Eisenbahn:Schneller über die Ems

Eisenbahn: Ein Güterzug passiert einen Bahnübergang bei Ihrhove in Niedersachsen. Die Strecke soll ausgebaut werden, um Bremen und Groningen besser miteinander zu verbinden.

Ein Güterzug passiert einen Bahnübergang bei Ihrhove in Niedersachsen. Die Strecke soll ausgebaut werden, um Bremen und Groningen besser miteinander zu verbinden.

(Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa)

Von Bremen aus sollen Zugreisende künftig rascher in die Niederlande fahren können. Der Ausbau der Strecke ist komplex - und hängt besonders von einer Brücke ab.

Schnellere Zugverbindungen zwischen Groningen und Bremen - darauf hoffen viele Reisende in Bremen, im Nordwesten Niedersachsens und in den Niederlanden seit Jahren. Doch die Zerstörung der Friesenbrücke bei Weener über die Ems nach einer Frachterkollision im Dezember 2015 machte diese Hoffnung erst mal zunichte. Seit sechs Jahren fährt deswegen kein Zug mehr über die Grenzstrecke; Reisende müssen zwischen Leer und Weener Busse des Schienenersatzverkehrs nutzen. Während nun die Arbeiten an der neuen Friesenbrücke anlaufen, soll auch der parallel geplante Ausbau der Bahnstrecke Fahrt aufnehmen. Mit der sogenannten Wunderline soll sich die Fahrtzeit zwischen Groningen und Bremen verkürzen. Was plant die Deutsche Bahn (DB) da genau? Ein Überblick:

Was bringt die Wunderline dem Nordwesten?

Als Wunderline wird der Ausbau und die Ertüchtigung der bestehenden, insgesamt 173 Kilometer langen Bahnstrecke zwischen Bremen und Groningen bezeichnet - der größte Teil liegt dabei auf deutscher Seite. "Wir möchten eine grenzübergreifende, komfortable Verbindung haben, möglichst, ohne dabei umsteigen zu müssen", sagt Stefan Wey, Teilprojektleiter Wunderline bei der DB. Die Erwartung ist, dass durch den Ausbau Reisende mit der Bahn schneller einen Arbeitsplatz im jeweiligen Nachbarland erreichen. Auch Studierende und Ausflügler sollen von der Wunderline profitieren. "Ziel ist natürlich auch ein Kundenzuwachs", sagt Wey.

Wie genau sollen sich die Fahrzeiten verringern?

Wegen der zerstörten Friesenbrücke gibt es zurzeit keine durchgehende Zugverbindung mehr zwischen Groningen und Bremen. Vor der Zerstörung betrug die Reisezeit zwei Stunden und 43 Minuten. Nach dem Ausbau eines ersten Streckenabschnitts zwischen Ihrhove (Landkreis Leer) bis zur niederländischen Grenze samt der neuen Friesenbrücke soll sich die Fahrtzeit auf zwei Stunden und 28 Minuten verringern. Auf dieser Strecke sollen die Züge dann von Ende 2024 an nahezu durchgängig mit bis zu 120 Kilometern pro Stunde unterwegs sein können. Geplant ist zudem, bis 2030 in einer zweiten Stufe einen weiteren Abschnitt auszubauen und zu ertüchtigen. Danach soll eine Reise sogar nur noch zwei Stunden und 13 Minuten dauern.

Eisenbahn: Im Dezember 2015 begutachteten Experten und die Wasserschutzpolizei von einem Schiff aus die Schäden an der Klappbrücke über die Ems bei Weener.

Im Dezember 2015 begutachteten Experten und die Wasserschutzpolizei von einem Schiff aus die Schäden an der Klappbrücke über die Ems bei Weener.

(Foto: Lars Klemmer/dpa)

Wie sieht der Zeitplan für die Arbeiten aus?

Für den ersten Abschnitt auf deutscher Seite will die Bahn die Planfeststellungsunterlagen bis zum Sommer beim Eisenbahnbundesamt einreichen. Mit den Arbeiten soll im Herbst 2023 begonnen werden. Für die zweite Baustufe laufen die Planungen noch. Die Niederländer sind schon weiter: Dort sind viele Arbeiten bereits im Gang. Trotz Corona sei man 2021 in Sachen Realisierung der Wunderline "ein gutes Stück vorangekommen", schrieb Tjeerd Postma, Wunderline-Projektleiter bei der Provinzregierung von Groningen in einem Newsletter im Dezember. So sei auf der Strecke zwischen Scheemda und Winschoten das Beteiligungsverfahren für den zweigleisigen Ausbau der Strecke abgeschlossen worden. Die Gleisverdoppelung auf vier Kilometer Länge wird Teil der Wunderline.

Was hat die neue Friesenbrücke mit der Wunderline zu tun?

"Ohne die Wunderline wird kein Zug über die Friesenbrücke fahren", sagt Wey. Beide Projekte seien komplex und eng miteinander verwoben, denn für beide sei eine Inbetriebnahme zum Fahrplanwechsel 2024/2025 vorgesehen. "Wir brauchen daher eine Punktlandung." Bei der bisherigen Friesenbrücke handelte es sich um eine Klappbrücke, die sich öffnen ließ, wenn große Schiffe auf der Ems passieren wollten. Für Fußgänger und Radfahrer bestand zudem neben dem Gleisstrang ein Übergang; viele Radtouristen auf der beliebten Dortmund-Ems-Kanal-Route, der Deutschen Fehnroute sowie auf dem Emsradweg nutzten die Brücke. Im Dezember 2015 krachte der Frachter Emsmoon in den Klappteil der geschlossenen Brücke, zerstörte ihn und verschob durch die Wucht des Aufpralls die Aufbauten der Brücke um einige Meter. Seither ist die Brücke für den Verkehr gesperrt, Radfahrern und Fußgängern steht im Sommerhalbjahr ersatzweise eine kostenlos benutzbare Fähre zur Verfügung. Seit November 2021 nun läuft an der Friesenbrücke der Abbruch der alten Brückenreste, dabei kam zuletzt auch ein Schwimmkran zum Einsatz. Der Neubau für die künftige Eisenbahn-Hub-Drehbrücke soll im April beginnen.

Eisenbahn: Im Juni 1980 passierte die auf der Papenburger Meyer-Werft gebaute Fähre "Viking Sally" die Friesenbrücke bei Weener.

Im Juni 1980 passierte die auf der Papenburger Meyer-Werft gebaute Fähre "Viking Sally" die Friesenbrücke bei Weener.

(Foto: Werner Schilling/picture-alliance/dpa)

Welche Arbeiten stehen am ersten Streckenabschnitt an?

Die Bahn plant, die Strecke zwischen Ihrhove und der Grenze umfassend zu sanieren. Dazu zählen etwa die Ertüchtigung oder der Neubau von 17 Durchlässen und sieben Brücken. 27 Bahnübergänge werden den Planungen zufolge angepasst oder erneuert. Im Bahnhof in Ihrhove wird zudem ein Stellwerk erneuert. "Die Konsequenz ist, dass wir dadurch später deutlich schneller fahren können", sagt Wey.

Was kostet das Projekt?

Die Investitionssumme für die Ertüchtigung der Bahnstrecke auf deutscher Seite steht laut Bahn noch nicht fest. Aktuell liefen noch Berechnungen, auch da die zweite Baustufe noch in einer frühen Planungsphase sei. Einer Kooperationsvereinbarung zufolge, die Bremen, Niedersachsen und die Provinz Groningen im Februar 2019 unterzeichnet hatten, sollten nach damaligen Angaben 128 Millionen Euro in den Ausbau investiert werden. Bekannt ist bereits, dass die Friesenbrücke als eigenes Projekt mit bis zu 125 Millionen Euro deutlich teurer werden wird als zunächst geplant.

Welche Züge fahren später auf der Strecke?

Auf dem ersten Abschnitt soll zwischen Leer und Winschoten jeweils ein Regionalzug pro Stunde in beide Richtungen verkehren. Noch sei unklar, welcher Anbieter die Verbindung betreibe, sagt Wey. "Dieser wird vom Land Niedersachsen und der Provinz Groningen bestimmt." Fernzüge, wie etwa ein Intercity, oder auch Güterverkehr sind derzeit auf der Strecke nicht vorgesehen. Grundsätzlich werde die Strecke aber für beides ausgelegt sein, so der Projektleiter. Eine Elektrifizierung sieht der Ausbau übrigens nicht vor - auch wenn die neue Friesenbrücke bereits für eine mögliche Nachrüstung mit Oberleitungen geplant wird. Auch auf der niederländischen Seite fehlen Oberleitungen. Grundsätzlich denkbar, aber noch nicht vorgesehen sei künftig auf der Strecke auch die Erprobung von Wasserstoffzügen oder Zügen mit Akkusystemen, sagt Wey.

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