Süddeutsche Zeitung

Autowerbung im US-Fernsehen:Täglich grüßt der Autoverkäufer

  • TV-Shopping für Gebrauchtwagen wird in den USA immer beliebter. Vor allem im Süden des Landes ist diese Form des Autohandels verbreitet.
  • Die Shows laufen sowohl in englischer als auch in spanischer Sprache.
  • Der bekannteste TV-Autohändler ist Josh Towbin, der durch die Reality Soap King of Cars bekannt wurde. Durch seine Fernsehpräsenz verkauft Towbins Autohaus bis zu 8500 Fahrzeuge im Jahr.

Ob Zauberwaschmittel oder Wandersandalen: Die USA sind berühmt dafür, alles Mögliche und Unmögliche über ungezählte Verkaufskanäle im amerikanischen Kabelnetz zu verticken. Im ganzen Land greifen Menschen zum Telefonhörer und geben fleißig Bestellungen auf, wenn Verkaufstalente, die für ungeübte Augen bizarr wirken, wie auch immer geartete Waren anpreisen. Jetzt auch Autos. Im Süden der USA erfreuen sich Gebrauchtwagenkäufe im Fernsehen besonders großer Beliebtheit.

Das regionalisierte Fernsehsystem in den USA bietet Autohändlern die Möglichkeit, vergleichsweise einfach lokale Kunden zu erreichen. Einer der bekanntesten von ihnen ist Mike Wilson vom Nyle Maxwell Supercenter. Das XL-Autohaus in der texanischen Hauptstadt Austin offeriert Neuwagen der US-Marken Chrysler, Dodge, Jeep und Ram. Im Gebrauchwagenangebot, für das Wilson zuständig ist, sind aber auch einige asiatische und deutsche Modelle.

Vom Auto ist wenig zu sehen

Der Autoverkäufer blickt freundlich in die Kamera, während im Vordergrund im Schritttempo ein Gebrauchtwagen nach dem anderen durch das Bild fährt: "Rufen Sie mich an! Dieser Dodge Durango bietet eine tolle Ausstattung und einen perfekten Pflegezustand. Er könnte schon morgen ihnen gehören", präsentiert Wilson den SUV im typischen TV-Shop-Moderatoren-Sprech. Vom Durango ist dabei kaum etwas zu sehen, weil immer bunte Zusatzinformationen über den Bildschirm flackern. "Rufen Sie mich an! Jetzt!", wiederholt Wilson und verweist auf die kostenfreie Telefonnummer, die unten durchläuft.

Hierzulande haben es Autos bisher nur in Modellgröße in die Shoppingkanäle geschafft. Kosmetikprodukte, Modeartikel oder Putzmittel dominieren das deutsche Angebot. Die Themen Gebrauchtwagenkauf und TV kombiniert das deutschsprachige Fernsehen anders. Meist ziehen mehr oder weniger kompetente und/oder unterhaltsame "Autochecker" los, um für vorgeblich ahnungslose Interessenten den passenden Gebrauchten zu finden - inklusive für die Kamera inszenierte Verhandlungen mit Verkäufern.

Allen Sendungen ist gemein, dass weder Autos noch Kunden im Vordergrund des Zuschauerinteresses stehen. Die Fangemeinde schaltet wegen der Autoexperten ein, und tatsächlich bieten einige Formate Informationen, die Zuschauern bei künftigen Autokäufen nutzen können.

Das Vorbild für diese beiden Arten des Autofernsehens stammt aus Nevada. Der auf solche Formate spezialisierte US-Sender A&E strahlte von 2006 bis 2007 die Reality-Soap King of Cars aus. Sie dreht sich um den Autohändler Josh Towbin, der in der südlich von Las Vegas gelegenen Kleinstadt Henderson mit Dodge-Neuwagen sowie Gebrauchten aller Art handelt. Towbin, Zuschauern unter seinem Spitznamen "Chop" bekannt, und seine Verkäufer schlüpften zum Zwecke des Autoverkaufs im Zwei-Wochen-Rhythmus in Phantasiekostüme, um die Neu- und Gebrauchtwagen mit kunterbunten Kurzgeschichten an die Kunden zu bringen.

Aus der lokalen Sendung wurde mit wachsendem Erfolg ein Infomercial, das landesweit ausgestrahlt wurde. "Als ich in den Neunzigerjahren damit anfing, wollte ich einfach etwas anders machen als mein Vater, der ebenfalls Autohändler war", erinnert sich Chop. "Je verrückter wir wurden, umso beliebter wurde die Show und umso mehr Autos verkauften wir." Nach und nach fanden US-Stars wie Moderator Jay Leno, Box-Promoter Don King oder Comedy-Legende Jerry Seinfeld in die Sendung.

Mit großen Gesten und Maren-Gilzer-Lächeln

Auch dank der ständigen TV-Präsenz verkauft Towbins Autohaus pro Jahr bis zu 8500 Fahrzeuge - mehr als jeder andere Dodge-Händler in den USA. Mike Wilson vom Nyle Maxwell Supercenter in Austin denkt in kleineren Dimensionen. Der Mittfünfziger, betont sportlich in schwarzem Poloshirt und Chinohosen gekleidet, preist gerade einen Hyundai Santa Fe für 249 Dollar im Monat an. Auf dem Bildschirm macht das koreanische SUV einen gepflegten Eindruck, angesichts seiner reichhaltigen Ausstattung scheint es tatsächlich ein gutes Angebot zu sein. Gut möglich, dass nun ein Zuschauer Wilsons simpler, aber wirkungsvoller Verkaufspsychologie nicht mehr widerstehen kann und zum Telefonhörer greift.

Kaum ist der Hyundai aus dem Bild gefahren, rollt schon ein 2012er Chevrolet Silverado heran. "Natürlich mit Leder und Komplettausstattung. Wenig gelaufen", betet der Autoverkäufer mit hastiger Stimme und kurzen Satzfragmenten in die Kamera. In diesem Stil geht es in den folgenden Minuten weiter, alle paar Sekunden fährt ein anderes Auto vor die Kamera. "Wenige Kilometer, Topausstattung, toller Zustand": Wilsons Sendezeit entwickelt sich zum Lehrvideo für Gebrauchtwagenverkäufer - gespickt mit allen Floskeln, die man für diesen Beruf kennen muss.

Zwei Kanäle weiter gibt es für die Zuschauer die nächste Möglichkeit, per Shoppingkanal den passenden Gebrauchten zu finden. Im spanischsprachigen US-Fernsehen lockt ein Ford Fusion - und nicht nur der. Müssen Mike Wilson oder seine Kollegen allein die Zuschauer animieren, übernehmen das bei der spanischsprachigen Konkurrenz gemischte Doppel aus Verkäufer und attraktiver Dame. Mit Gesten und einem Lächeln, das der einstigen Buchstabendreherin und heutigen Dschungelcamp-Bewohnerin Maren Gilzer alle Ehre gemacht hätte.

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