Süddeutsche Zeitung

Berliner Bürokratie:Rudern fürs Taxi

Eine einfache wie phantasievolle Geschäftsidee bringt die große Politik in Wallung: Der lange Kampf eines Berliners für eine Wasserdroschke auf der Spree.

Marcus Müller

Als Gerhard Heß, 50, vor sechs Jahren auf dem Weg zur Arbeit am Bahnhof Berlin-Friedrichstraße die Spree überquerte, dachte er nicht daran, eines Tages die große Politik in Wallung zu bringen.

Eigentlich hatte er nur eine einfache Geschäftsidee: Wie wäre es, wenn auf der Spree Wassertaxis unterwegs wären und ihre Fahrgäste beispielsweise am Reichstag einladen und am Dom wieder absetzen?

Jetzt, im Frühling 2007, fährt zwar noch immer kein Wassertaxi durch die Hauptstadt, aber Heß hält seine Idee nach wie vor für perfekt. Kein Wunder, denn das Wasser ist ein Teil seines Lebens.

Der große Reigen: alle reden mit

Fragt man ihn nach seinem Geburtsort, sagt Heß nicht einfach Berlin, sondern: "Ich bin am Wannsee groß geworden." An der Havel hat er später eine Windsurf-Schule betrieben, in Schleswig-Holstein machte er eine Bootsbauer-Lehre und zimmerte ein eigenes Segelboot. So jemanden hält eigentlich kaum einer auf.

Vor knapp vier Jahren hatte Heß sich für 25.000 Euro ein gelbes Wassertaxi gekauft - den Nachbau jener Boote, die in den zwanziger Jahren in New York Fahrgäste über den Hudson schipperten.

Doch Gerhard Heß hatte die Rechnung ohne die Behörden gemacht. Und davon gibt es in diesem Fall viele, schließlich ist die Spree eine Bundes-Wasserstraße; also redet das Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin mit, die Schifffahrtsdirektion in Magdeburg und selbst das Bundesverkehrsministerium in der Hauptstadt.

Bereits nach seinen ersten Anträgen lernte Heß, dass ein Wassertaxi kein Charterboot, sondern ein Personenschiff sei. Und das müsse zwei Mann Besatzung haben, zur Sicherheit der Passagiere beim Ein- und Aussteigen oder für den Fall, dass jemand über Bord gehe.

Das Sicherheitsargument lässt er für große Dampfer gelten, nicht aber für ein kleines Boot, das nur bis zu zehn Personen aufnehme: "Sollte einer ins Wasser fallen, drehe ich um und fische ihn raus."

Außerdem würde sich ein Zwei-Mann-Betrieb nicht rechnen, denn um die Kosten zu decken, müsste Heß auf eine maximale Auslastung des Bootes setzen. Doch er wolle gerade nicht warten, bis das Boot voll sei, sondern mit seinem SpreeCab für fünf Euro auch einzelne, spontan einsteigende Gäste befördern - ein Taxi eben.

Seit Jahren nun versucht er, seinen Plan den Behörden zu erklären, um eine Ausnahmegenehmigung zu bekommen. Eine moderne Odyssee; und Heß lernte dabei Begriffe wie Rheinschifffahrtsuntersuchungskommission oder Sportbootvermietungsverordnung.

"Phänomenal", sagt Heß trocken und versucht ein Lächeln. Obendrein hat er längst auch noch die alteingesessenen Ausflugsdampfer-Reedereien gegen sich, die offenbar die Konkurrenz fürchten.

Ohne Richtlinie geht gar nichts

Nach den ersten zwei Jahren, in denen Heß mehrere Aktenordner mit Anträgen und Briefen füllte, wurden im entsprechenden Gesetz tatsächlich Wassertaxen vorgesehen. Aber es fehlte weiter eine genaue Richtlinie - weitere zwei Jahre lang. Und ohne Richtlinie kein Wassertaxi.

Im Herbst vergangenen Jahres schließlich kam Gerhard Heß die große Politik zur Hilfe. Mehrere Ausschüsse des Bundestages befürworteten den Antrag der FDP, doch endlich eine Ausnahme für Wassertaxen zu schaffen, die einen Betrieb mit nur einem Kapitän ermöglicht, ohne zusätzlichen Decksmann.

Es sieht aber weiter so aus, als hätte das beim Bundesverkehrsministerium keine Chance. "Wenn wir dort nachgefragt haben, warum das in Venedig funktioniere, bei uns aber nicht, hieß es, der Golf von Venedig sei eben keine Bundes-Wasserstraße", schildert der FDP-Abgeordnete Patrick Döring.

Nachdem sich bis auf Die Linke alle Fraktionen im Januar der Forderung der FDP anschlossen, ging es dann mit der notwendigen Richtlinie des Verkehrsministeriums plötzlich schnell - seit dem 1. April darf ein Wassertaxi ausnahmsweise auch ohne zweiten Mann fahren. Dafür aber, so heißt es, müsse das Schiff anlegen können, ohne dass der Steuermann sein Ruder verlässt - etwa mit Hilfe von Magneten an Boot und Steg.

Für Heß ist das zwar ein kleiner Erfolg, doch sieht er sich lange noch nicht vom Schreibtisch im Familiengeschäft für Bürobedarf ans Taxi-Ruder wechseln. Denn nun müssen erst die von ihm beantragten Anlegestellen genehmigt werden. Einen Streit mit den Behörden darüber, ob die Treppen zu den Anlegern für einander entgegenkommende Menschen zu schmal sein könnten, hat er schon hinter sich. Auch darüber kann Heß eigentlich nur grinsen, denn: Über dieselben Treppen streben täglich Hunderte Passagiere die Ausflugsdampfer der Spree an.

In diesem Jahr, so fürchtet Heß, wird Berlin es in Sachen Wassertaxi kaum mehr schaffen, zu Rotterdam oder Sydney aufzuschließen. Doch auch dem letzten Gegenwind wird er standhalten. Sein Ziel: "Ich will das erste Wassertaxi Deutschlands steuern."

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Quelle:
SZ vom 14.4.2007
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