Beruf Autoverkäufer:"Unseriöse Aktionen können wir uns nicht erlauben"

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Neuwagen warten auf Kunden: Ein Autoverkäufer braucht Empathie und Selbstbewusstsein.

(Foto: Bloomberg)

"Am Tacho eines Gebrauchtwagens drehen, geht gar nicht": Jörg Simon, Vertriebsleiter in einem preisgekrönten Autohaus, erklärt im Interview, was einen erfolgreichen Autoverkäufer ausmacht und warum viele Kunden heute keine Probefahrt mehr machen.

Von Karin Janker

Jörg Simon, Vertriebsleiter beim Autohaus Grampp in Lohr am Main, weiß, was einen guten Autoverkäufer ausmacht. Das mittelständische Autohaus wurde kürzlich von den Branchen-Magazinen kfz-betrieb und Gebrauchtwagen Praxis aus einer Auswahl von 300 Bewerbern zum besten Autohaus Deutschlands gekürt. Im Interview berichtet Simon von beratungsresistenten Kunden, vom psychologischen Gespür eines Autohändlers und verrät, was Kunden - abgesehen vom richtigen Getränk - zum Kauf bewegt.

SZ.de: Herr Simon, stellen Sie sich vor, ein Mann kommt zu Ihnen ins Autohaus: grauer Pullover, Brille, Seitenscheitel. Welches Auto würden Sie ihm verkaufen?

Jörg Simon: Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Als Autoverkäufer ist es gefährlich, in Schubladen zu denken. Manchmal kommt ein ausgeflippter Typ mit Biker-Lederjacke zu uns und kauft einen Polo. Wichtig ist, als Verkäufer ein Gespür dafür zu haben, was der Kunde will - ob er über den Preis oder über Emotion kauft. Und ihn durch geschicktes Fragen kennenzulernen, zum Beispiel, welche Hobbys er hat. Wer viel Sport macht, dem verkaufe ich dann einen Dachträger mit dazu.

Im Internet können sich Interessenten heute über sämtliche Modelle vorab informieren. Entlastet Sie das?

Tatsächlich glauben Kunden oft schon im Vorhinein zu wissen, was sie wollen. Sie haben Kunden ihre Entscheidung oft schon im Internet getroffen und wollen genau das Auto, das sie online zusammengestellt haben. Selbst, wenn sie noch nie dringesessen haben. Wir verkaufen heute viele Autos sogar ganz ohne Probefahrt. Das gab es früher nie!

Welche Rolle spielt angesichts solch beratungsresistenter Kunden der Verkäufer im Autohaus überhaupt noch?

Der Verkäufer muss hinterfragen, ob die Vorauswahl des Kunden richtig ist und seinen Bedürfnissen entspricht. Wer hier Talent als Hobby-Psychologe hat, dem kann es gelingen, ein Produkt teurer zu verkaufen und den Kunden auf Bedürfnisse aufmerksam zu machen, die auch eine exklusivere Sonderausstattung rechtfertigen.

Die Konkurrenz wächst nicht nur im Internet. Haben Sie viele Rivalen auf dem Markt?

In unserer Situation in Lohr haben wir keinen großen Konkurrenzdruck: Wir sind ein mittelständisches Unternehmen einer Kleinstadt und haben das Internet als Chance statt als Konkurrent begriffen. Auf unserer Webseite können sich Kunden beispielsweise vorab über unsere Gebrauchten informieren oder einen Servicetermin online vereinbaren. Als seriöses Autohaus haben wir da nicht viel zu befürchten.

Die Atmosphäre im Autohaus kann Käufer abschrecken oder anziehen. Kaffee, Wasser oder Sekt - was servieren Sie, um den Kunden die Entscheidung zu erleichtern?

Bei uns gibt es nicht einfach nur Kaffee, sondern Cappuccino oder Latte Macchiato und natürlich auch Cola. Und wenn jemand Bier will, bekommt er auch ein Bier. Außerdem ist der Verkäufer im Vorteil, wenn er Empathie zeigt.

Sie waren selbst lange als Verkäufer tätig - welche Tipps haben Sie für Ihre Kollegen, die häufig auf Provision arbeiten?

Manche Autoverkäufer beraten ihre Kunden stundenlang mit viel Hingabe, bringen den Kauf aber dann nicht zum Abschluss. Die anfängliche Euphorie des Kunden flaut ab, er wird zunehmend kritisch und marschiert womöglich wieder hinaus, ohne ein Auto gekauft zu haben. In so einer Situation muss man handeln. Ich rate unseren Mitarbeitern bei unentschlossenen Kunden die Abschlussfrage zu stellen: 'Was muss ich noch tun, damit Sie bei mir ein Auto kaufen?' Darauf kommt ganz sicher eine Antwort.

Empathie, Beratung, Gespür für Kunden - das klingt gar nicht nach dem schlechten Image, das viele Autohändler in Filmen und in der Öffentlichkeit haben.

Dieses Image ist schon 30 Jahre alt, das stammt noch von Fähnchen-Händlern, die an der Bundesstraße standen und am Tacho von Gebrauchtwagen drehten. Solche Manipulationen sind heute dank der Technik gar nicht mehr möglich. Auch das Internet schafft Transparenz für die Kunden. Wir können uns unseriöse Aktionen gar nicht erlauben.

Überzeugungsgeschick gehört trotzdem noch immer zum Beruf. Was sonst macht einen guten Autohändler aus?

Selbstbewusstsein. Das wächst mit jedem Verkauf.

Berufsbild Autoverkäufer:

Autoverkäufer haben meist eine kaufmännische Ausbildung absolviert. Der gängige Ausbildungsberuf ist der der Automobilkauffrau oder des Automobilkaufmanns. Die Ausbildung dauert in der Regel drei Jahre und findet neben der Berufsschule in Autohäusern oder direkt bei den Herstellern statt. Grundwissen über die Technik im Auto sollte ein Automobilkaufmann zwar besitzen, im Vordergrund stehen aber Buchhaltung, Vertrieb und Marketing.

Daneben gibt es die Ausbildung zur Fachverkäufer(in) für Kraftfahrzeuge, die als Weiterbildungsmaßnahme für kaufmännische Berufe angeboten und oft mit einem Zertifikat als "Geprüfte/r Automobilverkäufer/in" abgeschlossen wird.

Etwa die Hälfte der Auszubildenden steigt nach Informationen des Bundesinstituts für Berufsbildung mit dem mittleren Schulabschluss (Mittlere Reife) in die Ausbildung ein, gut 40 Prozent absolvieren die Ausbildung nach abgeschlossenem Abitur. Aber auch mit einem Hauptschulabschluss ist es möglich, Automobilkauffrau zu werden.

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