Autos:(Sehr viel) teurer, als man denkt

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Bei den Betriebskosten tun sich große Wissenslücken auf. (Foto: dpa-tmn)

Die meisten Menschen schätzen die Kosten ihres Fahrzeugs laut einer Studie deutlich zu niedrig ein. Das hat Folgen, die weit über den eigenen Geldbeutel hinausreichen.

Von Markus Balser, Berlin

Dass es schwer ist, die wahren Kosten des eigenen Autos im Blick zu behalten, weiß jeder, der mal hier eine Werkstattrechnung, da die Steuer oder die Versicherung zahlt. Wie drastisch die Deutschen aber bei der Einschätzung der Kosten ihres Gefährts danebenliegen, zeigt nun eine erste Studie zu dem Thema, die an diesem Donnerstag veröffentlicht wird. Wissenschaftler des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung sowie Kollegen der Uni Mannheim und der US-Eliteuni Yale haben 6000 deutsche Haushalte mit eigenem Auto befragt und festgestellt, dass Autobesitzer die Kosten im Durchschnitt um mehr als 50 Prozent unterschätzen.

Während die tatsächlichen monatlichen Ausgaben für Abnutzung, Steuer, Versicherung und etwa Werkstattbesuche der Studie zufolge im Durchschnitt bei rund 425 Euro liegen, geben die Deutschen ihre Kosten im Schnitt mit 204 Euro an. Beim Benzin hätten die Befragten noch gut gelegen. Bei den anderen Kosten aber taten sich massive Wissenslücken auf. So beschreiben es die Autoren in einem wissenschaftlichen Kommentar, der am Donnerstag im Fachblatt Nature erscheint.

Den Forschern zufolge ist das nicht allein ein persönliches Problem der Autobesitzer. Die Studie macht auch klar, welche Umweltfolgen das Verrechnen für die gesamte Gesellschaft hat. Denn die falsche Wahrnehmung dürfte ein wichtiger Grund dafür sein, warum die Autonutzung in Europa weiter ansteigt und es bislang nicht gelingt, die Emissionen im Verkehrssektor deutlich zu reduzieren. Allein in Deutschland stieg die Zahl der privat gehaltenen Autos laut Statistischem Bundesamt in den vergangenen zehn Jahren von 37 auf 42 Millionen. Privatautos sind für elf Prozent der gesamten CO₂-Emissionen weltweit verantwortlich.

Die Forscher fanden auch heraus, dass das Wissen um die wahren Kosten die Mobilität verändern würde. So erhöhen Informationen über die tatsächlichen Kosten des Autobesitzes die Zahlungsbereitschaft der Befragten für den öffentlichen Verkehr um 22 Prozent. Wären Autofahrer über die echten Kosten des Autofahrens informiert, könnte das den Autobesitz um bis zu 37 Prozent reduzieren, schließen die Forscher.

Das wären fast 18 Millionen weniger Autos auf deutschen Straßen. Die damit verbundenen Verkehrsemissionen könnten so um 23 Prozent sinken. Um den gleichen Effekt auf den Autobesitz über die Erhöhung der Treibstoffpreise zu erzielen, müssten die Kraftstoffpreise dem Papier zufolge um wohl kaum machbare 1200 Prozent steigen. Auch der Absatz von Elektroautos würde den Forschern zufolge steigen. Laut Studie könnte er bei einem fairen Finanzvergleich um 73 Prozent zunehmen.

Die Daten seien zwar für Deutschland erhoben, heißt es in dem Papier, aber wohl mindestens auf ganz Europa und wohl auch andere Länder übertragbar.

Um tatsächlich etwas zu ändern, machen die Forscher einen konkreten Vorschlag an die Politik. Hersteller sollten beim Verkauf auch zu Angaben zu den Gesamtkosten beim Unterhalt verpflichtet werden. Das funktioniere ja auch bei anderen Ausgaben wie dem Energiewert für Immobilien oder dem Stromverbrauch bei Kühlschränken - und beeinflusse den Konsum deutlich.

© SZ vom 23.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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