Entfernung macht Liebe: Wer kennt sie nicht, die quälenden letzten Minuten auf dem Bahnsteig, wenn der Abschied getan, alles gesagt worden ist, die Zeit für einen Augenblick sich leert, bevor der Zug sich endlich von der Stelle rührt? Sie haben ein Gift in sich, sagt Alfred Polgar, ein Art "Krampf" entsteht, es treten Lähmungserscheinungen des Gehirns und der Zunge ein. Alle Quellen des Gesprächs scheinen wie "festgefroren", der Strom ist ausgeschaltet. Erst recht müssen die einem gewissen Herrn Aghios zusetzen, den sein Schöpfer Italo Svevo zum ersten Mal nach langen Ehejahren allein auf Reisen schickt, in Geschäftsangelegenheiten von Mailand nach Triest. Denn er kann es kaum erwarten, kann seine Frau loszuwerden, um seine Reise anzutreten, von der er sich ein winziges Stück Freiheit erhofft, kaum erwarten, "daß das Leben, das heißt die Reise beginnt":
Mit sanfter Gewalt mach sich Herr Aghios von seiner Frau los und ging raschen Schrittes davon, bestrebt, in der Menge unterzutauchen, die am Bahnhofseingang immer dichter wurde.
Es galt, diese Abschiedsszenen zu verkürzen, die bei alten Eheleuten lächerlich wirken, wenn sie sich in die Länge ziehen. (...)
Im Bild: Ein rollender Verpflegungswagen in Mailands Stazione Centrale.
Foto: Bettmann/CORBIS