Autonomes Fahren:Der Mensch bleibt die Gefahrenquelle

Ein autonom fahrender Mercedes E 200 fährt während einer Präsentation durch ein mit Bosch-Sensoren ausgestattetes Parkhaus.

Ein Mercedes fährt während einer Präsentation autonom durch ein mit Sensoren ausgestattetes Parkhaus.

(Foto: Marijan Murat/dpa)

Viele Autohersteller suggerieren eine unfallfreie Zukunft - dank selbstfahrender Autos. Doch schon ein angetrunkener Fahrer, der die Vorfahrt missachtet, könnte das System nachhaltig stören.

Kommentar von Georg Kacher

Wie gefällt Ihnen das autonome Fahren? Dass Ihr Auto das noch nicht kann - egal. Es geht nämlich gar nicht um Ihr Auto. Sondern um das autonome Drumherum. Um den Telefonierer, der gleichzeitig im Beifahrerfußraum nach Stift und Notizblock kramt. Um die Schöne, die sich auf der Schnellstraße die Lippen nachzieht. Oder auch um den Ortsfremden, der mit dem Navi im Clinch liegt.

Der Schlüssel auf dem Weg ins Verderben ist das Smartphone. Eine kurze SMS genügt, und schon fährt der Fahrer vor uns wie nach dem Genuss einer Flasche Rotwein. Eine neue Mail, bling, und weg ist der letzte Rest von Aufmerksamkeit. Einmal Whatsapp, Facebook, Instagram aktivieren, und der Kopf taucht ab in eine digitale Welt.

Die Folgen selbst erzeugter Aufmerksamkeitsdefizite füllen Tag für Tag die Polizeiberichte. Lastwagen rast in Stauende, Auffahrunfall mit Todesfolge, aus ungeklärter Ursache von der Straße abgekommen. Für 25 Stundenkilometer zu schnell innerorts gibt's einen Punkt - dito für die Handynutzung am Steuer. Beide Strafen sind ein Witz. 25 drüber heißt 50 Prozent zu schnell; Handy am Steuer heißt Augen und Hirn woanders. Wenn nichts passiert, war das Glück oder Vorsehung oder Aufschub.

Viele Hersteller suggerieren, dass wir vom Jahr 2025 an vollautonom fahren können. Dann würde auch vom Handy keine Gefahr mehr drohen. Doch das wird nicht funktionieren, auch 2035 nicht. Denn solange es Mischverkehr gibt, leben die Insassen der selbstfahrenden Elektro-Lounges auf geborgte Zeit. Stimmt, ein perfekt gemachtes vollautonomes Auto wird vermutlich niemals einen Unfall verschulden. Aber selbst drei Dutzend Kameras, Scanner und Sensoren sind machtlos, wenn plötzlich ein angetrunkener Trucker mit seinem 40-Tonner die Vorfahrt missachtet.

Teilautonomes Fahren ist kaum umsetzbar

Autonom fahren funktioniert bis auf Weiteres nur innerhalb eines Sperrgebiets. Anders ausgedrückt: Eine nach allen Richtungen abgeschirmte Stadt, in der jedes Fahrzeug automatisch allein nach Hause findet, ist das einzig sichere Prüfgelände. Diese Stadt ist weder Lissabon noch Berlin, sondern eine aus dem Boden gestampfte Neubauretorte. Vor allem in China macht man sich für solche kollisionsfreien Verkehrsübungsplätze stark, in denen unter Ausschluss des Mischverkehrs auch andere Mobilitätsszenarien getestet werden.

Aktuell ist schon teilautonomes Fahren kaum umsetzbar. Warum? Weil die notwendigen Sicherheitsmargen das Vorankommen eines Roboterautos im Schwarm der Drängler dramatisch verlangsamen, weil der Mensch mit jedem zweiten Lenk- und Bremseingriff der Maschine hadert und lieber so schnell wie möglich ankommen möchte.

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