Berühmte Marken: Land Rover:Die Last der Legende

Land Rover, eine britische Legende mit durchfahrenen Höhen wie Tiefen. Nun soll aus dem Verlustbringer wieder ein Gewinner werden. Nur wie?

Georg Kacher

Der erste Land Rover war ein Nachkriegskind. Seine Karosserie wurde nur deshalb aus Aluminium gefertigt, weil Stahl damals Mangelware war. Das eingeschmolzene Leichtmetall stammte von schrottreifen Kampffliegern. Auch die Lackierung - diverse Grüntöne - war ein Relikt der Militarisierung, denn anno 1947 lagerten in britischen Materialdepots fast ausschließlich Tarnfarben.

Land Rover

Die Modell-Palette von Land Rover führt der Range Rover an, es folgen: Freelander, Discovery, Range Sport und Defender (hinten).

Die Legendenbildung begann schon damals mit der rostfreien Karosse, dem unverwüstlichen Leiterrahmen und den unkaputtbaren Motoren, die notfalls auch mit Pflanzenöl funktionierten. Knapp 60 Jahre später hat sich am Urvater aller Land Rover zumindest optisch nicht viel verändert.

Ziegelstein zum Zähneklappern

Das Design ist immer noch so kantig wie ein Ziegelstein, die Zähigkeit und die Geländetauglichkeit beeindrucken selbst hartgesottene Offroad-Hasen und der nicht vorhandene Komfort lässt nach wie vor das Blickfeld der Besatzung erzittern und reihenweise Zähne klappern.

Einst der ruhende Pol von British Leyland, gehört Land Rover nach kurzen Intermezzi mit British Aerospace und BMW seit 2000 zu Ford, genauer gesagt zur Premier Automotive Group. Doch die Freude der Amerikaner über ihre Premium-Marken hält sich bekanntlich in Grenzen, denn vor allem Jaguar und Land Rover schreiben rote Zahlen. Nach 300 Millionen Dollar Verlust im Vorjahr steht für 2007 die schwarze Null auf der Wunschliste.

Die englischen Patienten

Trotz der Millionen Dollar aus dem Verkauf von Aston Martin wollen die Verkaufsgerüchte um Jaguar/LR nicht verstummen, doch der Nettoertrag liegt nach Insider-Schätzungen bei kaum 1,5 Milliarden Dollar - zu wenig, um die gewaltigen Investitionen auch nur annähernd wieder hereinzuspielen. Bleibt die Frage, ob Ford aus eigener Kraft die nötigen Restrukturierungsmaßnahmen durchführen kann, denn dazu gehören Entlassungen, Werkschließungen und eine grundlegende Konsolidierung der beiden so unterschiedlichen englischen Patienten.

Land Rover steht inzwischen produktmäßig auf fünf recht soliden Beinen. 1970 startete mit dem feinen Range Rover das Arbeitgeber-Pendant zum Landy seine Karriere, 1989 folgte mit dem Discovery eine Alternative für die Gummistiefelaffine Middle Class, 1998 begann mit dem Freelander die Eroberung der Arbeiterschicht und seit 2005 balanciert der Range Rover Sport auf dem schmalen Grat zwischen Furchenadel und Schickeria.

Obwohl die Marke auf den ersten Blick recht ordentlich aufgestellt ist, kommt die Traditionsfirma finanziell auf keinen grünen Zweig. Zu gering sind die Stückzahlen der einzelnen Baureihen, zu unterschiedlich die Technik, zu aufwendig die Fertigung, zu mächtig die Gewerkschaften. Trotz wiederholter Bemühungen haben die Engländer außerdem mit diversen Fertigungsproblemen ihre liebe Not - auch in der 2006er Zuverlässigkeitsstudie von J. D. Power bildet Land Rover weit abgeschlagen das Schlusslicht.

Die Last der Legende

Dazu kommt, dass man in Solihull zu spät auf die Zeichen der Zeit reagiert hat. Abgesehen von Defender und Freelander sind alle Fahrzeuge viel zu schwer, viel zu durstig und viel zu phlegmatisch in ihren Fahreigenschaften.

Kantenhauber ohne Liebe zum Tempo

Schlammlöcher und Geröllfelder meistert die Flotte mit Bravour, doch bei Brems- und Ausweichmanövern fehlt es an Souveränität und Sicherheit. Schnelle Kurven mögen die Kantenhauber übrigens ebenso wenig wie hohes Autobahntempo. Nachdem die durstigen Benziner inzwischen selbst in Amerika kaum noch gesellschaftsfähig sind, hat Land Rover endlich drei ordentliche Diesel auf den Markt gebracht: einen Ford-Vierzylinder für den rundum gelungenen Freelander 2, einen gemeinsam mit PSA entwickelten V6 für Disco und RR Sport sowie einen feinen V8 für Sir Range, an dessen Aura nach wie vor kein Cayenne und keine GL-Klasse heranreichen kann.

Zu den aktuellen Stärken der Marke gehören das englisch-noble Ambiente, die schwindelfreie Trittsicherheit abseits befestigter Wege und das schon vom Ur-Modell geprägte Komme-was-wolle-Image.

Trotzdem steht Land Rover in diesen Monaten am Scheideweg. Der Defender, dessen EU-Zulassung ohne Nachbesserung 2010 auslaufen würde, muss ersetzt werden. Auch der Range Rover, die unangefochtene Cashcow der Marke, braucht mittelfristig ebenso einen Nachfolger wie der Discovery und der Range Rover Sport. Nur der Freelander kraxelt als Ford- und Volvo-Derivat in eine gesicherte Zukunft. Aus dem Konzernverbund heraus wird es dieses Modell ab 2010 auch mit Diesel-Hybridantrieb, E-Motor an der Hinterachse und integriertem Starter-Generator geben.

Und die Großen?

Doch was passiert mit den großen Autos? Ursprünglich wollte man die T5-Plattform (Disco, RR Sport) weiterentwickeln und sogar für den Defender und den nächsten Range adaptieren. Doch mit 2,6 Tonnen ist dieser Komponentensatz viel zu schwer - nicht zuletzt in Anbetracht der Tatsache, dass Land Rover selbst im heimischen England immer öfter ins Visier der Umweltschützer gerät.

Die Techniker müssen deshalb wohl bei null anfangen und einen neuen, deutlich leichteren und zeitgemäßeren Baukasten entwickeln.

Möglicherweise tun sie das gemeinsam mit Jaguar, denn es würde sinnvoll sein, wenn beide Marken ihr beträchtliches Alu-Know-how zusammenlegen. Es geht hier nicht um eine artverwandte Plattform, sondern um ein Modulsystem, das für fast alle Fahrzeugtypen geeignet wäre.

Die Last der Legende

Berühmte Marken: Land Rover: Immer für eine Kletterpartie gut.

Immer für eine Kletterpartie gut.

Ein Sportwagen würde eine sehr leichte und steife Struktur mit relativ großen Einzelelementen verwenden, ein Geländewagen benötigt dagegen eine durch mehr Knotenpunkte gezielt verstärkte Matrix, die schwere Achsen und große Lasten tragen kann.

Abspecken um bis zu 900 Kilo

Während Jaguar dieses System quer durch die gesamte Modellpalette anwenden könnte, passt es bei Land Rover für alle Typen mit Ausnahme des Defender (zu speziell) und des Freelander (zu sehr auf Ford getrimmt). Das heißt im Klartext, dass es für Range Rover, Range Rover Sport und Discovery eine gemeinsame DNS geben wird, die je nach Einsatzzweck bis zu 900 Kilo leichter sein soll - zum Vorteil von Verbrauch und Emission.

Jaguar baut seine Alu-Autos XJ und XK in Bromwich Castle, wo von 2008 an auch der neue XF montiert wird. Land Rover würde die innovative Alu-Technologie wohl im Stammwerk Solihull konzentrieren, wo ausreichend Kapazität zur Verfügung steht.

Die Langfrist-Strategie sieht eine Entzerrung der Produktpalette vor. Der nächste Range wandert weiter nach oben ab und wird zur echten Luxuslimousinen-Alternative. Eine vielseitigere Luftfederung soll für eine noch bessere Symbiose aus Straßen- und Geländetauglichkeit sorgen.

Kantig, klassich, funktionell, modern

Die wegweisende Alu-Struktur, die im Range IV Premiere feiert, will man auch der zweiten Auflage des RR Sport, dem Discovery IV und einem neuen Jaguar Crossover angedeihen lassen. Der Sport soll noch eleganter und dynamischer werden, der Discovery bleibt der Alleskönner für die gesamte Familie.

Falls Ford sich dazu entschließt, Jaguar und Land Rover zu behalten, rechnen Insider mittelfristig mit zwei weiteren neuen LR-Modellen. Am unteren Ende der Skala könnte ein gemeinsam mit Volvo entwickelter Zweitürer die Lücke zwischen Defender und Freelander schließen.

Darüber rangiert der nächste Freelander, von dem es - nach Art des Toyota RAV4 - vermutlich auch eine Variante mit Frontantrieb geben wird. Die Designphilosophie sieht eine Mischung aus kantig-klassischen und funktionell-modernen Elementen vor. Unter dem Strich ist die Produktion der vier Alu-Modelle auf rund 200 000 Einheiten pro Jahr ausgelegt.

Ob der Ur-Landy einen Nachfolger erhält, soll bis Ende 2007 entschieden werden. Nach halboffiziellen Informationen rechnet sich ein neuer Defender nur, wenn der Absatz auf 50 000 Stück per annum verdoppelt werden kann.

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