Bimota Motorräder:Ferraris auf zwei Rädern

Italiens kleinster Motorradhersteller baut die stärksten Serienmaschinen der Welt

(SZ vom 15.04.1992) Regen und unfreundliche Kälte in Deutschland, da war Rom mit strahlendem Sonnenschein genau das richtige Pflaster, um die brandneuen Bimota-Modelle vorzustellen. Mit seinen 40 Angestellten produziert der Motorradzwerg aus Rimini an der oberitalienischen Adriaküste rund 500 Edelrenner pro Jahr - sechs Modelle, die in liebevoller Handarbeit aufgebaut werden. Neu in der Familie sind die Biposto, ein Zweisitzer, und die Furano, ein rassiges Sportmotorrad, das man fast zwangsläufig mit dem F 40 von Ferrari vergleichen muß: Muskeln, nichts als Muskeln, und kein Gramm Fett zuviel.

Wenden wir uns zunächst dem sportlichen Spitzenmodell der Italiener zu - der Furano. Sie ist das derzeit stärkste Serienmotorrad der Welt und leistet nach Werksangaben stolze 121 kW (164 PS). Es ist schon beinahe berauschend, wie der von einer elektronischen Einspritzanlage befeuerte Motor jede noch so kleine Gasgriffbewegung vehement und ohne die geringste Verzögerung in Beschleunigung umsetzt. Soviel vorab - dieses Motorrad gehört nur in erfahrene Hände.

Probleme mit der Einspritzanlage, wie sie zum Beispiel die Bimota YB 4 hatte, gibt es bei der Furano nicht. Daß eine solch hohe Motorleistung nicht mit einer auf geringen Verbrauch abgestimmten Einspritzung und zugestopften Schalldämpfern zu realisieren war, liegt auf der Hand. Die Furano genehmigt sich auf 100 Kilometer rund zwei Liter mehr Benzin als die hauseigene Konkurrenz mit herkömmlichen Vergasern.

Bei der Abstimmung der Federelemente wird deutlich, wozu die Furano taugt. Für Bummelfahrten durch die Stadt sicherlich nicht, dafür ist sie zu ungestüm. Eher schon für die Tour auf gut ausgebauten Landstraßen oder für ein paar schnelle Runden auf der Rennstrecke.

Absolute Referenzklasse ist der stabile Geradeauslauf der Furano. Meist leidet die Handlichkeit, wenn ein Motorrad so unbeirrbar gut geradeaus läuft. Nicht so bei dieser Bimota. Sie ist mit ihren 180 Kilogramm Trockengewicht ein Musterknabe in schnellen Wechselkurven. Nur wenn Spurrillen überfahren werden müssen, benimmt sie sich etwas störrisch. Eine der Ursachen für diese Eigenart sind die zwölf und 19 Zentimeter breiten Vorder- und Hinterradreifen des Typs High- Sport von Michelin. Ein wahres Gedicht sind dagegen die Bremsen. Leicht zu dosieren und ohne jegliches Fading verzögern die neuen Bremszangen die schwimmend gelagerten Bremsscheiben von Brembo aus Italien.

Für Aufsehen ist in jedem Fall gesorgt, denn die Furano wird nur 100 Mal gebaut. An teuren und edlen Werkstoffen hat Bimota nicht gespart. Seien es nun die schmale Silhouette der Verkleidung oder die wunderschönen Radabdeckungen aus Kohlefaser und Kevlargewebe. Doch diese Perfektion hat einen stolzen Preis: 54 300 Mark. Also doch ein Ferrari auf zwei Rädern.

Jahrzehntelang gab es bei Bimota ein ungeschriebenes Gesetz: Es wurden nureinsitzige Motorräder gebaut. Seit die zweisitzige Bellaria im vergangenen Jahr auf den Markt kam, ist das Lager der Bimota-Liebhaber gespalten. Und genau für diese lautstarke Opposition wurde die Biposto geschaffen. Biposto heißt auf deutsch Zweisitzer. Als Vorbild für diesen neuen Typ diente die Dieci, die von der Sitzposition ein gelungener Kompromiß zwischen Tourer und Sportler ist. Die Biposto ist die konsequente Fortsetzung des neuen Trends bei Bimota. Auf der Biposto sitzt man wie angegossen - entspannt und unverkrampft, auch nach 200 Kilometern Fahrt. Und selbst die Fahrwerksabstimmung ist gelungen. Die Upside-down-Telegabel, diesmal von Marzocchi aus Italien, läßt sich zwar nicht in der Federbasis verstellen, doch dafür kann über je ein Stellrad die Zug- und Druckstufendämpfung beeinflußt werden. Sie spricht sehr feinfühlig auch auf kleine Bodenunebenheiten an und federt selbst bei groben Stößen nicht durch. Das hintere Zentralfederbein stammt von Öhlins und paßt ganz ausgezeichnet zur italienischen Gabel. Zudem läßt es sich im Gegensatz zu den bisher verwendeten Marzocchi-Typen schnell und unkompliziert auf Zweimannbetrieb umstellen. Ärgerlich an der Biposto ist eigentlich nur, daß der Sozius unnatürlich zusammengekauert auf seinem spartanischen Sitzpolster hocken muß.

Der Motor der Biposto ist ein alter Bekannter und kommt direkt von Yamaha aus Japan. Sein Gemisch wird jedoch über vier serienmäßige Fallstromvergaser aufbereitet. Trotzdem beziffert Bimota seine Leistung nach werkseigenem Feintuning auf 110 kW (149 PS) bei 10 000/min. Der Leistungsunterschied im Vergleich zur Furano war auf den engen Teststräßchen außerhalb von Rom jedoch nur akademischer Natur. Auffallend war aber, mit welcher Leichtigkeit sich die neue Biposto bewegen läßt, zumal ihr Rahmen und die Felgen aus dem gleichen Regal stammen wie die der Furano. Gleiches gilt auch für die Bedienungselemente, Schalter und Armaturen sowie die exzellenten Bremsen. Ihr Äußeres ist harmonisch und typisch italienisch gestylt. Tank und Verkleidung verschmelzen zu einer Einheit und verleihen ihr einen unverwechselbaren Charakter. Der zweisitzige Traum kostet 43 900 Mark.

Von D. Linnebacher und H. Rebholz

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