Süddeutsche Zeitung

Elektro-Strategie der Autohersteller:Einfach mal machen

Haben Batteriezellen aus deutscher Fertigung eine Chance? Ein Konsortium will den Versuch wagen.

Kommentar von Joachim Becker

Elektroautos sind sauber, leise und unkompliziert. Weil sie den Verbrennern Konkurrenz machen, werden bald Arbeitsplätze beim Bau von Motoren verloren gehen. Die Gewerkschaften fordern deshalb einen Ausgleich durch neue Zellfabriken: BMW-Betriebsratschef Manfred Schoch beklagt sich über deutsche Autobosse, die eine große Chance verschlafen würden. Derweil baue der chinesische CATL-Konzern in Erfurt ein riesiges Batteriezellwerk - trotz hoher Stromkosten und Löhne.

Ganz anderer Meinung ist Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. Er begrüßt die Milliarden-Investition von CATL, warnt aber vor naiven Nachahmungsversuchen. Die Deutschen würden zu oft blind losrennen und sich dann blutige Nasen holen, findet der Professor - und verweist auf die gescheiterte Daimler-Zellfertigung in Kamenz. Im Wettbewerb mit Großkonzernen aus Asien mit mehr als 200 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr sei jede Form staatlicher Förderung rausgeschmissenes Geld.

Keiner bezweifelt, dass die Elektroautos vor einem großen Sprung stehen. Deshalb bauen alle deutschen Automarken ihre Antriebsbatterien selbst, beziehen aber die Zellen von Zulieferern. Das ist momentan ein gutes Geschäft, denn die Zellpreise sind im Keller. Ob Koreaner oder Chinesen: Alle ziehen neue Kapazitäten für die Zellproduktion in Europa hoch. Sie ködern Ankerkunden mit günstigen Preisen - wohl wissend, dass in ein paar Jahren neu verhandelt wird.

Für die Autohersteller gibt es in Europa kein Zurück, die weltweit strengsten CO₂-Ziele zwingen sie zum Umsteuern. Trotzdem baut nur Tesla seine Batteriezellen (zusammen mit Panasonic) in einer eigenen Fabrik. Die Kalifornier stehen damit in Konkurrenz zum Weltmarktführer CATL. Die Chinesen verfügen über 20 Jahre Erfahrung mit Lithium-Ionen-Akkus und verdoppeln jährlich ihre Produktion. In diesem Elefanten-Rennen, könnte eine deutsche Neugründung nur mit Anschubsubventionen starten.

Ein anderer Professor will es dennoch wagen: Günther Schuh, der umtriebige Gründer des Autoherstellers Ego-Mobile, will mit dem deutschen Batteriehersteller BMZ eine Zellfertigung auf dem Gelände von Ford in Köln aufziehen. Zunächst soll eine Gigawattstunde (GWh) pro Jahr produziert werden. Da ist fast nichts im Vergleich zu den 100 GWh, die CATL für 2020 plant. Und doch ein Anfang.

Egal, ob durch deutsche oder chinesische Firmen: Es kommt jetzt darauf an, eine Industrie wieder anzusiedeln, die mit Traditionsmarken wie Varta einmal Weltspitze war. Zellen sind die Schlüsselkomponente für Batterieautos. Und die Preise werden mit der Nachfrage rasch steigen. Dann kann eine europäische Zuliefererkette für Zellmaterialien preisdämpfend wirken und die Versorgung sichern.

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Quelle:
SZ vom 16.02.2019/cku
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