Autonomes Fahren:Ein Gesetz wie ein Anschlag auf den Straßenverkehr

Autonomes Fahren: Fahrtest in einem Nissan. Die Regierung will Autofahrer und Autopilot-Systeme rechtlich gleichstellen.

Fahrtest in einem Nissan. Die Regierung will Autofahrer und Autopilot-Systeme rechtlich gleichstellen.

(Foto: AP)

Der Gesetzentwurf zum autonomen Fahren nimmt bei einem Unfall den Menschen am Steuer in die Haftung, nicht den Autohersteller. Und ist damit ein gefährlicher Höhepunkt an Lausigkeit.

Kommentar von Heribert Prantl

Gesetzgebung war einmal eine hohe Kunst in Deutschland. Deutsche Gesetze galten als Exempel an Sorgfalt und Akkuratesse. Deutsche Gesetze hatten eine kluge Systematik und eine bewundernswerte Technik. Nun ja, die Sprache war immer ein wenig eigen. Aber diese Eigenheit war gut erträglich, weil die Gesetze klug komponiert und für jeden Kundigen schnell zu entschlüsseln waren.

Das hat sich leider sehr geändert. Viele Gesetze sind schludrig und schlampig, die früher virtuos gehandhabte Verweisungstechnik führt oft ins Leere - weil die Paragrafen, auf die verwiesen wird, gar nicht mehr existieren. Es müssen dann die Verlage, die Gesetzestexte herausgeben, korrigierend eingreifen.

Das kennt man, das weiß man, das ist leider so. Aber selbst in so lausigen Gesetzgebungszeiten ist der Gesetzentwurf zum autonomen Fahren im Straßenverkehr, den das Bundesverkehrsministerium des Alexander Dobrindt (CSU) erarbeitet hat, ein bisher nicht erreichter und dazu auch noch gefährlicher Höhepunkt an Lausigkeit.

Dieses Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes ist eigentlich kein Gesetz - sondern ein Anschlag, ein Anschlag auf den Straßenverkehr. Das Gesetz ist zweitens eine Zumutung für den Verbraucher, also für die Käufer und Fahrer von Autos mit Autopiloten; auf sie werden alle Haftungsrisiken abgewälzt. Das Gesetz ist drittens eine 22 Seiten lange Werbebroschüre für den Bau von selbstfahrenden Autos, weil, wie gesagt, die Hersteller von Haftungsrisiken freigestellt werden; die trägt der Fahrer des Autos beziehungsweise der Halter.

Eine Schande, dass das Kabinett den Gesetzentwurf passieren ließ

Und viertens ist der Gesetzentwurf ein Transportmittel für die Großsprecherei des Bundesverkehrsministers Alexander Dobrindt. Er schwadroniert von der "größten Mobilitätsrevolution seit Erfindung des Automobils" und will Deutschland auf dem Gebiet des Auto-Autos zum Marktführer machen. Letzteres ist im Prinzip ja nicht schlecht; aber Gesetze sind nicht dafür da, eine noch unausgereifte Technik auf Kosten und auf Risiko des Verbrauchers schon jetzt zum vermeintlichen Ruhm des Ministers zu promovieren und auf dem Markt zu etablieren.

Es ist eine Schande, dass das Kabinett einen solchen Gesetzentwurf hat passieren lassen - selbst wenn der Entwurf angesichts der zu Ende gehenden Legislaturperiode in diesem Jahr kaum Gesetz werden wird.

Der Fahrer muss jederzeit manuell eingreifen können

Dobrindt gaukelt im Übrigen falsche Tatsachen vor: In seiner Euphorie tut er so, als könne man künftig als Kfz-Führer im Auto E-Mails bearbeiten, Kurznachrichten schreiben, im Internet surfen oder ein Buch lesen. Das stimmt aber nicht. Selbst der Gesetzestext sagt etwas anderes: "Der Fahrzeugführer ist verpflichtet, die Fahrzeugsteuerung unverzüglich wieder zu übernehmen, erstens, wenn das hoch- oder vollautomatisierte System ihn dazu auffordert, oder zweitens, wenn er erkennt oder aufgrund offensichtlicher Umstände erkennen muss, dass die Voraussetzungen für eine bestimmungsgemäße Verwendung der hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen nicht mehr vorliegen".

Das heißt: Es bleibt die Pflicht des Fahrers bestehen, den Verkehr zu beobachten - auch dann, wenn der Autopilot fährt. Er muss jederzeit manuell eingreifen können. Er kann sich also nicht gemütlich auf den Beifahrersitz räkeln, er muss hinterm Steuer sitzen, er muss aufmerksam sein und bleiben. Es werden im Gesetz Warnsignale des autonomen Systems vorgeschrieben, die den Fahrer auffordern, das Steuern wieder selbst zu übernehmen. Wie schnell muss das gehen? Kein Wort dazu im Gesetz.

Der Autopilot ist ein gefahrgeneigtes, gefährliches Produkt

Das Gesetz stellt lediglich fest, dass der Fahrer auch Fahrer bleibt, wenn er sich vom Autopiloten fahren lässt. Und darin verbirgt sich die Unverschämtheit des Gesetzentwurfs: Das Risiko für Fehlfunktionen des Autopiloten tragen schlicht der Fahrer oder der Halter des Auto-Autos.

Die Automobilindustrie will diese Haftung nicht übernehmen, weil sie technisch noch nicht so weit ist, wie sie sein möchte und sein muss. Der Autopilot ist, das wissen die ihn entwickelnden Ingenieure, das weiß seit den Unfällen von Tesla auch der Minister, ein sehr gefahrgeneigtes, also ein gefährliches Produkt. Ein Gesetz, das dieses Produkt beim jetzigen Stand der Technik forciert in den fließenden Verkehr bringen will, ist ein ebenso betrügerisches wie gefährliches Gesetz.

Der Gesetzentwurf des Verkehrsministers ist quasi ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr. Bestraft wird nach diesem Strafparagrafen derjenige, der die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt und dadurch Leib oder Leben oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet. Darauf steht Geldstrafe oder Haft bis zu fünf Jahren.

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