitlich sogar aus. Derweil sitzen viele Raffinerien auf überschüssigem E10-Kraftstoff. Laut dem Verband MWV muss womöglich noch diese Woche eine Raffinerie die Produktion drosseln - mangels Nachfrage. Andere Raffinerien werden auf die Herstellung von E10 gar nicht umgestellt.

Es geht um viel Geld. Verkaufen die Mineralölfirmen nicht genug Ethanol, drohen Strafen. Gleichzeitig aber fürchten Tankstellen, die bereits auf E10 umgestellt sind, sie könnten Kunden verlieren - an jene, die noch alten Super mit fünf Prozent Ethanol anbieten, zum niedrigeren Preis. Es droht ein Flop.

Das wiederum ruft die Bauern auf den Plan. Denn der neue Sprit, hergestellt aus Weizen oder Zuckerrüben, verspricht gute Geschäfte: "Die Erzeugung von Biokraftstoffen ist ein wichtiger Wirtschaftszweig", sagt Bauernpräsident Gerd Sonnleitner, "gerade für die Landwirtschaft."

Viele Bauern haben ihre Betriebe inzwischen auf Biokraftstoffe umgestellt - nun bangen sie um den Absatz. Die Tankstellen-Branche müsse "endlich aktiv über E10 aufklären", fordert Sonnleitner. Das freilich hat sich bisher so mancher Tankwart gespart, aus Angst, den falschen Sprit zu empfehlen.

Eine Liste jener Fahrzeuge, die ihn nicht vertragen, gibt es zwar - allerdings bislang nur im Internet (http://www.dat.de/e10liste/e10vertraeglichkeit.pdf). An den Tankstellen wird sie gerade erst ausgelegt.

Auch für die Bundesregierung könnte die E10-Einführung so zur großen Schlappe zu werden. Zwar ist es ganz alleine Sache der Mineralölfirmen, ihre gesetzliche Biosprit-Quote zu erfüllen - E10 ist nur ein möglicher Weg dazu. Hinter vorgehaltener Hand reden manche Firmen aber auch schon über die Alternative: die Zahlung von Strafen.

Und weil diese Kosten sicher an die Kunden weitergereicht würden, würde dies letztlich wie eine versteckte Erhöhung der Mineralölsteuer wirken. Und das kommt derzeit gar nicht gut an.

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