Süddeutsche Zeitung

Autonomes Fahren:Ein Start-up treibt die Lkw-Branche vor sich her

Daimler, MAN und Tesla arbeiten an selbstfahrenden Elektro-Lastwagen. Doch "so weit wie wir ist niemand", sagt Robert Falck. Mit seiner Firma Einride will der Schwede den Lkw-Fahrer abschaffen.

Von Kathrin Werner, Detroit

Robert Falck ist zwischen Kühen und Schweinen und Feldern aufgewachsen, auf einem Bauernhof in Schweden, an der einsamen Grenze zu Norwegen. Sein Vater, der Bauer, hatte kaum Maschinen, die Farm war klein. Als er starb, merkte Falck, damals gerade volljährig, was es heißt, wenn man nicht mithält beim Fortschritt der Technik. Die Familie konnte den Hof nicht behalten.

Falck hat daraus gelernt. Heute geht er mit der Technik. Nein mehr noch: Er treibt sie voran. Der Bauernsohn, nun 35 Jahre alt, hat nach dem Wirtschafts- und Ingenieursstudium in Göteborg an einem Forschungsprojekt zu autonomen Autos an der Silicon-Valley-nahen Universität Stanford gearbeitet und sich von der Erfinderkultur inspirieren lassen. Zurück in Schweden gründete er ein Start-up nach dem anderen - und machte parallel dazu Karriere in der Lastwagen-Sparte von Volvo. Mit gerade einmal 30 Jahren war er für die Produktion der Motoren in neun Fabriken um die Welt verantwortlich. Doch es fühlte sich nicht richtig an. "Vor zwei Jahren wurde mir klar, dass ich nicht mehr für eine Industrie arbeiten wollte, die keine Verantwortung dafür übernimmt, dass sie so einen großen Teil zu den CO₂-Emissionen der Welt beisteuert", sagt er. "Ich konnte damit nicht mehr leben."

So entstand sein Start-up Einride. Binnen kürzester Zeit hat er, gemeinsam mit einer Gruppe anderer Jungunternehmer, Designer und Techniker, einen selbstfahrenden Lastwagen erfunden, der komplett von Batteriestrom angetrieben wird. Er hat seine Ersparnisse in die Firma gesteckt und Geld von Privatinvestoren eingesammelt, inzwischen rund 3,5 Millionen Euro. Der Prototyp ist seit dem Sommer fertig. "Ich wusste nach Jahren in der Lkw-Produktion, was man schaffen kann und was nicht", sagt Falck. "Und als Start-up kann man viele Dinge einfach viel schneller und billiger schaffen als die alten Konzerne."

Seinen autonomen Elektro-Truck, genannt T-Pod, hat Falck vor wenigen Wochen auf die nordamerikanische Automesse in Detroit gebracht. Er hat keine Fahrerkabine und keine Fenster. Der Laderaum steht offen, Falck zeigt hinein. "15 Standard-Paletten passen rein", sagt er. Der junge Unternehmer hofft, bald auch Kunden in den USA zu finden. Schließlich gibt es in dem Land lange, einsame Highways ohne Fußgänger - ideales Gebiet für den T-Pod. "In den Städten ist es zu komplex für autonomes Fahren", sagt er. Außerdem sei das Ausladen und Zustellen eine wichtige Aufgabe der Fahrer. "Aber ein großer Teil der Warentransporte findet in abgelegenen Gegenden statt und wiederholt sich."

Die Konkurrenz ist groß und namhaft

Die T-Pods sind mit Radar und Kameras ausgestattet. Sie können selbst fahren, aber auch ferngesteuert werden. Einen Kunden hat Einride bereits: die Supermarktkette Lidl. Schon im Lauf dieses Jahres sollen erste T-Pods die Lagerhäuser in Schweden verbinden. "Schon jetzt gibt es die Technik da draußen", sagt Falck. Überall gebe es Durchbrüche: etwa bei künstlicher Intelligenz, Batterien oder Sensoren. "Aber die Industrie hat sich noch nicht wesentlich verändert."

Einride ist allerdings nicht das einzige Unternehmen mit Plänen für den Lastwagen der Zukunft. Der US-Motorenhersteller Cummins will einen E-Laster bauen, genauso Navistar. Und Daimler präsentierte vor Kurzem einen vollelektrischen Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 26 Tonnen. Bewegung gibt es auch bei autonomen Trucks. Der Fahrdienstvermittler Uber hat das Start-up Otto gekauft, das sich auf selbstfahrende Laster spezialisiert hat. Allerdings stecken Uber und Otto in einem Rechtsstreit mit der Google-Schwesterfirma Waymo um Patente, das Projekt steckt fest. Amerikanische Start-ups wie Starsky Robotics und Embark arbeiten genauso an Selbstfahrtechnik wie große Lkw-Bauer wie Daimler und MAN.

"So weit wie wir ist niemand"

Und vor einigen Wochen hat auch Tesla, das größte Auto-Start-up der Welt, einen Elektro-Truck vorgestellt, der eine Reichweite von 800 Kilometern haben soll. Ein Autopilot soll den Fahrer unterstützen. Zwischen 150 000 und 200 000 Dollar soll ein Truck kosten. Es gibt bereits mehrere Abnehmer, darunter die Brauerei Anheuser-Busch und UPS. 2019 soll die Produktion beginnen - allerdings ist Tesla für Verzögerungen bekannt. "Tesla hat nicht bewiesen, dass sie den Truck wirklich zu einem wettbewerbsfähigen Preis bauen können", kritisiert Falck. "So weit wie wir ist jedenfalls niemand." Und niemand will den Fahrer komplett abschaffen.

Einrides T-Pod kann mit einer Batterie-Ladung nur rund 200 Kilometer fahren, deutlich weniger als Tesla plant. Aber das sei kein Problem, sagt Falck. "Sobald man keinen Fahrer mehr bezahlen muss, kostet es kein Geld mehr, wenn der Lastwagen zwischendurch anhält und aufladen muss."

Anders als Tesla oder andere Lastwagenbauer will Einride die T-Pods nicht an Speditionen verkaufen, die für die Kunden die Waren transportieren. Einride will selbst die Flotte betreiben - direkt im Auftrag von Firmen wie Lidl. Einride will Menschen beschäftigen, die T-Pods aus der Ferne kontrollieren und sie in kritischen Situationen fernsteuern. Und so wie Apple das iPhone nicht selbst zusammensetzt, will auch das Start-up keine Fabriken hochziehen, sondern die Lastwagen von Auftragsfertigern bauen lassen. Falck glaubt, dass die alten Konzerne zu unbeweglich sind für die neue Technik-Welt, vielleicht ein wenig wie die alte Familienfarm an der Grenze zu Norwegen. "Man muss ein Start-up sein", sagt er, "um die Dinge wirklich zu verändern."

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SZ vom 30.01.2018/harl
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