Autoreise über die Alpen:Abschied vom Sommer

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Der Porsche 911 Targa kostet mindestens 109 338 Euro. Die 4S-Version ist fast 15 000 Euro teurer. (Foto: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG)

Im Porsche 911 Targa 4S lassen sich späte Sommertage stilvoll genießen. Erst recht, wenn die Route über die schönsten Alpenpässe führt. Für Hektik ist hier kein Platz - auch weil sich das Auto lieber von seiner entspannten als von seiner sportlichen Seite zeigt.

Von Jörg Reichle

Noch ein paar Kehren, dann ist die Passhöhe geschafft. Eine Mondlandschaft, 2474 Meter über dem Meer. Die Auffahrt von Sölden aus zum Timmelsjoch liegt da schon hinter uns, kilometerlang eine Abfolge eher sanfter Kehren und entspannender Geraden. Kaum eine Herausforderung für den Fahrer. Erst in größerer Höhe verdient sich die Straße das Prädikat Alpentauglich. Sie wirft dem Wagen enge Kehren hin, kombiniert Anstiege mit wilden Kurvenkombinationen. Eng geht es zu. Herunterschalten mit Zwischengas, der 3,8-Liter-Boxer des Targa 4S bellt unternehmungslustig. Lenken, bremsen und schalten werden eins. Unnachahmlicher Flow.

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Die Wahl des Fahrzeugs für die Suche nach den letzten Sommertagen im Süden ist keine schlechte, denn der Porsche, eine eigenwillige Mischung aus Coupé und Cabrio, hat für die Launen des Wetters zu dieser Jahreszeit vorgesorgt. Die Fahrt beginnt im Regen, doch bald, von Füssen aus über den Fernpass, scheint die Sonne. Also: Dach auf.

Präzise Dach-Choreografie

Das hört sich einfacher an, als der Vorgang, dessen Zeuge wir in der Folge werden, an Dramatik hergibt. Auf Tastendruck feiern nun 19 Sekunden lang Stellmotoren, Hydraulikzylinder und Verdeckgelenke einen präzise choreografierten Auftritt. Sie heben die gläserne Heckkuppel an und klappen sie in einer sehenswert ausladenden Bewegung, bewacht vom Parkassistenten, nach oben weg, sodass am Ende nur noch der metallisch glänzende Bügel aus mattiertem Edelstahl samt Heckscheibe stehen bleibt. Das ist großes Kino, funktioniert aber leider nur im Stillstand und obendrein fehlt in unserem Fall sowieso das staunende Publikum.

Die präzise Dach-Choreografie dauert 19 Sekunden, funktioniert aber nur im Stand. (Foto: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG)

Der wahre Elfer-Fan hat für derart opulente Showeinlagen womöglich sowieso nur ein verächtliches Achselzucken übrig und mag sich wehmütig an die Zeiten ab Mitte der Sechzigerjahre erinnern, als der Fahrer mit ein bisschen Schmackes in den Oberarmen das Dachmittelteil der frühen Targas einfach herausnahm und irgendwo in der engen Kiste verstaute. Das war einerseits verlockend einfach, hatte aber auch seine Tücken, die heute gerne vergessen werden. Stichwort: Wassereinbruch, Knarzgeräusche, schlechte Sicht nach hinten. Und solche Sachen.

Streng tempolimitiert Richtung Süden

Wir dagegen setzen nostalgiefrei unsere Fahrt unter blauem Himmel fort, wenn auch weit entfernt von der totalen Offenheit eines echten Elfer-Cabrios. Dem hat der Targa wiederum seine schöne, fast coupéhaft-klare Silhouette voraus. Kein Buckel, nirgends, dafür formale Ausgewogenheit, wohin man blickt, und eine Panorama-Heckscheibe aus leichtem Verbundglas mit fast unsichtbaren Heizdrähten, die auch noch unverbaute Sicht nach hinten liefert - und natürlich unterm Bügel das Gefühl subjektiver Sicherheit.

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So bummeln wir wohl behütet über die kurzen Autobahnetappen Richtung Süden, streng tempolimitiert, versteht sich. Der Targa nimmt's gelassen, hält die allermeisten seiner 400 PS für lohnendere Anlässe bereit und begnügt sich mit der Gewissheit, 296 km/h schnell zu sein, oder bei Bedarf in 4,6 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen zu können, mit PDK-Getriebe und Sport-Chrono-Paket sogar in 4,4 Sekunden. Wenn er nur dürfte.

So aber lässt sich der halb offene Elfer brav vom Tempomat gängeln. Was im Fall des Targa durchaus seine Vorteile hat, wie wir bald lernen. Denn jenseits von 130 km/h übernimmt mit offenem Dach akustisch der Wind ganz eindeutig das Kommando, ziemlich unbeeindruckt vom eigens installierten Windabweiser. Die Beifahrerin: verstummt. Der Motorsound: weggezischt. Das Radio: kann man vergessen. Also bummeln wir lieber weiter, genießen Landschaft, Sonne und Musik.

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Erste Bilder, erste Fakten.

Erst auf dem Anstieg zum Pass wacht der Targa auf. Souverän und unbeeindruckt vom schrundigen Asphalt meistert er die Kehren, der serienmäßige Allradantrieb sorgt für genügend Reserven, untermalt vom Bass des großvolumigen Boxers. Jenseits der Timmelsjoch-Passhöhe, die um diese Jahreszeit schon mit leichtem Schneefall überrascht, lockt unterdessen der Süden . Späte Wärme brandet ins Auto. Und die Abfahrt ins Passeiertal ruft noch einmal die Reserven von Auto und Fahrer ab, bis sich am Ende des Flusstals Meran in der Sonne rekelt, bereit für einige ruhige Ferientage.

Weg vom Alltag, rein in die Kurve

Wenn da nicht schon wieder dieser Wagen nach neuen Herausforderungen riefe. Als Anleitung zum Glücklichsein dient abends im Restaurant die neueste Ausgabe des Magazins Curves, in dem uns, unnachahmlich fotografiert, die schönsten Alpenpässe autofrei vor Augen liegen, bereit für alle nur möglichen Projektionen der fahrerischen Phantasie. "Genießen Sie das Glück", wirbt der Verlag, "die Geraden des Alltags zu verlassen."

Der Metallbügel samt Schriftzug ist das charakteristische Erkennungsmerkmal eines Targa. Innen gibt es den typischen Posche-Chic. (Foto: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG)

Und so sei es, Auto und Bildern sei Dank. Es folgt der Jaufenpass, Passo Giovo, kürzeste Verbindung zwischen Meran und Sterzing, 2094 Meter hoch und schon in der Steinzeit rege genutzt im transalpinen Verkehr. 20 Kehren auf knapp 40 Kilometern Länge zählt Curves auf und adelt den Pass als "fahrerisches Highlight".

Ein Rucksack von gut 100 Kilo

Der Targa weiß also, was von ihm erwartet wird. Er streckt sich entsprechend. Was aber auch klar wird, vor allem aus den engen Kehren heraus: dass dieser Elfer einen ordentlichen Rucksack mit sich herumträgt. Gut 1oo Kilo bringt die Targa 4S-Version mit PDK mehr auf die Waage als das entsprechende Coupé, das merkt man ihm an, ohne dass man die paar Sekundenbruchteile, die der Targa länger auf 100 km/h braucht, ernsthaft zu bedauern.

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© SZ vom 27.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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