Süddeutsche Zeitung

Autos im Abomodell:Netflix für Autofahrer

  • Auch die Autobranche entdeckt Abomodelle à la Netflix für sich.
  • Flexiblen Kfz-Besitz gibt es bei Online-Anbietern wie "Cluno" oder "like2drive" - und seit kurzem auch bei Volvo.
  • Die Preismodelle unterscheiden sich stark; es lohnt sich, genau nachzurechnen.

Von Christina Müller

Carsharing hin, öffentlicher Nahverkehr her - auf ein eigenes Auto wollen immer noch die wenigsten Menschen verzichten. Das zeigt auch die Mobilitätsstudie 2017, derzufolge noch immer drei Viertel aller Fahrten in Deutschland mit dem Auto zurückgelegt werden. Eine weiterer Fakt, der überrascht: Die Anzahl der Autos in Deutschland wächst weiter - aktuell sind es 43 Millionen. Im Unterschied zur Vergleichsstudie von 2008 kommt damit mehr als ein Auto auf jeden Haushalt.

Worauf Autofahrer gerne verzichten würden, sind die Folgekosten des Fahrzeugbesitzes: Steuer, Versicherung, Reparaturen oder plötzlicher Wertverfall, weil auf einmal niemand mehr den alten Diesel kaufen möchte. Beim Standard-Leasingvertrag stört oft die festgezurrte Laufzeit, aus der es meist nur ein sehr teures vorzeitiges Entrinnen gibt.

Volvo lockt mit dem "Rundum-Sorglos-Paket"

Was Netflix oder Spotify als Geschäftsmodell schon lange erfolgreich vormachen, will sich jetzt auch die Autobranche zunutze machen: Ein flexibles Abo-Modell, bei dem der Kunde mit wenig Aufwand, aber großer Flexibilität mit dem eigenen Fahrzeug unterwegs sein kann. Als erster Hersteller ist Volvo im Oktober bundesweit mit einem Abo-Konzept gestartet.

Als "Das Abo" bewerben die Schweden ihr Mobilitätskonzept "Care by Volvo", das auf den ersten Blick wie ein Leasingvertrag aussieht, bei genauerem Hinsehen doch deutlich mehr beinhaltet. Volvo lockt mit einem "Alles-inklusive-außer-Tanken-Paket". Steuern, Versicherungen, Zulassung, Wartung oder Reifenwechsel sind mit der Monatsrate (ab 498 Euro) bereits abgedeckt. Zudem gibt es einen Hol- und Bringservice, falls der Wagen in die Werkstatt muss sowie bei der Fahrzeugübernahme und -abgabe. Bei der Autoauswahl ist der Kunde schnell am Ende der Flexibilität angelangt. Die Modelle sind in zwei Ausstattungsvarianten vorkonfiguriert, lediglich bei der Außen- und Innenfarbe gibt es ein paar Optionen. Zudem bietet Volvo verschiedene Motoren zur Auswahl.

Die erste Ernüchterung kommt beim Blick auf die Laufzeit: 24 Monate bindet sich der Kunde an die Marke. Ein vorzeitiger Umstieg auf ein anderes Modell kostet 699 Euro, ein Komplettausstieg aus dem Vertrag ist für 1299 Euro möglich. Flexibilität sieht anders aus.

"Das größte Kommunikationshindernis ist der Preis", gibt auch Patrick Wendt zu, der für Care by Volvo verantwortlich ist. Für den Einstiegspreis gibt es den Kompakt-SUV XC40 als günstigstes Abo-Auto. Dazu kommen dann noch die Kosten für den Benzinverbrauch. Was auf den ersten Blick wie ein teurer Spaß aussieht, relativiert sich, wenn man genau ausrechnet, was ein finanziertes oder geleastes Fahrzeug realistisch pro Monat kostet. Laut ADAC sind das zum Beispiel bei einem vergleichbar ausgestatteten Volvo XC40 pro Monat 711 Euro. Zieht man davon die Kosten für Benzin ab, sind es immer noch etwa hundert Euro mehr als beim "Abo-Volvo".

2019 will Volvo fünf Prozent seiner Autos über "Care by Volvo" an den Kunden bringen. Überzeugungsarbeit musste der schwedische Hersteller bei seinen Händlern leisten. Diese fürchteten, durch den Direktvertrieb der Abo-Autos über die Zentrale oder die Buchung per Online-Plattform Aufträge zu verlieren. Aktuell haben laut Patrick Wendt zwei Drittel der Händler in Deutschland eine Rahmenvereinbarung zu "Care by Volvo" unterschrieben, bis Jahresende sollen es 80 Prozent sein.

Online-Anbieter punkten mit günstigen Einstiegsmodellen

Was Volvo seit Oktober anbietet, hat das Münchner Start-up "Cluno" schon seit einem Jahr im Programm. Aktuell vermietet die Firma 42 Automodelle von elf Herstellern in einer Art Abo-Modell. Einstiegsangebot: ein Opel Corsa für 259 Euro pro Monat. Teuerstes Modell ist ein 5er BMW für 749 Euro, auch rein elektrisch kann man bei Cluno fahren.

Bei den Raten gilt wie bei Volvo: alles inklusive außer Tanken. Allerdings bindet sich der Kunde nur sechs Monate an Cluno, dafür gibt es eine einmalige Startgebühr von 299 Euro. Die komplette Abwicklung läuft online oder über eine Smartphone-App, das ausgewählte Auto wird dem Kunden dann direkt nach Hause geliefert.

Mittlerweile ist das Start-up von 15 auf 40 Mitarbeiter gewachsen. "Das Interesse ist groß. Wir merken, dass die Menschen weiter mit ihrem eigenen Auto mobil sein wollen, aber flexibel und mit klar kalkulierbaren Kosten", erklärt Nico Polleti, einer der drei Gründer von Cluno. Dabei sei den Kunden der Hersteller oder eine bestimmte Sonderausstattung oft egal. Die Wagen von Cluno sind so konfiguriert, dass sie nach ihrem Ende als Abo-Auto nach rund zwei Jahren möglichst gut verkauft werden können.

Ein vergleichbares Abo-Modell gibt es auch beim Online-Anbieter "like2drive". Er stellt ebenfalls Autos mehrerer Marken zur Auswahl, los geht es bei einem Seat Mii oder einem Mitsubishi Spacestar für jeweils 199 Euro pro Monat. Die Auswahl ist jedoch geringer als bei Cluno, zudem läuft der Vertrag dort mindestens zwölf Monate.

Ein weiteres Abomodell gibt es bei Sixt. Der Autovermieter verspricht eine "Flatrate" und völlige Flexibilität bei der Vertragslaufzeit. Allerdings beinhaltet der Basispreis, der bei 149 Euro für einen Opel Corsa startet, nicht einmal eine Vollkaskoversicherung, die kostet 56 Euro pro Monat zusätzlich. Dazu kommen noch Bereitstellungskosten, beim Corsa sind das 999 Euro. Bei den höheren Fahrzeugklassen weiß der Kunde vorab nicht einmal, welches Auto er genau bekommt, geschweige denn mit welcher Ausstattung.

Studie prognostiziert Abo-Modellen schnelles Wachstum

Dass Auto-Abomodelle Zukunft haben könnten, belegt auch eine Studie des amerikanischen Beratungsunternehmens "Frost & Sullivan" zur Zukunft der Mobilität. Demnach werden bis 2025 rund zehn Prozent aller Neuzulassungen in den USA und Europa in einem Abo-Modell abgewickelt werden. Und: Die Abo-Kunden sind im Schnitt deutlich jünger als der Durchschnittsautokäufer.

Ungeachtet dieser Aussichten agieren die meisten Hersteller auf diesem Gebiet aktuell nur zögerlich. Daimler bietet seine "Flexperience", bei der man sein Auto pro Jahr bis zu zwölfmal wechseln kann, nur testweise in zwei Autohäusern an. Dafür muss der Kunde dann aber auch mindestens 750 Euro pro Monat hinlegen. Noch teurer geht es bei Cadillac zu. Unter dem Label "BOOK by Cadillac" können sich Besserverdienende ab 1500 Euro monatlich durch die Modellpalette probieren - bisher allerdings nur in München.

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