Autonomer Verkehr:Dieses E-Bike braucht keinen Fahrer

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Das autonome Fahrrad soll sich je nach Verwendungszweck anpassen lassen - zur Personenbeförderung aber auch als Cargo Bike. (Foto: Harald Krieg/Universität Magdeburg)

Google war das autonome Fahrrad nur einen Aprilscherz wert. Die Universität Magdeburg nimmt das Thema allerdings sehr ernst: Ihr Dreirad ist schon jetzt im Testeinsatz.

Von Felix Reek

Ein autonomes Fahrrad, das klingt erst einmal seltsam. Ein Velo, das sich allein durch den Verkehr bewegt, was soll das für einen Sinn machen? Auch Google, die seit Jahren an einem autonomen Auto forschen, hielten diese Idee eher für abstrus. Am 31. März 2016 veröffentlichte der niederländische Ableger des Unternehmens ein Video, in dem CEO Pim van der Feltz begeistert erklärte, der Suchmaschinenriese habe ein Fahrrad entwickelt, das sich vollkommen unabhängig durch die Stadt fortbewegen kann - ein Aprilscherz.

Für Stephan Schmidt von der Universität Magdeburg ist die Vorstellung eines Fahrrades, das ohne Mensch im Sattel auskommt, allerdings alles andere als ein Scherz. Er hat das geschafft, worüber Google nur Witze macht: Sein Fahrrad bewegt sich autonom fort. Und wer sich mit ihm unterhält, stellt auf einmal fest, dass die Idee eines selbstfahrenden Velos alles andere als abwegig ist.

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Immer mehr Menschen nutzen die vielfältigen Angebote moderner Mobilität. Sie mieten Autos, anstatt sie zu kaufen, sie fahren mit der Straßenbahn, dem Bus oder der Bahn. Hier kommt das autonome Fahrrad ins Spiel. Es soll die Lücken der öffentlichen Verkehrsmittel füllen. Das Zukunftsszenario ist: Das selbstfahrende Fahrrad übernimmt da, wo sonst ein Auto zum Einsatz käme, weil die Wege zu weit sind und es keine andere Verbindung gibt. Bereits in der S-Bahn bestellt der Kunde per App ein Bike, steigt er aus, steht es bereit zur Weiterfahrt. Er muss nicht erst vor Ort ein Leihfahrrad suchen. Er radelt los, nach Bedarf elektrisch unterstützt oder auch mit purer Muskelkraft. Wird es nicht mehr benötigt, rollt es zurück ins Lager. Das könnte zum Beispiel ein Chaos wie bei den Leihfahrrädern des Anbieters Obike verhindern, der München mit fast 7000 Rädern flutete, Pleite ging und untertauchte.

Ein autonomes Fahrrad fährt am Stau vorbei

Grundsätzlich unterscheidet sich die Technik des autonomen Fahrrades der Universität Magdeburg nicht von den Systemen in Autos, dem eigentlichen Forschungsgebiet von Stephan Schmidt und Sebastian Zug. "Aber wenn man das auf einem Auto testen möchte, ist das unheimlich aufwendig", erklärt Schmidt. Moderne Fahrzeuge bestehen aus einem Sammelsurium an Sensoren und Software. Warum also das autonome Fahren nicht zunächst auf einem einfacheren Technologieträger ausprobieren? Das Fahrrad hat sich im Prinzip seit seiner Erfindung vor 200 Jahren kaum verändert. Probleme gibt es aber auch hier: "Wenn ich mit dem Fahrrad unterwegs bin, interagiere ich viel mehr mit Fußgängern." Das autonome Bike muss sich anhand von Laserscannern, Kameras und Sensoren orientieren, permanent die eigene Position berücksichtigen, nach Hindernissen Ausschau halten und anderen Verkehrsteilnehmern ausweichen. "Das ist eine Herausforderung", sagt Stephan Schmidt. Was es für die Forscher einfacher macht: Fahrräder sind viel langsamer unterwegs als Autos. Und: Ein autonomer Pkw steckt genauso im Stau fest, wie jedes herkömmliche Fahrzeug. Ein autonomes Bike fährt einfach daran vorbei.

Die Arbeit am Projekt begannen Schmidt und Zug im März 2018. Ein Fahrrad, also Zweirad, im eigentlichen Sinne ist ihr Forschungsgegenstand aber nicht. Im Gegensatz zum Aprilscherz von Google handelt es sich beim Projekt der Magdeburger Uni um ein Velo mit drei Rädern. Das hat praktische Gründe: ohne Fahrer würde es sonst umfallen. Weitere Vorteile sind, dass es sich zum Lastenrad umbauen lässt und so auch für Paketdienste und Lieferservice interessant werden könnte. Angetrieben von einem Elektromotor schafft es 20 Kilometer, bevor es zurück an die Ladestation muss.

Ein ähnliches Konzept verfolgt auch das renommierte Massachusetts Institute of Technology (MIT). Das PEV (Persuasive Electric Vehicle) ist ihre Variante eines autonomen Dreirads. Gebaut aus Standardfahrradteilen, ist es maximal 32 km/h schnell und schafft eine Reichweite von 40 Kilometern. Ebenso soll der Personenbeförderer Uber an einer Idee namens "Micromobility" arbeiten, die neben Vespas auch autonome Fahrräder beinhaltet. Von der Serienreife sind die US-Projekte aber ebenso wie das Pendant aus Magdeburg noch weit entfernt. Stephan Schmidt und Sebastian Zug testen dort gerade den Betrieb ihres Dreirads im "innerbetrieblichen Verkehr", wie es der Juniorprofessor ausdrückt, also den Einsatz in der abgeschlossenen kontrollierten Umgebung eines Firmengeländes. Parallel dazu wollen sie im Herbst die Sensoren so anpassen, dass sie auch in einer freien Umgebung funktionieren. Das Ziel: In drei Jahren soll der erste Prototyp in Magdeburg unterwegs sein. Spätestens dann wird niemand mehr die Idee eines autonomen Fahrrads für einen Witz halten.

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