Autotest:Nenn ihn ja nicht Kombi!

Der Porsche Panamera 4S Sport Turismo sieht zwar aus wie einer, will aber lieber ein Sportwagen mit praktischen Vorzügen sein.

Von Thomas Harloff

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Porsche Panamera Sport Turismo

Quelle: MANUEL HOLLENBACH; Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

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Die Merkmale sind eigentlich eindeutig. Vier Türen. Rechts und links je ein drittes Seitenfenster. Platz für Fünf. Und die große Heckklappe, hinter der sich eine tiefe Kofferraumhöhle verbirgt. Und trotzdem: In Porsches Pressetexten über den Panamera Sport Turismo steht das Wort kein einziges Mal, kein Mitarbeiter nimmt es in den Mund, zumindest offiziell. Kombi, das klingt so praktisch, vernünftig, langweilig, Ikea-Parkhaus statt Vorplatz eines Opernhauses. Und es klingt so gar nicht nach Genuss, Sportlichkeit und Individualismus. Es war die Herausforderung für Porsches Designer und Ingenieure: Einen Kombi zu kreieren, der keinen Kombimief verströmt. Um es vorweg zu nehmen: Es ist ihnen gelungen.

Hinweis: Bis auf Bild 5 zeigen alle Fotos den Porsche Panamera Turbo Sport Turismo, nicht die 4S-Version.

Porsche Panamera Sport Turismo

Quelle: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

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Das liegt auch daran, dass es der Panamera Sport Turismo nicht übertreibt mit der Alltagstauglichkeit. Der Fahrer und drei erwachsene Passagiere fühlen sich wohl im Innenraum. Der vierte nur dann, wenn er gerne auf Barhockern sitzt; so fühlt sich der mittlere Platz im Fond nämlich an. Setzt man das Volumen des Kofferraums, das sich von 520 auf 1390 Liter erweitern lässt, in Relation zu den Dimensionen dieses 5,05 Meter langen und 1,94 Meter breiten Autos, dann wird klar, dass optimale Raumausnutzung bei dessen Konstruktion nicht die höchste Priorität genoss.

Porsche Panamera Sport Turismo

Quelle: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

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Nicht nur die ausladende Mittelkonsole, auch die kleinen Fensterflächen erwecken den Eindruck, Fahrer und Beifahrer säßen eher im 911-Coupé als im Cayenne-SUV. Auch die massiven Sportsitze schmälern das Raumgefühl. Aber das nimmt der fünftürige Panamera in Kauf, genau wie seine Insassen, die sich auf allen Plätzen über weitreichende Verstellmöglichkeiten, bequeme Polster und exzellenten Seitenhalt freuen.

Porsche Panamera Sport Turismo

Quelle: MANUEL HOLLENBACH; Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

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Letzteres ist dringend nötig, weil es hohe Fliehkräfte auszugleichen gilt. Es ist ja so: Jeder Porsche, auch ein - Entschuldigung - Kombi, muss allerhöchsten fahrdynamischen Ansprüchen genügen, sein Segment in dieser Disziplin möglichst anführen. Nun ist zwar nicht ganz klar, in welches Segment sich der Sport Turismo eingruppiert; am ehesten ist er wahrscheinlich mit einem Audi S6 Avant, BMW M550d Touring oder Mercedes-AMG E 53 T-Modell zu vergleichen. Aber wer auch immer sein Konkurrent ist, er fährt langsamer durch Kurven als der Panamera. Und zwar deutlich. Weil das dem Fahrer so viel Spaß macht, lernen die Insassen immer und immer wieder die Vorzüge gut ausgeformter Sitzwangen kennen.

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Die fahrdynamische Exzellenz dieses Zweitonners ist ein Verdienst vieler technischer Bausteine. Der Luftfederung, die aktiv die Dämpfer steuert und automatisch das Wanken der Karosserie stabilisiert. Oder des Systems PTV Plus, das die Antriebskraft je nach Fahrsituation optimal zwischen den Hinterrädern verteilt. Es gibt einen variablen Allradantrieb. Eine elektromechanische Servolenkung. Und ein System, das all das digital vernetzt. Natürlich fühlt sich das ein bisschen virtuell an. Sicher zu virtuell für Puristen, die ein Auto in seiner Gesamtheit spüren wollen und dafür lieber auf etwas Tempo verzichten. Alle anderen werden von der Kurvenkunst des Sport Turismo fasziniert sein.

Porsche Panamera Sport Turismo

Quelle: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

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Der Panamera macht es seinem Fahrer dabei sehr einfach. Kurvengeschwindigkeiten schüttelt er nur so aus dem Ärmel. Dabei wird es nicht einmal besonders unbequem. Straff ja, vor allem in den sportlichen Fahrmodi. Aber der Federungskomfort bleibt hochklassig, speziell im Normalmodus fährt es sich sehr entspannt. Überhaupt bewahrt der Sport Turismo stets die Contenance. Das erweist sich besonders auf der Autobahn als Vorteil, weil sich hier auf wenig anstrengende Weise Strecke machen lässt. Sogar beim Rangieren verblüfft dieser Porsche, nämlich mit einer ungeahnten Handlichkeit. Deren Geheimnis liegt in den mitlenkenden Hinterrädern begründet, die bei niedrigem Tempo entgegengesetzt und oberhalb von 50 km/h gleichsinnig zu den Vorderrädern einschlagen. Das verringert einerseits den Wendekreis und verbessert andererseits die Fahrstabilität.

Porsche Panamera Sport Turismo

Quelle: MANUEL HOLLENBACH; Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

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Es ist dieses Unterschwellige, das den Sport Turismo in seiner 4S-Version so gut macht. Dieses: "Ich bin ganz brav und unscheinbar, aber wenn du mich herausforderst, dann werde ich zum wilden Tier." Auch der Antrieb verkörpert diese Attitüde. Im Normalfall ist der 440 PS starke 2,9-Liter-V6-Benziner eher zahm - aber dennoch wach genug für vehemente Zwischensprints, wann immer ein durchgetretenes Gaspedal ihn dazu auffordert. Darüber hinaus gibt es weitere Eskalationsstufen, die sich erlebbar voneinander abgrenzen. Im Sportmodus fühlt sich der Motor bereits deutlich angespitzt an, in der Sport-Plus-Abstimmung ist er zu allem bereit. Ein Turboloch gibt es nicht, allerdings auch keinen besonders emotionalen Klang. Die Stimmlage des V6-Biturbos hat einen rauen Unterton, wird aber nie aufdringlich laut. Das Acht-Gang-Doppelkupplungsgetriebe hält sich im Hintergrund und arbeitet, es lässt sich nicht anders ausdrücken, perfekt.

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Quelle: MANUEL HOLLENBACH; Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

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Die Assistenzsysteme verdienen das Gütesiegel nicht, manchmal nerven sie sogar. In der Theorie soll das so ablaufen: Anhand der Navigationsdaten und des gewählten Fahrmodus' errechnet der Bordcomputer die optimalen Geschwindigkeiten für die nächsten drei Kilometer und gleicht das mit den Informationen ab, die er per Sensoren und Kameras über das aktuelle Verkehrsgeschehen erhält. Das Beschleunigen und Verzögern übernimmt das Auto, der Fahrer muss nur noch lenken.

Dummerweise erkennt der Panamera nicht immer das richtige Tempolimit und lässt sich auch nur schwer davon überzeugen, auf die tatsächlich erlaubte Geschwindigkeit umzuschwenken. So schleicht man immer mal wieder halb so schnell wie alle anderen über den Asphalt und versucht verzweifelt, den Sport Turismo mit dem Tempomat-Hebelchen zur Mitarbeit zu bewegen. Nach ein paar Versuchen bleibt das System besser aus, genau wie der Spurhalteassistent mit Lenkeingriff. Aber man würde keinen Porsche kaufen, wenn man sich lieber chauffieren lässt als selbst zu fahren.

Porsche Panamera Sport Turismo

Quelle: MANUEL HOLLENBACH; Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

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Eine andere Rückständigkeit hat Porsche im Panamera längst behoben. Das Infotainment-System ist nun keine Ansammlung von Knöpfchen mehr, die sich rund um einen Bildschirm mit mieser Grafik bündeln. Nein, es gibt jetzt digitale Instrumente, die den analogen Drehzahlmesser in ihre Mitte nehmen und bei denen der Fahrer bestimmen kann, was sie anzeigen. Zentral im Armaturenbrett sitzt ein ebenfalls individualisierbarer 12,3-Zoll-Bildschirm im Widescreen-Format, dessen Bedienlogik sich an jenen von Tablets orientiert. Man muss sich etwas Zeit geben, um das Konzept zu verstehen, schließlich beherbergt das System viele Funktionen. Aber dann ergibt es Sinn, was dieser Touchscreen so macht.

Wer will, ist damit auch ständig im Internet und kann dort ohne Ende Informationen abrufen, etwa über Parkplätze, das Wetter, Zug- und Flugverbindungen. Gemütlich ist es im Sport-Turismo-Cockpit obendrein, Materialauswahl und -verarbeitung erreichen ein hohes Niveau. Vor allem Ersteres traf in der Vergangenheit bei Porsche nicht immer zu.

Porsche Panamera Sport Turismo

Quelle: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

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Das ist aber auch unabdingbar, schaut man sich die Kostenbilanz des Panamera 4S Sport Turismo an. Versicherung, Steuern, Kraftstoff (im Test verbrauchte er 13,1 Liter Super Plus pro 100 Kilometer; der Normverbrauch von 8,3 Litern ist absurd weit entfernt) und natürlich der Kaufpreis: Einen Porsche muss man sich leisten können, selbst wenn er ein Kombi ist. Während die zuvor erwähnten Kontrahenten mit Serienausstattung locker im fünfstelligen Bereich bleiben, kostet der Panamera Sport Turismo in der 4S-Version mindestens 120 048 Euro. Und die Extras sind dermaßen selbstbewusst kalkuliert, dass der gut ausgestattete Testwagen nur haarscharf unter der 170 000-Euro-Grenze bleibt.

Das ist heftig, keine Frage. Andererseits: Wer für den Alltag einen Kombi braucht, muss sich nun nicht noch extra einen Sportwagen für die genussvollen Automomente im Leben kaufen. Dieser Porsche ist einfach beides in einem.

Technische Daten Porsche Panamera 4S Sport Turismo:

V6-Benzinmotor mit 2,9 Litern Hubraum und Biturboaufladung; Leistung 324 kW (440 PS); max. Drehmoment: 550 Nm bei 1750 - 5500/min; Leergewicht: 1990 kg; Kofferraum: 520 - 1390 l; 0 - 100 km/h: 4,2 s (im Sport-Plus-Modus); Vmax: 286 km/h; Testverbrauch: 13,1 l / 100 km (lt. Werk: 8,2 - 8,3; CO-Ausstoß: 187 - 189 g/km); Euro 6; Grundpreis: 120 048 Euro (Testwagenpreis: 169 962,55 Euro)

Das Testfahrzeug wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

© SZ.de/harl/reek/sks
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