Autonomes Fahren:Im Roboterbus zur Therme

Autonomes Fahren: Der erste im regulären Verkehr eingesetzte selbstfahrende Bus Deutschlands es ist keine fünf Meter lang und sieht ziemlich klobig aus.

Der erste im regulären Verkehr eingesetzte selbstfahrende Bus Deutschlands es ist keine fünf Meter lang und sieht ziemlich klobig aus.

(Foto: Christof Stache/afp)
  • In Bad Birnbach bei Passau ist nun der erste selbstfahrende Bus auf deutschen Straßen in Betrieb.
  • Die Bahn setzt das "Ioki" genannte Fahrzeug ein. Aber noch ist ein "Operator" an Bord, um den Fahrgästen Berührungsängste zu nehmen.
  • Die Bahn untermauert damit ihre Ambitionen, in den individuellen öffentlichen Nahverkehr einzusteigen - mit autonomen Fahrzeugen unterschiedlicher Art.

Von Markus Balser, Bad Birnbach

Dass auf seiner Kurallee mal Verkehrsgeschichte geschrieben würde? Michael Fahmüller (CSU), Landrat des Kreises Rottal-Inn hätte das vor zwei Jahren für einen schlechten Scherz gehalten. Am Mittwoch aber beobachtet Fahmüller noch immer einigermaßen perplex Dutzende chinesische und deutsche Fernsehteams, die ein klobiges Gefährt im Schritttempo verfolgten. Im niederbayerischen Kurort Bad Birnbach bei Passau startete die Bahn, was Konzernchef Richard Lutz den Start in "ein neues digitales Verkehrszeitalter" nennt: Erstmals fährt mit dem "Ioki" genannten Gefährt ein automatischer Bus fahrerlos auf deutschen Straßen. Und auch Fahmüller ist zufrieden: "Wer automatischen Bus googelt, bekommt als Antwort Bad Birnbach", sagt der Landrat. So eine Publicity hatten sie hier noch nie.

Die Vision der Bahn sieht nicht gerade windschnittig aus. Ein Gefährt, das ab sofort zwischen Kurgelände und dem rund einen Kilometer entfernten Ortskern fährt, es ist keine fünf Meter lang. Die Reifen sind nicht viel größer als die eines Kinderrads. Bis zu acht Passagiere haben an Bord Platz. Rein optisch geht der fahrerlose Bus als Skigondel mit Rädern durch.

Noch gibt es keine standardisierte Zulassung für autonome Fahrzeuge

Doch für das Verkehrssystem gilt der Prototyp als zukunftsweisend. Er ist der Anfang einer Offensive, mit der die Bahn den öffentlichen Personenverkehr Stück für Stück revolutionieren will. Das Projekt könnte massive Auswirkungen darauf haben, wie sich die Deutschen in Großstädten und auf dem Land in Zukunft fortbewegen. Der Test gilt als Vorläufer eines Großprojekts der Bahn: dem individuellen öffentlichen Nahverkehr.

Kunden sollen nicht mehr nur nach Fahrplan reisen. Sie sollen künftig per App Sammeltaxis und Elektrogefährte bestellen können, die sie zum Bahnhof oder an einen beliebigen Ort bringen - zu Preisen, die unter Taxi-Kosten liegen dürften. Auch in Bad Birnbach sollen Fahrgäste den Bus ab dem kommenden Jahr individuell und per App anfordern können.

2018 geht es in Hamburg los - noch mit Fahrer

Im größeren Stil los gehen soll es mit einem Praxistest im kommenden Jahr in Hamburg. In Kooperation mit den dortigen Verkehrsbetrieben will der Konzern dann 100 Fahrzeuge erst mal mit Fahrern auf die Straßen schicken. Wer die nötige App auf dem Handy hat, kann sich eine Mitfahrgelegenheit direkt vor die Tür bestellen oder in ein Sammeltaxi einsteigen. Ziel sei es aber immer mehr autonome Fahrzeuge einzusetzen, kündigte Bahn-Chef Lutz an. Man gehe mit einer "Mischflotte" aus unterschiedlichen Antrieben und Fahrzeuggrößen an den Start. Der Konzern will so der drohenden Konkurrenz digitaler Unternehmen wie Uber begegnen.

Noch bewegt sich die digitale Zukunft beim Thema Roboterautos allerdings buchstäblich im Schritttempo. "Ioki" darf gerade mal 15 Stundenkilometer fahren. Und schon dafür brauchte es diverse Sondergenehmigungen. Denn eigentlich ist für fahrerlose Fahrzeuge auf deutschen Straßen bei zehn Stundenkilometern Schluss.

Noch ist der selbstfahrende Bus ein Zuschussgeschäft

Bislang gibt es zudem keine standardisierte Zulassung für autonome Fahrzeuge. Die neue Bundesregierung müsse in den nächsten Jahren jetzt Rahmenbedingungen schaffen, die den Einsatz auch ohne monatelangen Kampf um Sondergenehmigungen ermögliche, forderte Lutz am Mittwoch in Bad Birnbach.

Für die Bahn ist der Test in Niederbayern ein Zuschussgeschäft. Noch ist die Fahrt kostenlos und ein "Operator" an Bord, um den Fahrgästen Berührungsängste zu nehmen und bei Problemen zu helfen. Seinen Weg finde das elektrisch angetriebene Fahrzeug mit Hilfe von "speziellen Systemen aus Kameras, Abstandsmessern, Sensoren und einem GPS-Modul". Noch fährt der Bus ruckartig, bremst hart vor Hindernissen.

Langfristig dürfte sich die automatische Technik durchsetzen

Der "Operator" könne bei Bedarf manuell eingreifen, sagte Projektleiter Sebastian Krieg. "Zum Beispiel wenn ein falsch geparktes Auto im Weg steht und umfahren werden muss." Verkehrsexperten halten trotz einiger Startschwierigkeiten für wahrscheinlich, dass sich die automatische Technik auch im öffentlichen Nahverkehr langfristig durchsetzt.

Gerade in ländlichen Gebieten, wo viele Menschen auf ein Auto angewiesen seien, könne mit dem Einsatz die Mobilität gesteigert werden, sagt Christian Hochfeld, Chef der Denkfabrik Agora Verkehrswende. "Es ist viel wirtschaftlicher für die Bahn solche Fahrzeuge einzusetzen als einen Zug mit drei Wagen, die vier Fahrgäste befördern."

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