Autonomes Fahren:Von wegen ausgegoogelt

Autonomes Fahren: Elektroautos brauchen eine bessere Ladeinfrastruktur, meint Joachim Becker.

Elektroautos brauchen eine bessere Ladeinfrastruktur, meint Joachim Becker.

Will sich Google aus dem Geschäft mit dem fahrerlosen Auto zurückziehen? Die eiförmigen Prototypen bekommen keine Nachfolger.

Kommentar von Joachim Becker

Blech, Glas, Gummi. Und Männer mit Benzin im Blut. Das ist die alte Autowelt. Wenn es ein Prototyp nicht in die Serie schaffte, dann war das Projekt ein Flop. In dieser Lesart ist Googles Autoprojekt gescheitert: Die kleinen eiförmigen Roboterautos bekommen keinen Nachfolger. Das war aus Zuliefererkreisen schon länger zu hören. Erst streicht Apple sein Titan genanntes Autoentwicklungsteam zusammen, nun zieht der zweite Angstgegner der deutschen Automobilindustrie seine Pläne für ein eigenes Auto zurück. Im Geburtsland des Patentmotorwagens dürfte man nun aufatmen: Haben wir's doch gewusst, dass uns keiner das Wasser reichen kann. Dabei gibt es keinen Grund zur Entwarnung - im Gegenteil. Beim Auto der Zukunft geht es weniger um Hardware als um Software. Warum soll sich ein IT-Unternehmen mit den Tücken der Technik plagen, wenn es die Autos viel schneller digital erobern kann?

Google hat auf 1,8 Millionen Kilometer Erfahrungen mit seiner Testflotte gesammelt und wird mit Fiat noch viel mehr Versuchsfahrzeuge auf die Straße bringen. Das Google-Projekt liegt also nicht auf Eis, sondern geht im Gegenteil in die nächste Ausbaustufe. Viele Autohersteller werden früher oder später einsehen, dass sie sich auf dem Weg zum autonomen Fahren ohne einen starken IT-Partner mit versierten Algorithmen hoffnungslos verlaufen werden. Von den Kosten in Milliardenhöhe ganz zu schweigen.

Mit einem Radar, ein paar Ultraschallsensoren und acht Kameras, die Tesla für den Autopiloten der Zukunft verbaut, wird Elon Musk nicht sehr weit kommen. Nvidia, mit Grafikkarten weltbekannt geworden, verlangt für seinen Zentralcomputer für das autonome Fahren derzeit etwa 15 000 Euro. Auch wenn diese Entwicklungsplattform später nur ein Viertel dessen kostet, ist das viel Geld. Dazu kommen die doppelt und dreifach überlappenden Sensoren zur Rundumsicht, auf die auch Tesla früher oder später nicht verzichten kann.

Noch viel teurer wird aber die geballte Datenverarbeitung im Hintergrund: Damit ein Auto seine Umwelt wahrnehmen und angemessen interpretieren kann, braucht es eine menschenähnliche Intelligenz. Selbst dann wird es zunächst so unsicher tastend fahren wie jeder andere Fahranfänger auch. Kein Kunde wird ein ängstlich ruckelndes und ständig stoppendes Fahrzeug pilotieren wollen. Daher gehen die Autos jetzt in die Fahrschule. Dieser Lernprozess wird noch Jahre dauern - trotz aller Fortschritte bei neuronalen Netzwerken.

Google hat in den vergangenen Jahren fast alles aufgekauft, was in den Themen Robotik und künstlicher Intelligenz weltweit führend ist. Die Kalifornier werden künftig stärker im Hintergrund arbeiten. An dem Vorsprung, den sie seit 2009 eingefahren haben, ändert das nichts.

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