BMW, Mercedes, VW, Audi:Diese Autos verschwinden bald vom Markt

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Vier Autos, die bald nicht mehr verkauft werden: Mercedes S-Klasse Cabrio, Audi TT, VW Golf Sportsvan und BMW 2er Gran Tourer (von links oben im Uhrzeigersinn). (Foto: Hersteller)

Coupé, Crossover, Kompakt-SUV - die Vielfalt der Automodelle ist zuletzt immer mehr gewachsen. Doch nun dünnen die Hersteller ihr Sortiment radikal aus.

Von Georg Kacher

Es gibt nichts, das es nicht gibt auf unseren Straßen: SUVs mit Cabrio-Verdeck, Stretchlimousinen, eine Handvoll Wasserstoff-Autos, ein bahnbrechendes Elektrofahrzeug mit Karbonkarosserie, Coupés und Cabrios in fast allen Preisklassen und einige wenige billige Kleinwagen. Das zu diesem breit angelegten Spektrum passende Motto "Machen, was machbar ist" hat zu einer erstaunlichen Artenvielfalt geführt - die bei vielen Herstellern plötzlich in Frage gestellt wird.

Schuld daran ist das liebe Geld, das künftig nicht mehr in zusätzliche Karosserievarianten fließen soll, sondern in unverzichtbare Techniktrends wie E-Mobilität, Digitalisierung und autonomes Fahren. Die Idee, die bestehende Verbrenner-Palette als Elektro-Familie zu spiegeln und alle wichtigen Segmente doppelt zu besetzen, ist reizvoll, aber unbezahlbar. Deshalb wird gekürzt und gespart: Erste Maßnahmen betreffen Streichungen im Leistungsfächer der Benzin- und Diesel-Aggregate sowie das Ausdünnen des Portfolios in Bezug auf margenschwache Modelle mit zu geringen Stückzahlen.

Droht jetzt ein blecherner Einheitsbrei mit genormten Antrieben und von Big Data kontrollierten Betriebssystemen? Das könnte passieren. Fest steht, dass der anstehende Paradigmenwechsel neue Prioritäten setzt, auf die es schnell zu reagieren gilt. Ein Beispiel: Wenn in naher Zukunft jedes 08/15-Elektroauto in sechs oder sieben Sekunden von Null auf Hundert beschleunigen kann, sind Fahrleistungen plötzlich kein Verkaufskriterium mehr - schlecht für Marken wie BMW oder Porsche. Im Kommen als Differenzierungsmerkmal ist ein möglichst variables Raumangebot: Weil Verkehrsflächen und Wohnraum in den Städten knapper werden, gehören Cocooning und intelligenten Mobilitätsalgorithmen die Zukunft. Die Geister scheiden sich derzeit noch an der Verpackung, denn alles, das nur entfernt nach Mini- oder Microvan aussieht, steht sich im Handel die Reifen platt.

In der zunehmend komplexen Mischkalkulation der Autohersteller geht es den Flops nun mit Vehemenz an den Kragen. Typisch für diesen Umdenkprozess ist der Niedergang der Kleinwagen, die kaum noch profitabel sind, weil die obligatorische Aufrüstung in Sachen Emission, Sicherheit und Infotainment die ohnehin schmalen Gewinne auffrisst. Fiat hat deshalb den Rückzug aus diesem Markt verkündet, Opel schickt die Brüder Adam und Karl in Rente und Ford verabschiedet sich vom Ka+. Auch in anderen Segmenten brechen deutlich härtere Zeiten an. So fährt das Stufenheck schon seit geraumer Zeit auf der Vierliererstraße, der Kombi ist zu einem rein europäischen Phänomen degeneriert, Coupés und Cabrios funktionieren längst nicht mehr als smarte Kontraindikation zur SUV-Epidemie, sondern fast nur noch als exklusive Zweit- und Drittwagen.

Audi: Opfer der Controller

Das Audi TT Coupe steht auf der Streichliste des Unternehmens. (Foto: Audi)

Aktuell arbeiten die Ingenieure von Audi am Nachfolger des betulich-biederen A8, der sich in Form und Konzept von Mercedes S-Klasse und BMW 7er deutlich absetzen muss. Ansonsten aber sind die Ingolstädter derzeit vor allem damit beschäftigt, ihre Modellpalette aufzuräumen. So soll das A 3 Cabrio aus dem Sortiment verschwinden. Ebenfalls keine Zukunft in seiner aktuellen Form dürfte der R 8 haben, der allerdings noch bis zum Jahr 2025 weitergebaut werden dürfte. Das nächste Opfer der Controller ist der Audi TT (Foto), der spätestens 2023 einem Elektro-Sportwagen auf Basis des künftigen Porsche Cayman weichen soll.

Auch bei e-tron GT und Taycan, Q5 e-tron und dem Macan-Nachfolger, dem Q8 e-tron und der dritten Cayenne-Generation machen beide Unternehmen gemeinsame Sache. Um Kosten zu sparen, wird man parallel dazu jedoch kaum darum herumkommen, den bestehenden Plattform-Wildwuchs einzudämmen. Die kleineren E-Autos bis zum Q4 e-tron beziehen ihre Gene künftig aus Wolfsburg, die größeren nutzen primär die mit Porsche konzipierte PPE-Architektur. Wie es mit der von Audi selbst entwickelten Premium-Multitraktions-Matrix weitergeht, die auch mit der Brennstoffzelle kompatibel wäre, ist noch offen.

Wenn 2020 mit dem Q 4 e-tron die E-Welle richtig anrollt, dürfte eine weitere Flurbereinigung anstehen. So wird zum Beispiel darüber diskutiert, A 5 Sportback und A 7 Sportback zu einem einzigen Modell zusammenzufassen, den fix und fertigen Horch (ein langer A 8 im Chrom-Ornat) wieder in der Versenkung verschwinden zu lassen und den A 1 auf Polo-Basis nach Ende der Laufzeit einzustellen. Als Belohnung für so viel Verzicht winken ein kompakter und dennoch geräumiger A 3 e-tron (kommt 2021, ist im Prinzip das Audi-Gegenstück zum VW ID.3), der A 6 e-tron (2022) als Limousine und Avant oder Sportback sowie der konzeptuell noch nicht runde A 9 e-tron (2024). Zu diesen drei elektrifizierten Flachbodenkonstruktionen gesellen sich zeitnah die entsprechenden Q-Derivate mit E-Antrieb. Komplett neu im Modellfahrplan ist der coupéhafte Q 6 e-tron.

Was die Elektrifizierung angeht, ist kaum eine Produktstrategie so komplex wie die von Mercedes. Da gibt es im Eiltempo von der Großserie abgeleitete Derivate wie den EQC und maßgeschneiderte Oberklassestromer wie den für 2020 angekündigten EQS. Mittel- bis langfristig soll der für alle Antriebsarten geeignete MMA-Baukasten ( steht für "Modulare Mercedes Architektur") die Elektrifizierung voranbringen. Mercedes wollte sich den MMA-Entwicklungsaufwand ursprünglich mit BMW teilen, doch daraus wurde nichts - abgesehen von einem halbherzig aufgesetzten E-Auto-Projekt für China, das 2024 in Serie gehen könnte. Auch bei der künftigen Smart-Generation setzen die Schwaben auf Schützenhilfe aus China, denn die Systemführerschaft für Konzept und Produktion liegt bei Geely, dem mit 9,7 Prozent größten Einzelaktionär von Daimler.

All das kostet Geld - deshalb dürften das Coupé und Cabriolet der S-Klasse (Foto) samt den Maybach-Derivaten wohl keine Zukunft haben. Doch es kommt noch dicker, denn die darunter positionierten Zweitürer sollen zu einer Art CLK-Neuauflage verschmolzen werden. Das Format orientiert sich an der E-Klasse, die Technik basiert auf der C-Klasse.

Wenn schon Mercedes mit exklusiven und teuren Autos nicht genug Geld verdient, wer dann? Weil auch in Möhringen das olympische Prinzip "citius, altius, fortius" (schneller, höher, stärker) gilt, sollen der noch höherpreisige 2+2-sitzige SL-Nachfolger und die leicht geschrumpfte zweite Generation des AMG GT die entstandenen Lücken füllen. Das klingt nachvollziehbar, birgt aber - wie schon bei Audi und BMW - die Gefahr, dass emotionale Karosserie- und Antriebskombinationen nur mehr für die oberen Zehntausend erschwinglich sind.

Rationalisierungsmaßnahmen ziehen sich wie ein roter Faden durch fast alle Mercedes-Baureihen. Der SLC wird ersatzlos eingestellt, CLS und der viertürige AMG GT sollen in der nächsten Evolutionsstufe fusionieren, die B-Klasse hat im aktuellen Altherrenformat keine Zukunft. Auch der CLA Shooting Brake ist ein Wackelkandidat.

Ohne Elektromobilität, Digitalisierung und autonomes Fahren wäre die Marke Volkswagen wohl das geblieben, was sie war: ein unbeweglicher Riese. Doch ausgerechnet der Dieselbetrug leitete jene Wende ein, die VW unter der alten Führung kaum angegangen wäre. Nun sucht der Konzern sein Heil an der Steckdose.

Die Verbrennerpalette soll dagegen konsequent ausgedünnt werden: So entstehen die Nachfolger der New Small Family (Up! und Konsorten) auf Basis der verkürzten MEB-Elektroplattform. Statt in der Mittelklasse vier verschiedene Karosserievarianten anzubieten (Limousine, Variant, Arteon, Shooting Brake plus Skoda) denkt VW über einen Passat SUV nach Art des in Amerika gebauten Atlas nach, vom derzeitigen Dreigestirn aus Golf Sportsvan (Foto), Touran und Sharan dürfte vom Jahr 2022 an nur der Touran-Nachfolger überleben.

Was VW sich nicht unbedingt hätte antun müssen, ist die zweite Generation des viel zu teuren Touareg. Entbehrlich erscheint auch der Amarok, dem ein adaptierter Ford Ranger künftig die Schwerarbeit abnehmen soll. Zu früh verschieden ist dagegen der New Beetle, denn es fehlt aktuell ein Modell mit Gefühl im Tank oder in den Akkus - sei es ein Golf R mit dem 400 PS starken Audi-Fünfzylinder, eine Kleinserie des Rekordwagens ID.R oder ein Bulli für Normalverdiener.

Für Adrenalin im Blut und ein reines Umweltgewissen sind demnächst die elektrischen MEB-Ableger zuständig: Geplant sind der neo-klassische Buzz (2021), drei Crossover-Angebote (2020 bis 2023) und der Aero/Vizzion (2022), der schon in zwei Wochen als Sportkombi-Konzept Premiere hat. Damit keine unkontrollierten Emotionen aufkommen, werden die Modelle treudeutsch durchnummeriert. Doch noch ehe die ersten fünf ID-Varianten auf dem Markt sind, will VW in einer zweiten Elektro-Charge den Karmann Ghia reanimieren, ein viertüriges Coupé im Format des Tesla 3 nachschieben, den geschrumpften e-Buggy in Kleinserie bauen und womöglich einen fast lautlosen Roadster bringen.

Wie viel Risiko will und darf Oliver Zipse eingehen? Wenn man den Gerüchten im Vierzylinder, der Münchner Konzernzentrale von BMW, glauben mag, dann spielt der neue Chef auf Zeit, denn der Konzern muss sparen. So sollen etwa die kürzlich vorgestellten Frontantriebsmodelle bis 2030 im Programm bleiben - das wäre ein neuer Laufzeitrekord. Nach langem Hin und Her haben die Entscheider die rein elektrische iCar-Matrix auf Eis gelegt: zu teuer, Einsatztermin und Volumen nicht präzise genug planbar, keine ausreichende Abgrenzung zu den eben erst eingeführten Multitraktions-Architekturen. Stattdessen bleibt es bis auf weiteres bei der Weiterentwicklung der beiden Technologie-offenen Baukästen für Fahrzeuge mit Quer- und Längsmotor. Ob das reicht gegen Tesla und die deutsche Konkurrenz, wird sich zeigen.

Weil der verspätet in Angriff genommene Ausbau des E-Angebots hohe Investitionen bindet, muss anderswo gekürzt werden: Fix ist das für 2022 terminierte Produktionsende des 2er Grand Tourer (Foto), der 6er GT dürfte zwei Jahre später folgen. Auch das heckgetriebene 2er Cabrio soll keinen Nachfolger erhalten, die nur in China angebotene 1er-Limousine ist ein weiterer Streichkandidat, der nächste Z 4 steht trotz der Partnerschaft mit Toyota angeblich ebenso auf der Kippe wie die in diesem frühen Stadium schwierig einzuschätzende 8er-Reihe und der X2 in seiner jetzigen Form. Dem schmucklosen 6er GT fehlt die Zugkraft des Crossovers, dem 8er zumindest eine einzige herausragende technische Eigenschaft, dem X 2 die klare Botschaft, dem Z 4 die Perspektive. Bei Mini sollen hingegen das bereits totgesagte Cabrio und der Clubman nun doch eine zweite Chance erhalten.

Der Fahrplan für die angekündigte Höherpositionierung, zu der ursprünglich auch ein neues Leuchtturmmodell gehören sollte, ist angeblich nahezu beschlussreif. Der i 8 wird 2021 zwar frisch eingekleidet und bekommt einen zusätzlichen Zylinder, bleibt aber dem Plug-in-Konzept treu statt sich zum E-Antrieb zu bekennen. Hinter den andiskutierten aber noch nicht terminierten Überfliegern, der sportlich-eleganten 9er-Reihe und dem siebensitzigen X 9 Coupé, stehen zwei dicke Fragezeichen. Der i Next ist analog zum Audi e-tron und Porsche Taycan ein kostenintensiver Erstaufschlag, der als komplexer Solitär vor allem die Marke stärken soll.

Falls sich für Mini keine Deus-ex-machina-Lösung ergibt, muss die aktuell für 2024 vorgesehene Nachfolgegeneration nach einer wahrscheinlichen Laufzeitverlängerung wohl an die DNA des teuren 1er/X1 andocken. Wer glaubt, dass sich das hartnäckige Design-Dilemma irgendwann von selbst erledigt, den dürfte der gewöhnungsbedürftige neue 4er eines anderen belehren. Vergleichsweise verbindlich gibt sich dagegen die rasch wachsende i-Familie mit i Next, drei Crossover-Angeboten (i X1, i X3, i X5) sowie i 4, i 5 und i 7 als den wichtigsten Protagonisten.

© SZ vom 09.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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