Autotest:Straßen-Macho mit Schwächen

Braucht ein Auto der Golf-Klasse 272 PS? Sicher nicht! Aber der Peugeot 308 GTi zeigt, wie viel Spaß das machen kann - trotz praktischer Mängel.

Test von Thomas Harloff

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Der neue Peugeot 308 GTi.

Quelle: Peugeot

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GTI: Seit diese Buchstabenkombination vor 40 Jahren erstmals auf der Heckklappe eines VW Golf prangte, hat sie sich einen legendären Ruf erworben. Ein günstiger Sportwagen, verkleidet als praktischer Kompakter, das gab es vor 1976 nicht. VW landete einen Überraschungserfolg, der schon bald die Konkurrenz dazu inspirierte, ähnlich gestrickte Autos auf den Markt zu bringen. Es dauerte nicht lange, und es gab die Klasse der "Hot Hatchbacks", der heißen Schräghecklimousinen im kompakten Format.

Das berühmte Kürzel hatte Volkswagen jedoch nicht lange exklusiv. Andere Hersteller nutzten es bald ebenfalls für ihre sportlich geprägten Modelle. Darunter Peugeot, das mit dem 205 im Jahr 1984 seinen ersten GTI - natürlich einen Hot Hatch - auf den Markt brachte. Auch heute bieten die Franzosen zwei Autos mit dem legendären Kürzel an: den 208 und neuerdings auch den 308. Womit sich zwangsläufig die Frage stellt, wer den besseren GTI in der Golf-Klasse anbietet: VW oder vielleicht doch Peugeot?

Ein Logo am Peugeot 308 GTi.

Quelle: Peugeot

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Die GTIs zeigen anschaulich, in welche Richtung sich die Autoindustrie in den letzten drei bis vier Jahrzehnten entwickelt hat. In den Siebziger- und Achtzigerjahren reichten noch 110 (VW Golf GTI) oder 103 PS (Peugeot 205 GTI), um die Spannung beim Fahrer oben zu halten. Kein Wunder, wogen die kleinen Dynamiker nur gut 800 Kilogramm. Heute leistet der stärkste Golf GTI 265 PS (dank seiner kurzzeitigen Boost-Funktion sogar 290 PS), wiegt aber auch fast 1,4 Tonnen. Ähnlich ist das Verhältnis von Leistung zu Gewicht beim Peugeot 308 GTi: 272 PS stehen ebenfalls knapp 1,4 Tonnen gegenüber.

Der neue Peugeot 308 GTi.

Quelle: Peugeot

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So gut der Motor des Golf GTI bekanntermaßen ist - der des 308 GTi steht ihm in nichts nach. Der aus vielen früheren Peugeot-Sportmodellen und auch aus diversen Minis und BMWs bekannte und behutsam weiterentwickelte 1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner ist stets leistungsbereit. Welche Drehzahl anliegt, ist dabei fast egal. Ob bei 1900 oder 5000 Umdrehungen - wenn es der Fahrer will, ruft der 308 GTi sein volles Drehmoment von 330 Newtonmetern ab. Vor allem die Durchzugsstärke beeindruckt: Der Peugeot marschiert selbst dann munter los, wenn sich die Tachonadel im 200-km/h-Bereich und der Schalthebel auf Position sechs befindet. Maximal sind 250 km/h möglich - ein Tempo, das zu Zeiten der Ur-GTIs lediglich den allerschnellsten Autos vorbehalten war. Gleiches gilt für den Null-auf-Hundert-Wert von sechs Sekunden.

Die Felge und Bremse des Peugeot 308 GTi.

Quelle: Peugeot

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Der Motor mag sein Herzstück sein, aber es gibt noch einige andere Zutaten, die den Peugeot 308 - mindestens - auf Golf-GTI-Niveau hieven. Zum Beispiel das Torsen-Sperrdifferenzial an der Vorderachse. Das begrenzt beim Beschleunigen das Durchdrehen der Räder, indem es möglichst viel Drehmoment auf das traktionsstärkste Antriebsrad umleitet. Dadurch können die Reifen mehr Motorkraft auf den Asphalt übertragen - und das Auto ist in der Lage, schneller zu beschleunigen, vor allem bei rutschiger Fahrbahn. Eine vertrauensbildende Maßnahme ist auch die Bremsanlage. Sie arbeitet vorne mit 380 Millimeter großen Scheiben und baut eine entsprechend hohe Bremskraft auf, die über das Pedal gut zu dosieren ist. Freude macht auch das manuelle Sechs-Gang-Getriebe mit seinen ausreichend kurzen Wegen und einem exakt geführten Schalthebel.

Der neue Peugeot 308 GTi.

Quelle: Tibo; Peugeot

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Beim Fahrwerk ist das Bild zwiespältig: Ist die Straße kurvig und in gutem Zustand, hilft die straffe Abstimmung dem Peugeot dabei, auch mit hohem Tempo schnell die beste Linie zu finden und zu halten. Ist der Untergrund uneben, wird es jedoch unkomfortabel für die Begleiter und stressig für den Fahrer. Unebenheiten bringen den 308 GTi leicht aus der Balance. Besser, man bleibt konzentriert am Steuer - vor allem bei hohen Geschwindigkeiten auf der Autobahn.

So viel Spaß er auch macht, das letzte bisschen Begeisterung vermag der 308 GTi nicht zu wecken. Das könnte an der banalen Klangkulisse liegen - der GTi klingt dezent. Das ändert sich kaum, wenn der Fahrer die Sporttaste drückt. Zumal der Sound dann nur künstlich verstärkt wird und aus den Lautsprechern kommt.

Das Cockpit des neuen Peugeot 308 GTi.

Quelle: Peugeot

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So sportlich ein Hot Hatch im Idealfall ist, muss er immer auch sozialverträglich bleiben. Und praktische Qualitäten beweisen. Das ist die große Stärke des Golf GTI - und gerade hier schwächelt der 308 GTi. Dafür gibt es neben dem zeitweise unkomfortablen Fahrwerk weiteren Punktabzug, zum Beispiel beim Fahrerplatz. Zwar sitzt der - wie auch der Beifahrer - auf einem famosen Sportsitz mit Massagefunktion, muss aber ergonomische Fragwürdigkeiten wie den sehr klobigen Schaltknauf und die eigenwillige Anordnung von Lenkrad und Instrumenten in Kauf nehmen. Tacho und Drehzahlmesser thronen nämlich auf einer Art Podest, sodass sie sowohl vom oberen Teil des Lenkradkranzes verdeckt werden als auch den Blick auf die Straße einschränken. Im Sportmodus lenken die dann glutrot gefärbten und sehr hellen Instrumente einfach nur ab - gerade dann, wenn es draußen dunkel ist. Dieses Gimmick hätte Peugeot besser sein lassen.

Der zentrale Touchscreen des Peugeot 308 GTi.

Quelle: Peugeot

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Apropos ablenken: Das Bedienkonzept, fast alle Funktionen im Lenkrad und im Touchscreen zu bündeln, hat Licht- und Schattenseiten. Zwar sieht das 308-GTi-Cockpit dadurch aufgeräumt aus. Andererseits ist der Touchscreen dadurch mit Menüs überfrachtet: Um das Gewünschte zu finden, muss man die Augen länger als nötig von der Straße nehmen. Schwächen gibt es auch beim Platzangebot, für Fondpassagiere wird es eng. Im Gegensatz zum Gepäck: Mit 420 Liter Fassungsvermögen ist der Peugeot 308 in seiner Klasse ganz vorne dabei - eine Qualität, die die GTi-Version übernommen hat. Hochwertig sind auch die Materialien im Innenraum. Kunststoffe, Metall- und Klavierlackapplikationen, die Sitzbezüge, all das haben Peugeots Innenraumdesigner zu einem Innenraum mit hohem Wohlfühlfaktor komponiert.

Die Sitze des Peugeot 308 GTi.

Quelle: Peugeot

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Ist der Peugeot also ein guter Kauf? Das kommt darauf an. Wer das Kriterium Fahrspaß für wichtiger hält als praktische Aspekte, macht mit dem 308 GTi einen guten Griff. Soll es jedoch ein praktisches, möglichst unkompliziertes Autos sein, das zusätzlich willkommene Leistungs- und Fahrdynamik-Reserven bietet, kommen eher andere Autos infrage.

Wie die Entscheidung letztlich ausfällt, hängt aber auch vom Preis ab. Etwa ein Dutzend Kompaktsportler ringen in diesem hartumkämpften Segment um Kunden. Die Basispreise reichen von weniger als 30 000 Euro (Ford Focus ST) bis über 50 000 Euro (Mercedes-AMG A 45). Der 308 GTi kostet mindestens 34 950 Euro, ordnet sich damit im unteren Mittelfeld ein - und hat einen Vorteil: Er bringt nahezu Vollausstattung mit, darunter die tollen Sitze, LED-Scheinwerfer und ein Navigationssystem. Was es darüberhinaus an Extras gibt, ist zwar verzichtbar, aber so günstig eingepreist, dass beim Kauf vielleicht doch die Entscheidung für das Panoramadach oder eine besondere Lackierung fällt.

Der neue Peugeot 308 GTi.

Quelle: Tibo; Peugeot

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Wiegt man Stärken und Schwächen gegeneinander auf, ist der Peugeot sicher nicht der bessere GTI. Die Kombination aus Spaß und Alltag bekommt das Original noch immer einen Tick besser hin. Aber nicht nur Individualisten dürften im 308 den spannenderen GTi sehen.

Technische Daten Peugeot 308 GTi:

R4-Benzinmotor mit 1,6 Litern Hubraum und Turboaufladung; Leistung 200 kW (272 PS); max. Drehmoment: 330 Nm bei 1900/min; Leergewicht: 1395 kg; Kofferraum: 420 - 1228 l;0 - 100 km/h: 6,0 s; Vmax: 250 km/h; Testverbrauch: 9,7 l / 100km (lt. Werk: 6,0; CO2-Ausstoß: 139 g/km); Euro 6; Grundpreis: 34 950 Euro

Das Testfahrzeug wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

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