Bertha Benz:Wie eine Frau dem Auto zum Durchbruch verhalf

Bertha Benz

Auto-Pionierin Bertha Benz

(Foto: dpa)

Heimlich und ohne Führerschein unternimmt Bertha Benz 1888 die erste Überlandfahrt mit einem Automobil. Ihrem Mann Carl Benz verhilft sie so zum Durchbruch. Doch die Sensation wird nur möglich, weil sie Hutnadel und Strumpfband dabei hat.

Von Michael Neißendorfer

Als sich Bertha Benz am Morgen des 5. August 1888 in aller Herrgottsfrühe ans Steuer ihres Wagens setzt und gemeinsam mit ihren beiden Söhnen Eugen und Richard zu ihrer Schwester aufmacht, bricht sie gleich mehrere Tabus. Denn die damals 39-Jährige steuert nicht nur ohne Fahrerlaubnis einen Wagen, der obendrein überhaupt keine Zulassung besitzt. Sie setzt sich heimlich auch über den Willen ihres Mannes Carl Benz hinweg - damals der einzige Deutsche mit Führerschein. Er hätte ihr die Fahrt wohl niemals erlaubt.

Vor 125 Jahren ein wagemutiger Schritt - rückblickend ein Meilenstein in der Geschichte des Autos. Die Technologie ist damals bereits mehr als reif, allein der Mut fehlt ihrem Mann Carl. Die erhoffte Aufmerksamkeit beim Publikum kann er deshalb lange Zeit nicht erlangen. Der Wagen, mit dem Bertha Benz ins 106 Kilometer entfernte Pforzheim fährt, ist zwar schon die dritte Variante des Benz'schen 1886 zum Patent angemeldeten Dreiradwagens. Doch die Skepsis ist groß, die Behörden erteilen Benz sogar ein Fahrverbot, weil die knatternden Wagen die Pferde scheu machen.

Frau ohne Furcht

"Man hatte Angst vor so etwas. Das war Neuland", sagt Jürgen Wittmann, Leiter der Archive bei Daimler. Angst hatte Bertha Benz nicht, zum Glück. "Die Fahrt hat den Durchbruch gebracht und metapherhaft gezeigt, dass Autos gesellschaftsfähig sind", sagt Autoexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in Bergisch Gladbach.

Ähnliche Wirkung habe in der Geschichte zum Beispiel die Erfindung des Ford Model-T gehabt, das durch Fließbandarbeit für die Massen erschwinglich und zum Verkaufsschlager wurde. Und heute zeige der kalifornische Elektroauto-Pionier Tesla mit seinen strombetriebenen Sportwagen wie dem Roadster und dem Model S, dass E-Autos auch Spaß machen können, so Bratzel.

Doch zurück zu Bertha Benz, die es stets gewohnt war, ihren Willen durchzusetzen. Sie heiratete den Mann, den sie liebte, und ließ sich von ihrem Vater einen Teil ihres Erbes auszahlen, um Carl Benz zu finanzieren. "Bertha Benz war die Triebfeder", sagt Jutta Benz. Als emanzipiert im heutigen Sinne würde ihre Urenkelin sie jedoch nicht beschreiben. "Sie war zwar eine energische Frau, aber ihr Mann hatte das Sagen."

Mit Hutnadel und Strumpfband

Ob Bertha Benz auch Einfluss auf die Technologie nahm, sei kaum überliefert, sagt Jutta Benz. Zündspulen habe sie aufgewickelt und sicher ein gewisses technisches Verständnis gehabt: Auf der Fahrt nach Pforzheim soll sie eine verstopfte Benzinleitung mit ihrer Hutnadel gesäubert und die Zündung mit ihrem Strumpfband isoliert haben. Und nach der Fahrt durch den hügeligen Nordschwarzwald war auch klar, dass für Steigungen eine dritte Übersetzung - ein dritter Gang - notwendig sein würde.

Viel wichtiger: Die zwölfstündige Fahrt auf dem nur 2,5 PS starken Wagen war eine große Marketingkampagne - wenn auch ungewollt. Bertha Benz habe ihrem Mann Mut machen und die Straßentauglichkeit des Gefährts beweisen wollen - und hatte sich deshalb, auch auf Drängen ihrer beiden Söhne, den Wagen ohne das Wissen ihres Mannes ausgeliehen. Die Söhne seien ganz heiß aufs Autofahren gewesen und sollen den Patent-Motorwagen Nummer 3 streckenweise sogar selbst gelenkt haben.

Auch einer Apotheke verhalf Bertha Benz zu unerwartetem Ruhm: Die Stadt-Apotheke in Wiesloch bei Heidelberg gilt dank der Überlandfahrt als erste Tankstelle der Welt, da Benz dort einige Liter des nötigen Treibstoffs Ligroin kaufte, das damals als Reinigungsmittel diente. Bis weit ins 20. Jahrhundert konnte man Benzin und andere Treibstoffe nur in Apotheken erwerben.

Literaturdienst - Carl Benz

Carl Benz, im Jahr 1894, in einem seiner Wagen. Zusammen mit ihrem Ehemann erlebte Bertha Benz Aufbruch, Scheitern und dann die kaum noch geglaubte Verwirklichung ihres Traums. 

(Foto: dpa)

Nach dem Ausflug seiner Frau dauerte es jedoch noch einige Monate, bis Carl Benz auf der Weltausstellung 1889 in Paris den erhofften Zuspruch für sein Automobil bekam und dieses mit Hilfe des Franzosen Emile Roger erfolgreich vermarkten konnte. Den endgültigen Durchbruch schaffte Benz sechs Jahre nach der ersten Ausfahrt 1894 mit einem ganz anderen Gefährt: Mit dem preiswerteren Motor-Velociped, das Benz in einer ersten Großserie 1200 Mal baute.

Im Gedenken an die erste Überlandfahrt findet seit 1988 alle zwei Jahre die Bertha-Benz-Fahrt für historische Fahrzeuge statt. Bei dieser touristischen Oldtimerausfahrt, organisiert vom Automuseum Dr. Carl Benz und dem Allgemeinen Schnauferl Club, treffen sich mehr als 100 Vorkriegsfahrzeuge und fahren die Strecke der ersten Fernfahrt der Welt nach, die zu Ehren der wagemutigen Autopionierin "Bertha Benz Memorial Route" getauft wurde.

Mit Material von dpa

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