Automobile Zukunft:Telekom drängt ins vernetzte Auto

Vernetztes Auto

Viele IT-Firmen wollen am Geschäft mit vernetzten Autos partizipieren - jetzt auch die Deutsche Telekom.

Autos werden zu rollenden Computern. Durch die Daten, die sie senden und empfangen, entsteht ein Milliardengeschäft, in dem sich nun die Deutsche Telekom gegen Google in Stellung bringt.

Von Varinia Bernau und Thomas Fromm

Der 28. Mai 2014 war der Tag, der in der Autoindustrie alles veränderte. Es war der Tag, an dem der Internetkonzern Google sein selbstfahrendes Auto auf die Straße ließ. Ein seltsames Vehikel, ein Prototyp ohne Lenkrad, ohne Gas- oder Bremspedale. Kleine, freche, bunte Biester, von denen Google sagte, dass sie in ein paar Jahren auf die Straße kommen.

Muss man vor so etwas Angst haben? VW-Chef Martin Winterkorn jedenfalls gab sich unerschrocken. "Wir lassen uns die Butter nicht vom Brot nehmen."

Die Wahrheit aber ist eine andere: Deutschlands Autokonzerne, und nicht nur die, haben sehr wohl Angst vor den IT-Firmen an der amerikanischen Westküste.

Denn: Aus den Blechkisten werden rollende Computer, die ständig Daten empfangen oder senden. Sie stehen in Kontakt mit Servern, um Staumeldungen abzugreifen, sogar mit anderen Autos und Ampeln. Sicherer soll die neue vernetzte Autowelt werden, umweltfreundlicher und effizienter: Ist ein Bauteil kaputt, wird die Information gleich an die Werkstatt gesendet. Und die IT-Firmen wissen, wie das alles geht.

"Wir wollen Google nicht das Feld überlassen"

Es ist ein Milliardengeschäft, in das nun auch die Deutsche Telekom drängt und sich gegen die Giganten aus dem Silicon Valley in Stellung bringt. "Wir wollen Google nicht das Feld überlassen", sagt Reinhard Clemens, im Vorstand für die Geschäftskundensparte T-Systems zuständig. An diesem Freitag wird er deshalb den Vertrag für ein Joint Venture mit China Mobile unterzeichnen. Die Telekom bringt in dieses Gemeinschaftsunternehmen die Technologie für vernetzte Fahrzeuge ein, China Mobile als größter Netzanbieter im Reich der Mitte stellt das Funknetz und damit den Zugang zu den Kunden. Mittelfristig sollen etwa 200 Mitarbeiter in Shanghai sitzen und Autohersteller und -verleiher ebenso wie Flottenbetreiber für die gemeinsame Plattform gewinnen.

Es ist kein Zufall, dass es die Telekom ausgerechnet nach China zieht: In dem Land wächst eine technikaffine Mittelschicht heran, die von ihrem Auto mehr will, als nur von einem Ort zum anderen zu kommen. Doch seit die Chinesen die Lust aufs eigene Auto entdeckt haben, ächzt das Land auch unter kilometerlangen Staus und Smog.

Viele Herausforderungen durch das vernetzte Auto

Selbstfahrendes Auto von Google.

Dieses selbstfahrende Auto präsentierte Google Ende Mai in Kalifornien.

(Foto: dpa)

Bis zum Jahr 2020, rechnet Felix Kuhnert, Autoexperte bei PwC vor, wird der weltweite Autoabsatz von derzeit 83 Millionen auf dann 109 Millionen Fahrzeuge steigen. Der Zuwachs findet vor allem in China statt. "Gerade in den Millionenstädten an der Ostküste, aber auch im Rest des Landes, muss die chinesische Regierung diese Masse steuern, allein schon um die Bevölkerung nicht gegen sich aufzubringen", sagt Kuhnert. "Deshalb zeigt sie ein so großes Interesse an den neuen Technologien und nutzt Joint Ventures, um sich dieses Know-how ins Land zu holen." Schließlich komme es beim vernetzten Auto nicht nur darauf an, eine Technologie zu entwickeln, es gehe auch um Sicherheitsfragen, um eine zügige Abrechnung, um intuitiv zu bedienende Apps auf dem Amaturenbrett - kurzum: Das Zusammenspiel muss gut orchestriert werden. "Da kommt es eher aufs Management an, und in dem Punkt sehe ich die westlichen Firmen noch als führend an", sagt Kuhnert.

Aber westliche Firmen, das heißt eben auch: Vielleicht sichern sich die IT-Giganten aus den USA dieses Milliardengeschäft. Schon jetzt vernetzt etwa Mercedes seine Autos nicht nur mit Hilfe der Telekom, sondern auch mit der von Apple. Volvo und Ferrari arbeiten ebenfalls mit dem Konzern aus dem Silicon Valley zusammen. Google und Nvidia haben eine Open Automotive Alliance mit Audi, Honda, Hyundai und General Motors ins Leben gerufen. Das zeigt: Der Kuchen wird gerade verteilt, und die Hersteller versuchen, so nah wie möglich an die beiden IT-Giganten heranzukommen. Auch wenn ihnen diese Nähe Unbehagen bereitet.

Es geht um die Hoheit über die Daten

"Es ist nicht so, dass wir die Welt für die nächsten zehn Jahre entworfen hätten, wir alle lernen noch dazu", räumt auch Telekom-Manager Clemens ein. Aber er sagt auch, dass er einen Stimmungswandel in der Industrie ausgemacht habe. "In der Vergangenheit ging es darum, wer das Auto am günstigsten vernetzen kann."

Seit einigen Monaten rücke die Frage, wer die Hoheit über die Daten hat, in den Vordergrund. Die Telekom nutzt also die Angst, die manch ein deutscher Hersteller derzeit vor Google hat, um sich selbst als der bessere Partner ins Spiel zu bringen. Auch weil das Geschäft mit einer Plattform, die einmal entwickelt wird und dann den Umsatz ohne weitere Kosten schnell steigern lässt, mehr abwirft als das klassische Geschäft mit Callcenter-Mitarbeitern, die helfen sollen, wenn der Computer im Büro nicht läuft.

Erst das Auto, dann vielleicht die Waschmaschine

Eine zweistellige Millionensumme steckt die Telekom in das Joint Venture mit China Mobile. Doch auf lange Sicht geht es dem Bonner Konzern nicht nur um Autos. "Die Technologie können wir ohne großen Aufwand auch auf andere Bereiche übertragen", sagt Clemens. "Wer in der Lage ist, rechtzeitig zu erkennen, dass die Waschmaschine in drei Wochen kaputtgeht, hat einen strategischen Vorteil." Der könne um diesen Kunden nämlich mit neuen Diensten werben - und ihn eben nicht an die neuen Angreifer verlieren. "Der Kunde kann dann beraten werden, ehe er sich über die kaputte Maschine ärgert und im Internet nach einer neuen sucht."

Wenn Google erst einmal in jedem Auto und in jeder Waschmaschine sitzt, das ist die Logik hinter diesen Gedankenspielen, dann wird der Konzern alles daran setzen, die Daten auszuwerten und die neuen Dienste selbst anzubieten. "Es geht um die Frage, ob wir Google diese Wertschöpfung überlassen wollen", sagt Clemens.

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