Berühmte Marken (6): Rolls-Royce:Emilys Erben

Ein Rolls Royce ist das naturgemäße Automobil der Superreichen. Es wird nur in kleinen Stückzahlen produziert - und nun auch gerne in LA und Osteuropa gekauft.

Georg Kacher

Tradition verpflichtet, vor allem in Großbritannien. Deshalb ziert noch heute die stilisierte Figur einer hübschen Sekretärin den Kühler jedes Rolls-Royce. Eleanor Thornton, von Freunden Emily genannt, stand 1911 Modell für das legendäre Wahrzeichen der Nobelmarke, die für sich beansprucht, die besten Automobile der Welt herzustellen. Sieben turbulente Jahrzehnte nach Emilys frühem Tod, in der Zeit von 1998 bis 2003, ging Rolls-Royce Zug um Zug in den Besitz der BMW Group über.

Berühmte Marken (6): Rolls-Royce: Emily ziert jedes Auto der Edelmarke Rolls-Royce

Emily ziert jedes Auto der Edelmarke Rolls-Royce

(Foto: Foto: AFP)

Die Schwestermarke Bentley, mit der RR 1931 fusionierte, gehört inzwischen zum Volkswagen-Konzern. Damit ist die Epoche der weitgehend baugleichen Rolls-Royce- und Bentley-Modelle endgültig abgehakt.

Parallel dazu vollzogen die neuen Besitzer eine räumliche Trennung: Das geflügelte B behielt seinen Wohnsitz im mittelenglischen Crewe, das Doppel-R bezog neue Gebäude im südenglischen Goodwood. Dort läuft seit drei Jahren die Phantom-Luxuslimousine vom Band, der 2007 ein großes Cabriolet und 2008 ein davon abgeleitetes Coupé folgen wird.

Rolls-Royce ist ein Kleinserienhersteller - etwas zu klein sogar, zumindest in Bezug auf die ursprüngliche Erwartungshaltung der Muttergesellschaft. Mit knapp 800 Autos liegt die Produktion nämlich schon im dritten Jahr 20 Prozent unter Soll.

Wachstumsmarkt Osteuropa

Doch der Vorstandsvorsitzende Ian Robertson beschwichtigt: "Das Segment, in dem wir antreten, verwöhnt mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten, denn die Zahl der Superreichen mit einem Nettovermögen von 20 bis 30 Millionen Dollar nimmt jährlich um zehn Prozent zu. Allein im Großraum Los Angeles haben wir 2005 mehr als 130 Fahrzeuge verkauft - mehr als im gesamten Mittleren Osten."

Einen besonders positiven Geschäftsverlauf erlebe man derzeit in Osteuropa und in China, das bald zum drittgrößten Rolls-Royce-Markt avancieren dürfte.

Die beiden neuen Zweitürer auf Phantom-Basis, die in der Preisklasse von 350.000 bis 400.000 Euro antreten werden, haben die Briten mit relativ geringen Stückzahlen von 150 bis 200 Autos pro Jahr kalkuliert.

Deutlich ambitionierter sind die Planungen für den New Generation Saloon (NGS), eine neue Stufenhecklimousine, die als Nachfolger des unvergessenen Silver Shadow von Ende 2009 an jährlich rund 3500 HNWIs anlocken soll. Dieses Kürzel steht für High Net Worth Individuals - das sind Menschen, die im Schnitt drei Häuser, acht Autos und eine Yacht besitzen.

Preislich zielt der NGS auf strategisches Niemandsland, denn das Segment von 200.000 bis 250.000 Euro ist kaum besetzt. Ein langer BMW Siebener und ein Bentley Continental Flying Spur kosten weniger, ein Bentley Arnage und ein Maybach 57 sind noch teurer. Der auch als Business-Class-Rolls-Royce bezeichnete Wagen soll im Werkverbund zwischen Dingolfing und Goodwood produziert werden. Das Design und die technischen Inhalte des NGS stehen weitgehend fest.

Task Force entwickelte neues Modell

Wie der Phantom ist auch er das Produkt einer international besetzten zehnköpfigen Task Force, die an einem geheimen Ort auf der Insel in Klausur ging. Aus der Zentrale kam nur die Vorgabe, den neuen Rolls mit der DNS des BMW Siebener-Nachfolgers zu verweben - möglichst behutsam und ohne die Kernwerte der Luxusmarke zu verfälschen.

Das Resultat ist ein imposantes Automobil, keine Handbreit niedriger als der mächtige Phantom und mit einem ähnlich radikalen Raddurchmesser. Denn nicht nur Länge und Breite bestimmen den ersten Eindruck beim Betrachter, sondern vor allem das Niveau der Motorhaube und die Größe der Räder. Natürlich bekommt auch der NGS hinten angeschlagene Fondtüren, coach doors genannt.

Die kosten zwar mehr und lassen so manche Dame beim Aussteigen wenig vorteilhaft aussehen, aber sie gehören inzwischen - wie der extradünne Lenkradkranz - zu den zugegeben leicht spleenigen Eigenarten der Marke.

Im Gegensatz zum nächsten Siebener, der auf Wunsch über vier angetriebene Räder verfügt, beschränkt sich der NGS auf den klassischen Heckantrieb. Der direkt einspritzende Zwölfzylinder der neuen Generation N74 imponiert durch 6,0 Liter Hubraum und durch souveräne Kraftentfaltung. Im Raum stehen eine Nennleistung von 560 PS und ein maximales Drehmoment von 750 Nm. Klar, dass da sogar der Phantom mit seinen 460 PS für den kleinen Bruder die Überholspur räumen muss.

Aber gegen die Konkurrenz aus Crewe und Stuttgart scheint der NGS gut gerüstet, denn wenn man dem Lastenheft glauben schenken mag, dann verbindet er sportwagenmäßige Fahrleistungen mit einzigartiger Laufruhe - und das bei einem Zielverbrauch von 13,3 Liter auf 100 Kilometer. Falls der Markt es erfordert, wäre von 2012 an sogar eine Hybridantriebsvariante des V12 darstellbar. Ein großer Diesel wird von den Projektplanern dagegen nicht in die engere Wahl gezogen.

BMWs Ziele

Was will BMW mittelfristig mit Rolls-Royce erreichen? Strategisches Ziel war schon unter Vorstandschef Helmut Panke der weitere Ausbau der Marke, der bis 2015 abgeschlossen sein sollte. Unter Nachfolger Norbert Reithofer dürfte sich allenfalls der Zeitrahmen etwas verschieben, nicht aber die grundsätzliche Stoßrichtung.

Weil die Engländer neben dem Phantom aus eigener Kraft kein zweites eigenständiges Modell finanzieren können, haben die Produktplaner die BMW-Palette nach sinnvollen Synergien abgeklopft. Dabei stießen sie auf zwei interessante Projekte, die jetzt auf Machbarkeit untersucht werden sollen.

Emilys Erben

Erste Priorität hat dem Vernehmen nach ein zweisitziger Roadster, der entweder auf dem Nachfolger der Sechser-Reihe oder auf dem geplanten BMW Z9 basieren könnte.

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Ein Rolls Royce steht in Moskau vor der St. Basilius-Kathedrale: In Osteuropa werden die Luxuskarossen immer beliebter

(Foto: Foto: AP)

Zweite Priorität genießt ein ziemlich extremer Crossover, der wesentliche Technik-Bausteine vom neuen X5 übernehmen müsste. Diese viersitzige Neuinterpretation der Horseless Carriages wäre weniger geländegängig, dafür aber viel exklusiver als ein Range Rover.

Perfektionierung der Markenwerte

Ganz entscheidend für die Zukunft von Rolls-Royce wird die Perfektionierung der Markenwerte sein. Da geht es nicht nur um neue Werkstoffe und neue Anwendungsarten, sondern auch um eine neue Gewichtung der Produktinhalte.

Der Motorraum ist beispielsweise eine noch völlig unentdeckte Spielwiese, der wachsende Stellenwert der Mechanik gegenüber der Elektronik bietet ebenfalls noch Potenzial, und nach der geglückten totalen Geräuschisolation beginnt gerade als Gegenbewegung die Ära der gezielten Geräuschwahrnehmung - sei es in der Kommunikation zwischen Fahrer und Fahrgast, im synthetischen Sound-Design für bestimmte qualitätsrelevante Funktionen (Türen, Dach, Scheiben) oder im Vertonen RR-typischer dynamischer Eigenschaften wie whoosh und waft, davonrauschen und dahingleiten.

Schutz gegen Carjacking

Natürlich geht es auch darum, wichtige Innovationen zeitnah in die Fahrzeuge zu integrieren. Die Rede ist vom virtuellen und individuellen Mechaniker-Service, vom Datentransfer sogar während der Fahrt sowie von modernster Sicherheitstechnik als Prävention gegen Carjacking.

Auch die legendäre splendid isolation verlangt nach immer neuen Ausdrucksformen in Form von elektrochrom abdunkelbaren Scheiben und Dächern, von beheizten Fußräumen und Türtafeln oder von einer nach Kundenwunsch individuell gestalteten Fondsitzarchitektur. Selbst vor der Emily macht der Fortschritt nicht Halt - wie einst bei Lalique soll der Kunde künftig zwischen verschiedenen Spirits of Ecstasy wählen dürfen.

Alles nur Spinnerei? Vielleicht. Doch wer die oberen Zehntausend beeindrucken will, der muss eben auch in möglichst vielen Disziplinen neue Superlative erschaffen - getreu dem Vorbild der Herren Charles Rolls und Henry Royce.

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